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26.06.20 / „Ein Schaufenster ostpreußischer Kultur“ / Im Gespräch mit Wolfgang Freyberg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26 vom 26. Juni 2020

„Ein Schaufenster ostpreußischer Kultur“
Im Gespräch mit Wolfgang Freyberg

Während es für die einstigen ostdeutschen Provinzen in der Regel nur ein großes Landesmuseum gibt, haben die Ostpreußen neben dem Museum in Lüneburg noch ein Kulturzentrum in Ellingen. Ein Gespräch mit dem Direktor über die Konzeption des Hauses, seine Erfahrungen in der Begegnung mit russischen, polnischen und litauischen Kollegen sowie Ostpreußen als bleibender Teil der deutschen Kulturnation.

Herr Freyberg, warum gibt es neben dem Ostpreußischen Landesmuseum in Niedersachsen ein weiteres Kulturzentrum im Freistaat Bayern?

Als das Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen 1981 ins Leben gerufen wurde, hat es das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg unter diesem Namen und in diesem Gebäude noch gar nicht gegeben. Auch die Trägerschaft beider Häuser war damals noch getrennt. Das Kulturzentrum ist ein Kind der Patenschaft des Freistaats Bayern für die Landsmannschaft Ostpreußen (LO). Diese hatte damals neben der ideellen Unterstützung durch den Freistaat auch eine Möglichkeit gesucht, Exponate und Dokumente, die sich in der Bundesgeschäftsstelle in Hamburg angesammelt hatten, sachgerecht unterbringen und zugleich auch repräsentativ zeigen zu können. 

Bei der Suche nach einem geeigneten Ort kamen beide Parteien ins Gespräch mit der Bayerischen Schlösserverwaltung, die auf den Westflügel des Deutschordensschlosses in Ellingen hinwies, der damals leer stand. Dort wurden dann zunächst im Erdgeschoss die Räumlichkeiten für Ausstellungen, eine Bibliothek und einen kleinen Verkaufsraum geschaffen. Das Haus in Lüneburg hieß damals noch „Ostpreußisches Jagdmuseum – Wild, Wald und Pferde“.

Wie gestalteten sich die Anfänge?

Unter den Mitstreitern der ersten Jahre – ich selbst habe 1985 hier angefangen – ist besonders der in Königsberg aufgewachsene Architekt Dietrich Zlomke aus Ravensburg zu nennen, unter dessen Ägide die Ersteinrichtung entstand. Hinzu kam Hanna Wangerin aus Hamburg, die den Textilienraum einrichtete. Wobei man sagen muss, dass zu Beginn einige Exponate lediglich als kurzzeitige Leihgaben zu uns gekommen sind. So waren die Anfänge hier durchaus bescheiden, bis sich allmählich ein regelmäßiger Ausstellungs-betrieb entwickelte. 

Groß war allerdings von Beginn an das Besucherinteresse. Zur damaligen Zeit war die Heimat für die nach Krieg, Flucht und Vertreibung in der alten Bundesrepublik gelandeten Ostpreußen nur schwer und teilweise gar nicht erreichbar. Deshalb waren sie froh, in unseren Ausstellungen wenigstens gedanklich nach Osten reisen zu können. 

Unser Ansatz ist jedoch seit Beginn, hier keineswegs etwas über jede Region oder jeden großen Ort Ostpreußens zeigen zu wollen; vielmehr widmen wir uns in thematischen Ausstellungen übergreifenden Aspekten der Geschichte und Kultur des Landes, zum Beispiel besonderen historischen Persönlichkeiten oder dem Bernstein oder dem textilen Gestalten. Ein wichtiger Partner war dabei der Freundeskreis der Kunst- und Gewerkschule Königsberg. So entwickelte sich ein fruchtbarer Draht zu namhaften, noch in Ostpreußen geborenen Künstlern, denen das Kulturzentrum eine willkommene Plattform für ihre Präsentationen bot.

Hat sich nie jemand darüber gewundert, dass inmitten des Frankenlandes ein Haus zur Erinnerung an die preußische Geschichte entstand?

Nein, ganz im Gegenteil! Dass wir uns in Mittelfranken in einem barocken ehemaligen Deutschordensschloss befinden, ist sogar ein Schlüssel zum Erfolg. Wir haben hier einen authentischen Ort, um ostpreußische und preußische Geschichte darzustellen. Ohne den Deutschen Orden gäbe es Ellingen in dieser Form gar nicht. Viele Ordensritter, darunter die Hochmeister Siegfried von Feuchtwangen, Heinrich von Hohenlohe und Albrecht von Brandenburg-Ansbach (der spätere erste Herzog des Preußenlandes) kamen aus Franken. Es gibt in Deutschland kaum eine Region, die so enge Bindungen an Ostpreußen hat. Insofern ist unser Haus ideal für einen Brückenschlag zwischen Franken und Ostpreußen. Besonders stimmig finden dies übrigens unsere Gäste aus dem Ausland, speziell auch polnische, russische oder litauische Kollegen. Wenn sie zu uns kommen, ist es für sie sinnstiftend, dass wir unsere beeindruckenden Räumlichkeiten in einem einstigen Deutschordensschloss haben. 

Was unterscheidet das Kulturzentrum konzeptionell vom Landesmuseum in Lüneburg?

Vor allem, dass wir kein klassisches Museum sind. Wir sind im Grunde wie das Schaufenster eines Kaufhauses. Dort kann man auch zahlreiche schöne Gegenstände sehen, aber niemals das ganze Angebot. Wir sind gewissermaßen ein Schaufenster ostpreußischer Kultur, das viele Höhepunkte zeigt, aber niemals das ganze Kulturleben abbilden kann. 

Unser Haus hat drei Abteilungen: 1. den Ausstellungsbereich für die Dauer- und Wechselausstellungen, 2. das Archiv und 3. die Bibliothek. Eine besondere Stärke unserer Arbeit sind die Wanderausstellungen, aber auch Dauerausstellungen zu vielfältigsten ostpreußischen Themen, die wir inzwischen auch auf Polnisch, Russisch und Litauisch haben. Damit konnten wir in den vergangenen fast dreißig Jahren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs Dutzende grenzüberschreitende Projekte mit unseren Partnern in Ostpreußen durchführen. 

Im Archivbereich finden sich unter anderem die Archivbestände der Landsmannschaft Ostpreußen sowie Nachlässe von Privatpersonen. Es ist jedoch keineswegs so wie manche Besucher glauben, dass wir nur in eine Schublade zu greifen bräuchten und zu jedem Dorf in Ostpreußen sämtliche Informationen bis hin zu Abstammungsurkunden und Kirchenbüchern parat hätten. Das ist nicht der Fall. Unsere Sammlungsbestände sind eher heterogen, zum Beispiel haben wir einmal ein ganzes Konvolut ostpreußischer Sparkassenbücher erhalten oder ein andermal eine Sammlung von Fremdenverkehrsprospekten. In jüngster Zeit kommen auch die Archivbestände von Heimatkreisgemeinschaften hinzu, die diese selbst nicht mehr lagern können. Diese Aufgabe übernehmen wir übrigens zusammen mit den Kollegen in Lüneburg. 

Wenige Jahre nach der Gründung Ihres Hauses öffneten sich 1989/90 die Grenzen nach Ostpreußen. Wie hat dies Ihre Arbeit beeinflusst?

Das hat alles verändert. Als ich hier Mitte der 80er Jahre anfing, war Königsberg ein Wunsch-, ein Traumort. Wir hatten uns ja bis dato mit Themen und Orten beschäftigt, die in der Realität kaum erreichbar waren. Und plötzlich war Anfang der 90er Jahre auf einmal alles möglich. 

Spannend waren auch die ersten grenzüberschreitenden Ausstellungsprojekte. Ich kann mich noch sehr gut an das erste Gespräch hier in Ellingen mit Juri Iwanow, dem Vorsitzenden des Kulturfonds Kaliningrad erinnern, der im Juli 1990 mit seiner Frau hierherkam. Im Jahr darauf wurde dann in der Kunstgalerie die erste große deutsche Kunstausstellung seit über 45 Jahren in der Stadt am Pregel gezeigt, bestückt mit Exponaten von Dietrich Zlomke und Martin Schmidtke. Da war es sehr hilfreich, dass ich immer ein wenig übersetzen und dolmetschen konnte. Dies führte wiederum zu weiteren Gesprächen mit anderen Akteuren des Kulturlebens vor Ort, zum Beispiel mit Elena Penkina, der Direktorin des Gebietsmuseums in der einstigen Königsberger Stadthalle. Auch in Memel entstanden schnell Kontakte, unter anderem hergestellt durch den damaligen Kulturreferenten der Landsmannschaft Ostpreußen, Volker Schmidt. 

Es war eine einzigartige Aufbruchstimmung. Wir haben damals auch heikle Projekte realisiert, etwa eine Ausstellung über Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen, bei der auch Bilder von den schrecklichen Geschehnissen mit der deutschen Zivilbevölkerung in Nemmersdorf gezeigt wurden. Ich weiß nicht, ob das heute noch möglich wäre.

Ebenso spannend war es über die Jahre, den Transformationsprozess, den das nördliche Ostpreußen in den letzten rund 30 Jahren durchlaufen hat, zu beobachten. Das Kaliningrad von heute – ich gebrauche jetzt bewusst den russischen Namen – hat mit der Stadt Anfang der 90er Jahre kaum noch etwas gemein. 

Wie haben die heutigen Bewohner darauf reagiert, dass sie nun eine gänzlich andere Sichtweise auf die Geschichte derjenigen Region zu sehen bekamen, in der sie lebten, als sie zuvor die jahrzehntelange kommunistische Propaganda vermittelt hatte?

Mit den Russen gab es überhaupt keine Probleme, im Gegenteil. Es war vielmehr, als träfe man alte Bekannte. Die Russen haben alles, was wir ihnen an Wissen über die Geschichte und Kultur Ostpreußens vermitteln konnten, aufgesogen wie ein Schwamm. Sie haben auch jedes Buch und jede Broschüre dankbar angenommen, weil sie selbst kaum etwas hatten. In Memel, bei den Litauern, war es ähnlich. 

Auf polnischer Seite war die Situation etwas anders, aber auch hier hat sich enorm viel getan. Ich habe meine erste Reise nach Ostpreußen 1986 – also noch in kommunistischer Zeit – unternommen, unter anderem mit einer Führung durch die Marienburg. Wenn ich diesen Rundgang damals mit einer heutigen Führung vergleiche, könnte man glauben, das ist ein ganz anderes Bauwerk. So radikal sind die Texte und Darstellungen verändert worden, weg von der kommunistischnationalistischen Ideologie hin zu einer offenen, an den historischen Tatsachen orientierten Betrachtungsweise. Mit dem jetzigen Direktor verbinden uns freundschaftliche Beziehungen. So hat er beispielweise ein bemerkenswertes Referat auf einer unserer Landeskulturtagungen gehalten. Hinzu kommen dort eine Vielzahl großartiger denkmalpflegerischer Ergebnisse, etwa die phantastische Restaurierung des Großen Remters und die Wiederherstellung der Marienfigur. Das sind einmalige Leistungen.

Welchen Einfluss hatte der Beitritt Polens und Litauens zur Europäischen Union im Jahre 2004 auf Ihre Arbeit?

Zum einen sind natürlich die Grenzkontrollen und der damit verbundene Aufwand weggefallen. Wir können uns seitdem völlig frei bewegen und uns auch unsere Partner frei suchen. Hilfreich war auch, dass der bayerische Regierungs­bezirk Mittelfranken, in dem Ellingen liegt, eine Partnerschaft mit der Woiwodschaft Pomorskie, die den Osten Hinterpommerns, Teile Westpreußens und Danzig umfasst, eingegangen ist. Hier können wir inzwischen auf eine zwanzigjährige Partnerschaft blicken, die unserer Arbeit einen ganz anderen Rahmen gibt. 

So fragte uns 2002 der polnische Bürgermeister von Stuhm, ob wir nicht eine Ausstellung zur Geschichte seiner Stadt zeigen könnten. Das haben wir dann im darauffolgenden Jahr auch gern getan, und zwar in der alten Deutschordensburg in Stuhm, die im Mittelalter die Sommerresidenz der Hochmeister gewesen war. Diese Ausstellung war die Initialzündung für unsere ganze Arbeit mit polnischen Kultureinrichtungen. Außerdem haben wir zu der Ausstellung eine kleine Broschüre erstellt, die weit herumgereicht wurde und vielen Bürgermeistern der Region so gut gefiel, dass sie ebenfalls zu uns kamen und fragten, ob wir so etwas nicht auch in ihren Städten auf die Beine stellen könnten. Das haben wir dann tatsächlich so gemacht, unter anderem in Preußisch Holland, in Saalfeld, in Rastenburg, Lötzen und Johannisburg – jeweils mit zweisprachigen Tafeln und Broschüren, die sich die Menschen mit nach Hause nehmen konnten. Projekte kamen auch zustande mit den deutschen Gruppen im südlichen Ostpreußen, besonders erfolgreich seit vielen Jahren im Wasserturm in Lyck.

Aber auch im heute russischen Teil Ostpreußens konnten wir eindrucksvolle Ausstellungen zur Regionalgeschichte zeigen, unter anderem in Königsberg im Gebietsarchiv, im Friedländer Tor oder im Stadtmuseum Tilsit. Das Pensum war und ist schon enorm. Der Erfolg und die Freude der Besucher haben uns immer recht gegeben.

Wie hat die Bevölkerung diese Aktivitäten aufgenommen? Sind die Ausstellungen gut besucht? 

Es ist ähnlich wie bei uns. Es gibt ein kulturinteressiertes Publikum. Das gibt es in Hamburg, in Lüneburg, in Ellingen – und eben auch in Allenstein oder Tilsit. Dieses Publikum ist natürlich sehr aufgeschlossen und besucht auch immer wieder unsere Ausstellungen. 

Daneben wollen wir aber auch die deutschen Touristen in Ost- und Westpreußen erreichen. Das ist etwas schwieriger, weil wir diese vor Ort nur dann erreichen, wenn sie in die Ausstellungsorte der polnischen, russischen und litauischen Kollegen gehen. Am besten gelingt uns das in der Feste Boyen in Lötzen, wo mehrere Ausstellungen von uns permanent zu sehen sind. Wer diese Festung, die zu den größten Touristenattraktionen Ostpreußens gehört, besucht, sieht beispielsweise unsere zweisprachigen Ausstellungen über die Geschichte der Stadt Lötzen, den Ersten Weltkrieg und über die Festungsbauten in Ostpreußen. Die gehören zum Standardrundgang in der Festung und niemand hat jemals etwas daran zu kritisieren gehabt. 

Ähnlich verhielt es sich mit einer Ausstellung in Marienwerder über die Volksabstimmung in Ost- und Westpreußen nach dem Versailler Vertrag. Den zweisprachigen Katalog verkaufen wir bis heute gut. Und nie hat sich jemand beschwert über unsere Darstellung der Geschichte, obwohl unsere Texte bei Ausstellungseröffnungen sofort kritisch beäugt wurden.

Gibt es bei den Themen der Ausstellungen einen Wandel? Zum Beispiel von der Erlebnisgeneration hin zu einer Generation, der man sozusagen Ostpreußen nicht nur in Erinnerung rufen muss, sondern der man überhaupt erst einmal erklären muss, was das ist? 

Durchaus. Allerdings war es nie der Anspruch unseres Hauses, die Geschichte und Kultur Ostpreußens im Ganzen zu zeigen, sondern eher, anhand besonderer Themen den Beitrag der Provinz zur deutschen und europäischen Geschichte zu verdeutlichen sowie die Verbundenheit damit. Ostpreußen haben ja nicht nur in Ostpreußen gelebt und im Lauf ihres Lebens gearbeitet, sondern haben auch ihre Heimat verlassen; dafür haben wiederum viele bedeutende Personen aus Politik und Kultur, die nicht von dort stammten, zwischen Weichsel und Memel gewirkt. Zum Beispiel: Wenn wir eine Ausstellung über Herder erarbeiten, der in Mohrungen geboren wurde, hat dies natürlich viel mit Ostpreußen zu tun. Andererseits ist er einer unserer großen deutschen Klassiker, der auch in Riga, in Bückeburg und in Weimar gelebt hat und zahlreiche Reisen durch Europa unternommen hat. Insofern ist Herder kein ausschließlich ostpreußisches Thema. 

Allerdings widmen wir uns keineswegs nur den Politik- und Geistesgrößen. Unsere diesjährige Sonderausstellung erinnert zum Beispiel an den Schuhmacher Wilhelm Voigt, der 1906 als Hauptmann verkleidet die Köpenicker Stadtkasse raubte und so zu zweifelhafter Berühmtheit gelangte. Voigt wird, nicht zuletzt durch den Film mit Heinz Rühmann, immer als ein Berliner Original gesehen. Dabei wurde er in Tilsit geboren. Und anhand einer Originalaufnahme seiner Stimme, die wir in unserer Ausstellung präsentieren, kann man deutlich hören, dass der Hauptmann von Köpenick mit leicht ostpreußischem Dialekt gesprochen hat. 

Ein weiteres Beispiel ist unsere Ausstellung „Bier und Brauereien in Ostpreußen damals und heute“, die 2016 zum Jubiläum des Reinheitsgebotes entstand. Da hatten wir am Anfang nicht einmal viele Exponate und Vorlagen, vielleicht sechs oder sieben Flaschen und ein paar Etiketten sowie Heimatbriefe zur Recherche. In diesem Fall halfen uns Sammler, deutsche und polnische, so dass wir viele Lücken schließen konnten. Das Thema lief so gut, dass die Ausstellung etwa im Allensteiner Haus Kopernikus, dem Sitz der deutschen Landsleute, so viele Besucher anzog wie nie eine Ausstellung zuvor. Ein großer Erfolg war auch die Präsentation dieses Themas auf dem Potsdamer Tag der Wissenschaften 2019 zusammen mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa.

Muss man Ostpreußen nach dem allmählichen Ableben der sogenannten Erlebnisgeneration erst einmal wieder erklären? 

Das würde ich nicht sagen. Erstens sind die meisten Menschen, die zu uns kommen, schon vorab informiert. Und zweitens ist Ostpreußen dank vieler TV-Dokumentationen, Bücher und Artikel sowie nicht zuletzt als normales Reiseziel im heutigen Deutschland wahrscheinlich besser präsent als Anfang der 80er Jahre. 

Also bleibt Ostpreußen gewissermaßen als Teil unserer Kulturnation erhalten?

Das ist es ja auch! Ostpreußen gehört zur deutschen Landes- und Kulturgeschichte dazu wie das Rheinland oder Hessen auch. Das ist einfach nicht zu trennen. Wenn ich wieder das Beispiel Herder nehme oder Immanuel Kant oder Lovis Corinth und viele mehr, dann gehören diese Personen gleichermaßen in die ostpreußische, in die deutsche und in die europäische Geschichte und Kultur. Deshalb stellen wir Ostpreußen weniger als etwas Exotisches dar, sondern vielmehr als eine Landschaft und Provinz, die selbstverständlich zum Kontext unserer Kulturnation und zur europäischen Geschichte gehört. 

Mir ist natürlich klar, dass es bei dem Wort Ostpreußen gelegentlich eine Art Erklärungsbedarf gibt, den andere Orte nicht haben. Ein Museum in Hamburg etwa zeigt zwar die Geschichte der Stadt, aber es muss nicht Hamburg als Ort vermitteln, weil jeder Gast der Stadt diese täglich erleben kann. Auch die Pommern und selbst die Schlesier haben eine andere Situation, weil zumindest Teile der alten Provinzen wieder zum Bundesgebiet gehören. Unsere Einrichtungen in Lüneburg und Ellingen sind immer auch ein bisschen Ersatz und zugleich Botschafter dieses alten schönen Landes Ostpreußen in der Gegenwart. Aber wenn die Menschen erst einmal verstehen, dass es auch hunderte Kilometer von den heutigen Grenzen entfernt deutsche Geschichte gibt, dann finden sie das sehr spannend. Die Auswirkungen betreffen uns bis heute, denken Sie beispielsweise an das Hitler-Attentat in der Wolfsschanze 1944.

Welche Projekte Ihres Hauses stehen als nächstes an?

Vor allem der Fortgang unserer Wilhelm Voigt-Ausstellung. Wir konnten diese noch am 7. März feierlich eröffnen; unter anderem mit dem Schauspieler Jürgen Hilbrecht aus Köpenick, der den „Hauptmann“ auch vor Ort in Berlin spielt. Gleich danach mussten wir jedoch wegen der Anti-Corona-Maßnahmen schließen. Wegen dieser unfreiwilligen Pause haben wir die Ausstellung bis zum 22. November verlängert, so dass man sie noch lange sehen kann – und wir hoffen natürlich, dass möglichst viele Besucher in diesem Jahr zu uns finden. 

Das Interview führte René Nehring 

b Nähere Informationen zu Geschichte und Programm des Hauses unter 

www.kulturzentrum-ostpreussen.de


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