25.04.2024

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03.07.20 / Polnische Konfliktlinien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27 vom 03. Juli 2020

Polnische Konfliktlinien
René Nehring

Nach der Präsidentenwahl am vergangenen Sonntag müssen die Polen in die Stichwahl. Keiner der Bewerber um das höchste Amt im Staate hatte im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit errungen. Klar in Führung lag mit rund 43 Prozent der Stimmen Amtsinhaber Andrzej Duda von der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), gefolgt vom Warschauer Stadtpräsidenten Rafal Trzaskowski von der „Bürgerplattform“ (PO) mit rund 30 Prozent. 

Zwar zeigten die Polen mit dem Ergebnis des drittplatzierten Bewerbers, des liberalen katholischen Publizisten Szymon Holownia, der als unabhängiger Neuling ohne großen Parteiapparat fast 14 Prozent der Stimmen erhielt, dass sie noch immer für Überraschungen gut sind. Im Wesentlichen hat sich jedoch mit der Konstellation in der bevorstehenden Stichwahl am 12. Juli der alte Antagonismus zwischen PiS und PO, der die polnische Politik in den letzten Jahren geprägt hat, gefestigt. 

Ähnlich den meisten anderen westlichen Ländern verlaufen somit auch in der polnischen Gesellschaft die Konfliktlinien heute weniger entlang klassischer, an sozialen Problemen orientierter Links-Rechts-Gegensätze, sondern vielmehr entlang kultureller und identitärer Fragen quer durch das Bürgertum hindurch: auf der einen Seite das national-konservativ gesinnte Lager um PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und Andrzej Duda, das zur Mobilisierung der Wähler gern auf sozialen Populismus setzt; auf der anderen Seite das liberale proeuropäische Lager um den vormaligen Ministerpräsidenten und Präsidenten des Europäischen Rates Donald Tusk, den ehemaligen Präsidenten Bronislaw Komorowski und nun Rafal Trzaskowski. 

Im konsensorientierten Deutschland wurde der polnische Kulturkampf in den vergangenen Jahren oft als existenzielle Bedrohung für die junge Demokratie in unserem Nachbarland gesehen. Andererseits ließe sich die Konstellation aber auch so deuten, dass die Polen über ein wandlungsfähiges politisches System verfügen – und dass sie immerhin eine echte Wahl zwischen alternativen Angeboten haben. 

Mehr dazu nach der Stichwahl.