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19.06.20 / Diakonissen / Schwimmen lernen unterm Altar / Nach dem Gebet ins Schwimmbad – Eine Schwesternschaft mit preußischen Wurzeln verbindet seelisches mit körperlichem Heil

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25 vom 19. Juni 2020

Diakonissen
Schwimmen lernen unterm Altar
Nach dem Gebet ins Schwimmbad – Eine Schwesternschaft mit preußischen Wurzeln verbindet seelisches mit körperlichem Heil
Helga Schnehagen

Ein Schwimmbad unter einem Kirchensaal? Wo gibt es denn so etwas? Wohl nur in Elbingerode im Harz, und zwar im Mutterhaus der einst aus West- und Ostpreußen hierhergezogenen Diakonissen von Neuvandsburg. Die Idee dazu kam durch diese Fragen: Was sollte mit dem überschüssigen Dampf geschehen, welchen die Dampfmaschine im Maschinenhaus nachts für die Heizung produziert? Wie sollte der Raum unter dem Kirchensaal des neuen Mutterhauses genutzt werden? 

Architekt Godehard Schwethelm stellte die Diakonissen 1932 vor die einmalige Wahl: Gewächshaus oder Schwimmbad? Die Diakonissen entschieden sich fürs Hallenbad: das Schwimmbecken 20 Meter lang, sechs Meter breit, bis zu drei Meter tief und mit Ein-Meter-Sprungbrett versehen. Wassertemperatur 20 Grad. Die sieben Abteilungen für Wannenbäder wurden später durch eine physiotherapeutische Abteilung ergänzt. 

Nicht nur viele Elbingeröder Kinder lernten hier das Schwimmen. Auch Fremde, die sich im Gästehaus einquartieren, erhalten an der Rezeption des Mutterhauses den Badschlüssel, um sich beim Schwimmen, in der Sauna oder bei Massagen und Wärmeanwendungen, auf Rezept oder als Selbstzahler, vom Wandern durch den dichten Oberharzer Tannenwald zu entspannen.

Oberin Anita Rost a.D. führt den Besucher nicht nur zu diesem „Schatz“, voller Stolz präsentiert sie das gesamte 1934 geweihte Mutterhaus. Ein zu seiner Zeit hochmoderner Stahlskelett-Bau mit runden Akzenten in der glatten Fassade, den niemand im traditionell geprägten Oberharz vermutet. 

Die Paarung von praktischer Nutzung mit schicker, schlichter Eleganz überzeugt bis heute. Paradebeispiel ist der multifunktionale Kirchensaal, der mit wenig Aufwand zum Vortrags-, Fest- und Kinosaal mutieren kann. Statt Bänken hat er Stühle, die Kanzel ist wegräumbar, der Altarraum lässt sich zur Bühne erweitern, die Wände verschieben und die große Leinwand war von Anfang an eingebaut.

Die Wurzeln der Schwesternschaft liegen in Ost- und Westpreußen. Am 20. Oktober 1899 entstand im ostpreußischen Borken für ganze vier Schwestern das erste Gemeinschaftshaus. Schon ein halbes Jahr später zog die junge Schwesternschaft ins westpreußische Vandsburg um und gründete das erste Mutterhaus der evangelischen Gemeinschaftsbewegung. Als Vandsburg an Polen fiel, zog ein Großteil der Schwestern gen Westen, gründete die Schwesternschaft Neu-Vandsburg und fand 1921 im früheren Elbingeröder Kurhotel eine neue Heimat. Als dieses zu klein wurde, begann man den jetzigen Neubau im Bauhaus-Stil. 

Die Kliniken des Diakonie-Krankenhauses mit Schwerpunkt Suchtmedizin, Psychosomatik und Psychotherapie umgeben das Mutterhaus. Angeschlossen ist eine Berufsfachschule.

Diakonissen-Mutterhaus Neuvandsburg, Unter den Birken 1, 38875 Oberharz am Brocken OT Elbingerode, www.mutterhaus-elbingerode.de