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26.06.20 / Conrad von Seelhorst – Weltumsegler und Agrarpionier / Er erforschte bedeutsame Erkenntnisse in der Pflanzenkunde, die heutzutage große Bedeutung haben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26 vom 26. Juni 2020

Conrad von Seelhorst – Weltumsegler und Agrarpionier
Er erforschte bedeutsame Erkenntnisse in der Pflanzenkunde, die heutzutage große Bedeutung haben

Conrad von Seelhorst stammte aus Pommern, begann seine Laufbahn als Weltumsegler und erlangte dann als wegweisender Agrarwissenschaftler deutsche Bedeutung. Er hatte seine Hauptwirkungsstätten in Jena sowie Göttingen, leistete als Professor für Pflanzenbaulehre wissenschaftliche Pionierarbeit, prägte zahlreiche Studentengenerationen und sorgte mit der Veröffentlichung seiner Erkenntnisse für die wachsende Anwendung in der landwirtschaftlichen Praxis. Damit erreichte er auch über seinen Tod vor 90 Jahren hinaus bis in die Gegenwart eine erhebliche Nachwirkung. Besonders seine Untersuchungen zum Wasserverbrauch landwirtschaftlicher Kulturpflanzen und zum Tiefgang der Wurzeln sind angesichts der letzten Trockenjahre von aktueller Bedeutung. 

Conrad von Seelhorst wurde am 5. April 1853 auf dem elterlichen Rittergut Alt-Stüdnitz geboren. Der Ort liegt etwa 10 Kilometer südöstlich von Bütow am Nordufer des Stüdnitz-Sees, wurde 1335 in einer Urkunde des Deutschen Ordens erstmals erwähnt und gelangte danach in den Besitz der Herzöge von Pommern. Das lange durch Gutswirtschaft geprägte Alt- Stüdnitz heißt heute Studzienice und gehört jetzt zum Powiat Bytowski in der polnischen Woiwodschaft Pommern. 

Die Mutter war eine geborene Maria von Hövell. Der Vater entstammte einer Offiziersfamilie, bewirtschafte nach eigener Offizierslaufbahn bis zum Rang eines Generalleutnants das Familiengut und orientierte seinen Sohn schon früh auf den Militärdienst. Der junge Seelhorst entschied sich  deshalb vor dem Schulabschluss 1869 zum Eintritt in die Marine des Norddeutschen Bundes. Er war zunächst Kadett, wirkte in der aufstrebenden kaiserlichen Marine als Seeoffizier und nahm 1874 für zwei Jahre an der Weltumsegelung des Forschungsschiffes SMS Gazelle teil. Dabei spezialisierte er sich auf astronomische sowie meteorologische Messungen. Das wurde sein Einstieg in die Welt des wissenschaftlichen Arbeitens. 

Dann aber ereilte ihn ein schweres Lungenleiden, das alle Zukunftsplanungen über den Haufen warf. Nach der krankheitsbedingten Quittierung des Dienstes in der Marine und mehreren Aufenthalten in Sanatorien entschied sich der Ex-Offizier mit Bezug zum elterlichen Gut für ein Studium der Landwirtschaftswissenschaften, die durch einige herausragende Agrarpioniere gerade einen Entwicklungsschub erlebten. Seelhorst kam in Jena in die Obhut von Theodor Freiherr von der Goltz, wurde unter ihm mit einer betriebswirtschaftlichen Arbeit promoviert und bekrönte diese Etappe 1890 mit der Habilitation. Es folgten die Tätigkeit am Landwirtschaftlichen Institut der Universität in Jena, die Hinwendung auf den Pflanzenbau und 1892 die Veröffentlichung eines ersten Lehrbuches, das binnen kurzem zum Standardwerk in der Moorkultivierung gedieh. Seelhorst hatte ein Nischenthema aufgewertet, wurde deutschlandweit bekannt und in Jena befördert. Er wurde Professor und Chef der Versuchsstation der Universität. 

Aber auch andere Universitäten zeigten an seiner Person Interesse. Es gab lukrative Angebote. Seelhorst entschied sich nach den Jahren in Jena 1896 für die Universität in Göttingen, wo er in der Nachfolge von Georg Liebscher als Professor für Pflanzenbaulehre wirkte und am Institut große Versuchsfelder, eine moderne Vegetationshalle und beste Forschungsbedingungen besaß. Nun legte er so richtig los. Er lehrte über Wiesen- sowie Weidenbau, Moorkultur, Pflanzenkrankheiten und Pflanzenzüchtung, nutzte die Versuchsfelder zur Forschung und für praktische Übungen und betrieb eine umfangreiche Forschungsarbeit. Er erschloss den Zusammenhang zwischen dem Tiefgang der Wurzeln und der Düngungsintensität des Bodens, wies nach, dass „optimal gedüngte Pflanzenbestände trockene Witterungsperioden besser überstehen“, und untersuchte die Nährstoffverluste durch Auswaschungen. Dabei entwickelte sich der Agrarpionier zum Spezialisten für den „Wasserverbrauch landwirtschaftlicher Kulturpflanzen“, ein Thema, das gerade zuletzt wieder an Bedeutung gewann. Seelhorst war darin seiner Zeit voraus und wies Wege auf, um damalige und heutige Probleme zu überwinden. Er fungierte als Institutsdirektor, führte 30 Doktoranden zur Promotion und publizierte als Mitherausgeber des „Journals für Landwirtschaft“ seine weg- weisenden Erkenntnisse. Das trug ihm zahlreiche Ehrungen ein wie die Erhebung zum Geheimen Regierungsrat und die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Universität in Halle, weitere Angebote anderer Universitäten und den deutschlandweiten Ruf eines Agrarpioniers. 

Seelhorst wurde 1922 emeritiert, arbeitete seinen Schüler Otto Tornau als Nachfolger ein, und starb nach einem in Zurückgezogenheit verbrachten Lebensabend unverheiratet an den Folgen eines Herzschlages am 6. Juli 1930 in Göttingen. Seine letzte Ruhe fand er auf dem Göttinger Stadtfriedhof. 

Martin Stolzenau 





Forschungsfahrt

Vom 21. Juni 1874 bis zum 28. April 1876 unternahm die Gazelle eine nahezu zweijährige und 48.797 Seemeilen umfassende Expedition, die sie von Kiel aus entlang der afrikanischen Westküste, zum Kap der Guten Hoffnung, zu den Kerguelen, nach Mauritius, in die Südsee, durch die Magellanstraße und über die Azoren zurück nach Kiel führte.