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26.06.20 / Grenzerfahrungen / „Wie vor 1989“ / Mit der Lockerung des Lockdowns stellen Deutsche und Tschechen fest, wie sehr sie sich vermisst haben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26 vom 26. Juni 2020

Grenzerfahrungen
„Wie vor 1989“
Mit der Lockerung des Lockdowns stellen Deutsche und Tschechen fest, wie sehr sie sich vermisst haben
Markus Bauer

Seit Mitte März waren wegen Corona die Grenzen zu Polen und Tschechien geschlossen. Im Mai hatte sich daher überregional die Initiative „Samstage für Nachbarschaft“ gegründet, um mit Aktionen entlang der Grenze auf die Öffnung hinzuwirken. Mitte Juni wurden die Grenzen nun wieder geöffnet. Somit standen die 14-tägigen „Samstage für Nachbarschaft“ am 13. Juni unter dem Aspekt der Wiederöffnung auch an der bayerisch-tschechischen Grenze. 

Gerade die Grenzregionen spürten die Schließung immens. Nicht nur, weil hier seit der 89er Revolution oft gute Nachbarschaftsbeziehungen und Kontakte gewachsen sind. Auch die wirtschaftlichen Verflechtungen, das heißt Arbeitsplätze und Pendler beiderseits der Grenze, gerieten durch Aus- und Einreiseverbote oder Quarantänen in Gefahr.

Betrübt über die geschlossene Grenze zeigte sich daher Ende Mai der Bürgermeister von Neukirchen beim Heiligen Blut und Stellvertretender Chamer Landrat Markus Müller. „Das ist ein Einschnitt in unser Zusammenleben, in die gegenseitige Verbindung. Das ist nun unterbrochen, eingeschränkt und schwieriger“, stellte er fest. Natürlich stehe der Gesundheitsschutz über allem, doch angesichts niedrigerer Infektionszahlen hoffte Müller zu diesem Zeitpunkt, „dass sich das Leben und auch das Zusammenleben normalisieren wird“. 

„Unwürdige Lebenssituation“

Auf die guten Verbindungen der Bevölkerung von unten her, in den Vereinen und Gruppen, machte bei diesem Treffen am Wander- und Rad-Grenzübergang Hofberg-Fleky der Bürgermeister Jaroslav Bouzek von Chudiwa [Chudenín] aufmerksam. Diesen Weg gelte es auch künftig zu gehen. 

Von deutscher Seite forderte der Landtagsabgeordnete Gerhard Hopp ein weiteres Zusammenwachsen Europas. „Sie alle beweisen, dass Bayern, Deutschland und Tschechien zusammengewachsen sind und zusammenhalten. Sie setzen ein klares Signal, dass wir die Herausforderungen der Corona-Krise gemeinsam bewältigen können“, zollte er den Organisatoren und Gästen Anerkennung. Neben den Lockerungen sei aber auch wichtig, das Gespräch zu suchen. „Halten wir Abstand, aber halten wir zusammen!“, brachte es Hopp auf den Punkt.

In einem „Aufruf zur freien Nachbarschaft“ haben die Initiatoren der „Samstage für Nachbarschaft“ ihre Ziele beschrieben. Die grenzüberschreitende Initiative entstand zunächst durch Treffen an der sächsisch-böhmischen Grenze und nahm mittels einer Facebook-Gruppe mit weit über 1200 Mitgliedern wahrhaft mitteleuropäische Ausmaße an. 

„Ohne die Pandemie herunterspielen und die damit verbundenen Maßnahmen in Zweifel ziehen zu wollen, möchten wir auf die schwierigen und unwürdigen Lebenssituationen aufmerksam machen, die die Grenzschließungen mit sich bringen und Zehntausende bis Hunderttausende von Bewohnern der Grenzregion betreffen“, erklärt Jan Kvapil, Germanist an 

der Jan-Evangelista-Purkyne-Universität in Aussig an der Elbe [Ústí nad Labem] und einer der informellen Sprecher der Initiative. 

Seit 15. Juni ist Grenze wieder offen

Für 13. Juni waren die nächsten acht parallelen „Samstage für Nachbarschaft“ geplant – und scheinbar hatten die Aktionen auch gewirkt. Denn für 15. Juni wurde das Ende der Grenzschließungen in Aussicht gestellt, die Veranstaltungen wurden Grenzöffnungsfeiern. Der Bürgermeister von Neumark [Všeruby], Václav Bernard, bemerkte am bayerisch-tschechischen Grenzübergang Eschlkam/Všeruby, dass in Tschechien die Grenzschließung „völlig unterschiedlich aufgenommen“ worden sei, auch begünstigt durch unterschiedliche Informationen.

„Wir haben regelmäßig grenzüberschreitenden Kontakt, wir wussten, wie es im Nachbarland Deutschland aussieht“, verdeutlichte Bernard und kritisierte Berichte in tschechischen Medien, die negative Stimmung gestreut und gar von einer zweijährigen Schließung der Grenze geschrieben hatten. 

Bernard stellte die allgemeinen Corona-Maßnahmen nicht in Frage, wohl aber die Grenzschließungen, die sich besonders auf die Grenzpendler auswirkten. „Viele Male musste ich Falschmeldungen zurückweisen, die über starke Ausbrüche der Pandemie in Bayern berichtet haben“, führte der Rathauschef von Neumark aus. 

Der stellvertretende Pilsener Bezirkshauptmann Pavel Cížek sprach von einer Erfahrung, „wie es vor 1989 war“. Daher war er erfreut, dass Mitte Juni alle Einschränkungen an der Grenze beendet seien. „Ich hoffe, dass wir daraus gelernt haben“, bilanzierte er. Wie Bürgermeister Bernard befürwortet auch er die Maßnahmen wie Mund-Nasen-Schutz und Abstandsregelung, wehrt sich aber gegen Grenzschließungen.