19.04.2024

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26.06.20 / Ein Museum im Ostseeraum / Das Pommersche Landesmuseum in Greifswald erzählt die wechselhafte Geschichte des Landes an den Ufern des baltischen Meeres von der Eiszeit bis in die Gegenwart

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26 vom 26. Juni 2020

Ein Museum im Ostseeraum
Das Pommersche Landesmuseum in Greifswald erzählt die wechselhafte Geschichte des Landes an den Ufern des baltischen Meeres von der Eiszeit bis in die Gegenwart
Julia Kruse

Das Zusammenwirken engagierter Partner führte 1996 nach mehrjährigen Bemühungen zur Gründung der „Stiftung Pommersches Landesmuseum“. Pommersche Geschichte, Kultur und Kunst sollten ins Blickfeld gerückt, wissenschaftlich dargestellt, didaktisch vermittelt und gepflegt werden. 

Die Greifswalder Universität und der Senat der Hansestadt Greifswald griffen die Vision auf, ein Landesmuseum an den Greifswalder Bodden zu holen. Die Stadt stellte Liegenschaften und städtische Sammlungen bereit, die Universität brachte ihre wertvollsten Kunstschätze ein. Mit dem Bund und dem Land Mecklenburg-Vorpommern unterstützten zwei weitere starke Partner das Projekt. Für die inhaltliche Ausrichtung des Landesmuseums wurde ein wissenschaftlicher Beirat berufen, in dem Fachvertreter aus Polen, Schweden und Dänemark mitwirken. 

Im Jahr 2000 öffnete zunächst die Gemäldegalerie, 2005 wurde die gesamte, aus sechs Häusern und vier Außenanlagen bestehende Einrichtung der Öffentlichkeit übergeben. Neben der Darstellung der pommerschen Landes- und Kulturgeschichte profiliert sich das neue Haus als Begegnungsstätte – als Forum im Ostseeraum – für grenzüberschreitende Projekte, insbesondere auch für die Jugendarbeit.

Vom Franziskanerkloster zum Museum des 21. Jahrhunderts

Der Reiz des Museums beginnt bereits mit der Architektur: weiße, weithin leuchtende klassizistische Gebäude, die moderne Glas- und Stahlkonstruktion der Museumsstraße und die Klosterbibliothek mit ihren roten Backsteinen – ein reizvolles Ensemble unmittelbar am historischen Markt der alten Hanse- und Universitätsstadt Greifswald, eingebettet in die historische Wallanlage und lauschige Gärten und Höfe. 

Kurz nach 1250 waren hier die ersten Baulichkeiten des Franziskanerklosters entstanden. Im Zuge der Reformation ergriff die Stadt von den Klostergebäuden Besitz. Auf den Fundamenten der Klosterkirche entstand von 1793 bis 1795 die Stadtschule – Architekt war kein Geringerer als Johann Gottfried Quistorp, der Zeichenlehrer Caspar David Friedrichs. Wenig später nochmals umgebaut, beherbergt sie heute die Gemäldegalerie. 1845 errichtete man eines der modernsten Armen- und Altenheime Neuvorpommerns, auf das der Name „Graues Kloster“ überging. 

Zwischen Mittelalter und Moderne

Das heutige Hauptgebäude des Museums nimmt die Dauerausstellungen zur Erd- und Landesgeschichte Pommerns sowie den gesamten Servicebereich mit Foyer, Café und Museumsshop auf. Der mittelalterliche Komplex um die Klosterbibliothek steht für Sonderausstellungen und Museumspädagogik zur Verfügung. Als Verbindung für alle historischen Gebäude dient die gläserne, multifunktionale Museumsstraße, die den Tagungs- und Veranstaltungsbereich aufnimmt. Zusammen mit dem Kloster- und dem Findlingsgarten sowie dem großzügigen, in Granit gestalteten Vorplatz lässt sich nun das ehemalige Areal des Franziskanerklosters an der Stadtmauer wieder erleben. Ein historisch gewachsener Ort mit vielen Gesichtern, der sich einem breiten Publikum mit unterschiedlichsten Veranstaltungen öffnet.

Mit der lichtdurchfluteten, verglasten Museumshalle, die alte und neue Bausubstanz elegant und fast schwerelos verbindet, ist ein modernes und gefragtes Tagungszentrum entstanden. Mit Blick auf die Wallanlagen finden hier etwa 120 Konferenzteilnehmer aller Fachbereiche ausgezeichnete Bedingungen, die jede Tagung zugleich zum Erlebnis werden lassen. Moderne Medien und Simultandolmetscheranlagen haben sich bei internationalen Kongressen bereits bewährt.

Pommern, lange bevor die ersten Menschen hier siedelten... Im Zeitraffer erkundet der Besucher die Erdgeschichte: von der Kontinentalverschiebung über die Saurier bis zur Eiszeit, von den Urmeeren bis zur heutigen Küstenlinie, von der Kreide bis zum Bernstein. 

Auf den Spuren der Eiszeit

Im Kellergewölbe des Grauen Klosters wird der abenteuerlichen Reise des Bernsteins nach seiner Bildung vor 50 Millionen Jahren nachgegangen; Bohrkerne enthüllen Millionen Jahre alte, fossile Reste: Ammoniten, Muschelschalen oder auch Schwämme. Die Kreidezeit, deren felsige Hinterlassenschaft direkt an der vorpommerschen Küste liegt, kann der Neugierige in den Tiefen des Kreidemeer-Dioramas erforschen. 

Taucht man aus den tiefer liegenden Erdgeschichtsformationen auf, begegnet man den allgegenwärtigen Spuren der Eiszeit. Im bläulichen Schimmer des von Studio Babelsberg nachempfundenen Gletschers erfährt man, wie die letzte Eiszeit ablief und welche Landschaftsformen sie schuf, die sich dem Touristen in voller Schönheit und Eigenart präsentieren. Und nicht zuletzt raunt unser erster Gast aus Südschweden – ein gewaltiger, vom Eis nach Pommern geschobener Findling – den Kindern Sagen über „Riesensteine“ zu. Weitere „Eisreisende“ findet der Besucher im Findlingsgarten, wo sie nach der Lage ihrer Herkunftsgebiete gruppiert sind.

14.000 Jahre Geschichte der Menschen an der südlichen Ostseeküste präsentieren sich im „Grauen Kloster“. Auf 550 Quadratmetern werden die Kultur, das Leben, die große Politik, aber auch die bemerkenswerten Besonderheiten der Region von den ersten menschlichen Spuren in der Altsteinzeit bis zum Vorabend des Dreißigjährigen Krieges erfahrbar gemacht. Rasch werden die jüngeren Epochen bis ins 21. Jahrhundert folgen.

Eine Reise durch die Jahrtausende

In der Urgeschichte ist das älteste von Menschen gefertigte Werkzeug Pommerns oder ein fast 2 Kilogramm schwerer Goldring aus den Wirren der Völkerwanderungszeit zu bestaunen. In Erinnerung bleiben sicherlich die Leistungen der slawischen Handwerker, die brennende Tempelburg Arkona, die reiche materielle Kultur der Hansestädte oder die Umwälzungen der Reformation. 

Höhepunkt der Ausstellung ist der einzigartige, 4 x 7 Meter große Croy-Teppich aus dem 16. Jahrhundert. Zusammen mit dem über Jahrhunderte in Gebrauch befindlichen Rektorornat der Universität Greifswald lässt dieses Zeugnis der pommerschen und sächsischen Vergangenheit die Kulturregion in neuem Licht erscheinen. 

Geschichte auf moderne Weise nah gebracht: Zeitzeugen erzählen ihre Sicht der Dinge. In der Backsteinwerkstatt kann man sich als mittelalterlicher Baumeister üben, als Hansekaufmann auf dem Rechenbrett rechnen oder sich an der Suche nach der versunkenen Stadt Vineta beteiligen. Musikstücke, Hörspiele und Filmsequenzen runden die Ausstellung ab. 

Seit Juni 2010 wird der Bogen weiter gespannt und die Ausstellung berichtet von der Schwedenzeit in Pommern, der Preußenzeit bis zur Entstehung der Kaiserbäder auf Usedom.

Friedrich, van Gogh & Co.

Wo einst im Mittelalter die „Grauen Mönche“ beteten und später Schüler paukten, geben sich heute nicht zuletzt hochkarätige Maler ein Stelldichein: Frans Hals, die norddeutschen Romantiker mit Philipp Otto Runge und dem in Greifswald geborenen Caspar David Friedrich, Max Liebermann, Max Pechstein, Vincent van Gogh und viele andere mehr. 

So bildet das Pommersche Landesmuseum insgesamt eine stille Welt in edlen klassizistischen Räumen, die jenseits aller Alltagshektik zum Schauen, Nachdenken und Entspannen einlädt. 

Weitere Informationen zur Geschichte des Hauses und zu seinem aktuellen Programm unter www.pommersches-landesmuseum.de