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19.06.20 / Der Fall Khashoggi / Versöhnung oder Verhöhnung? / Für die Zahlung von Blutgeld verzeihen die Söhne des ermordeten saudischen Journalisten den fünf zum Tode verurteilten Tätern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25 vom 19. Juni 2020

Der Fall Khashoggi
Versöhnung oder Verhöhnung?
Für die Zahlung von Blutgeld verzeihen die Söhne des ermordeten saudischen Journalisten den fünf zum Tode verurteilten Tätern
Bodo Bost

Am 2. Oktober 2018 war der Journalist Jamal Khashoggi im saudi-arabischen Generalkonsulat in Istanbul bestialisch ermordet worden. Er wollte dort Dokumente für eine Eheschließung mit einer Türkin abholen. Seine türkische Verlobte wartete vor dem Konsulat vergeblich. Die saudischen Behörden benötigten zweieinhalb Wochen nach dem Verschwinden im Konsulat, bis sie erstmals zugaben, dass der Kritiker des Königshauses in Istanbul getötet worden war. 

Es dauerte allerdings noch einige Zeit, bis die Saudis sich auf eine einheitliche Version der Todesumstände einigten, eine Leiche wurde nie gefunden. Am Ende setzte sich die Version durch, dass der Tod Khashoggis eine aus dem „Ruder gelaufene Entführung“ gewesen sei. Der Version eines „Unfalls“ widersprechen allerdings alle geheimdienstlichen Erkenntnisse zum Fall, denn zu dem eigens an dem Mordtag aus Saudi-Arabien angereisten Mordkommando gehörte sogar ein Gerichtsmediziner.

Altarabische Tradition der „Sulha“

Im Dezember 2019 wurden acht Angeklagte verurteilt, fünf davon zum Tode. Vom Gericht wurde die Tat als Totschlag, nicht als Mord qualifiziert. Als die Söhne des Ermordeten den Kronprinzen zum Kondolenzbesuch empfingen, gab es bereits Anzeichen, dass diese bereit seien, sich auf eine „Sulha“, eine aus der arabischen Stammestradition stammende Blutgeldregelung einzulassen. Wie hoch das Blutgeld war und in welcher Form es bezahlt werden wird, wurde jedoch nicht bekannt. 

Sulha kann man wörtlich mit Versöhnung übersetzen, sie mag für westliche Ohren fremd klingen, aber sie kann verhindern, dass sich im Orient bei Blutrache Mordserien über Generationen verselbstständigen. Hatice Cengiz, die an dem Mordtag vergeblich auf ihren Verlobten gewartet hatte, sprach den Söhnen das Recht ab, auf Gerechtigkeit zu verzichten. Allerdings ist sie, da nicht mit Khashoggi verheiratet, keine Verwandte des Ermordeten. 

Cengiz, die Anhängerin der Muslimbruderschaft ist – in Saudi-Arabien verboten – hatte 2019 viele Länder, auch Deutschland, bereist und Gerechtigkeit gefordert. Allerdings wollte sie zu den Verbrechen der Muslimbruderschaft keine Stellung beziehen. 

Die UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche Hinrichtungen warf Saudi-Arabien angesichts der Sulha-Justiz „Verhöhnung“ vor. Anders als die Verlobte leben die Söhne des Ermordeten weiterhin in Saudi-Arabien und müssen sich mit dem Regime, das gegen Kritiker keine Gnade kennt, arrangieren. 

Kronprinz Mohammed bin Salman, dessen eigene Verantwortung bei dem Gerichtsverfahren nicht behandelt wurde, durfte seine zum Tod verurteilten Gefolgsleute nicht hängenlassen, um nicht einen massiven Vertrauensverlust zu riskieren.

Die Ermordung Khashoggis hat Saudi-Arabien mehr geschadet, als es der Journalist durch seine Artikel je hätte tun können. Das Vertrauen in das saudische Königshaus und vor allem seinen Thronfolger ist trotz Sulha für Jahrzehnte erschüttert. Eine schwere Hypothek und ein schwerer Verdacht lasten auf dem Kronprinzen, auch wenn mit der Annahme der Sulha auf weitere juristische Schritte verzichtet wird. 

Moral lässt sich, zumindest im Westen, noch nicht mit Geld kaufen. Auch das Verhältnis zwischen dem MbS genannten Kronprinzen zu Washington ist belastet, im Kongress werden Forderungen nach Konsequenzen nicht verstummen. Es bleibt ausgeschlossen, dass der unter Mordverdacht stehende Kronprinz je zu einem Staatsbesuch in ein westliches Land aufbrechen wird.