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03.07.20 / Krise / Tausend Betroffene allein in Berlin / Karstadt-Drama: Mitarbeiter fliegen raus – Immobilien wurden gewinnbringend neu vermietet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27 vom 03. Juli 2020

Krise
Tausend Betroffene allein in Berlin
Karstadt-Drama: Mitarbeiter fliegen raus – Immobilien wurden gewinnbringend neu vermietet
Frank Bücker

62 von 172 Karstadt-Warenhäuser sollen dichtgemacht werden. Von den 30 Karstadt-Sporthäusern sollen sogar nur zehn bleiben. In Berlin werden sechs von elf Standorten für immer geschlossen. Potsdam verliert sogar sein einziges Karstadt-Kaufhaus. In Berlin werden 1000 von 2100 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz los. 

Soweit die Pläne der Konzernführung, doch sofort aufgeben will Erika Ritter von der Gewerkschaft Ver.di nicht: „Wir kämpfen mit den Beschäftigten für den Erhalt der Kaufhausstandorte.“ Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) wollen von den Vermietern Zugeständnisse aushandeln. Bei Ver.di heißt es: „Die Hoffnung stirbt zuletzt ... Wir machen Druck.“ 

Aber womit will die Gewerkschaft Druck machen? Auch Hamburg verliert vier seiner sieben Karstadt-Filialen. Hannover kommt vergleichsweise gut weg; von drei Filialen schließt „nur“ eine. Nürnberg trifft es besonders krass: beide Kaufhäuser in der fränkischen Metropole stehen auf der Streichliste. München ist mit drei Filialen dabei.

Autofeindlichkeit verdrängt Kunden

Die Gründe für die Notlage des letzten deutschen Kaufhausriesen sind vielschichtig. Der Internethandel nimmt den Warenhäusern immer mehr Kaufkraft weg. Der „Krieg“ gegen die Autofahrer lockt eine große Zahl an Kunden in die Einkaufszentren am Stadtrand und auf der grünen Wiese. Dort werden Autofahrer noch umworben, und kein Ordnungsamt ist auf der Jagd nach Falschparkern. Berlins rot-rot-grüner Senat behauptet, Fußgängerzonen und Verkehrsberuhigung würden dem Einzelhandel nützlich sein. Aber gerade das Karstadt-Haus in der Wilmersdorfer Straße – die vor Jahrzehnten zur Fußgängerzone wurde – steht nun auf der Todesliste. Die dort vorbeiführende Kantstraße, eine Hauptverkehrsstraße im Zentrum der Hauptstadt, erhält gerade einen „Pop Up“-Radweg, der die Verkehrsfläche für den Pkw-Verkehr weiter zugunsten von Fahrrädern einengt. Die Autos stehen im Stau. Parkplätze? Fehlanzeige. Wer will dort aussteigen, um einzukaufen? 

Versuche aussichtslos

Karstadt hatte schon zuvor mit Problemen zu kämpfen, aber die Corona-Maßnahmen haben dem Warenhauskonzern noch einmal kräftig zugesetzt. Unterschriften zu sammeln und zu demonstrieren hilft da wenig. Viele Verkäufer, die meisten sind Frauen, haben bereits die 50 überschritten und werden auf dem Arbeitsmarkt schwer etwa Neues finden. 

Während die Mitarbeiter von Sorgen geplagt sind, sieht dies bei den Vermietern anders aus. Dirk Wichner leitet die Einzelhandelssparte des Immobiliendienstleisters John Lang LaSalle (JLL): „Leerstand erwarte ich nicht“, gerade in Berlin stünden die Chancen, dass die Flächen wieder genutzt werden, „durch die Bank“ gut: „Es gibt ganz sicher Eigentümer, die längst ohne Karstadt planen.“ Müllers und Pops Versuche, den Mietpreis zu drücken, sieht der Immobilienmanager als aussichtslos an: „Ich glaube nicht, dass jemand einen Nachlass gewährt, um in ein, zwei Jahren vor dem gleichen Problem zu stehen.“ 

Kritiker empfehlen daher, dass der Berliner Senat sich besser darüber Gedanken machen solle, wie finanzkräftige Kundschaft in die Innenstadt gelockt werden könne. Wichner glaubt, dass an den nun aufgegebenen Standorten Wohnungen, Büros oder Hotelzimmer entstehen. Karstadt erklärte, dass die Filialschließungen unvermeidlich seien, um wenigstens den Rest des Konzerns überlebensfähig zu halten.