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03.07.20 / Absturz der Concorde / Ein kleiner Metallsplitter holte die schnellen „Wundervögel“ vom Himmel / Ein Sonderflug zum ZDF-„Traumschiff“, dem Kreuzfahrtschiff MS „Deutschland“, endete vor 20 Jahren in einer Katastrophe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27 vom 03. Juli 2020

Absturz der Concorde
Ein kleiner Metallsplitter holte die schnellen „Wundervögel“ vom Himmel
Ein Sonderflug zum ZDF-„Traumschiff“, dem Kreuzfahrtschiff MS „Deutschland“, endete vor 20 Jahren in einer Katastrophe
Klaus J. Groth

Am 25. Juli 2000 stürzte eine Aérospatiale-BAC Concorde gleich nach dem Start vom Flughafen Paris-Charles-de-Gaulle ab. Das Unglück ging als spektakulärstes seit dem Brand des Zeppelins „Hindenburg“ in die Annalen der Luftfahrt ein. Die Katastrophe bedeutete das Ende der „Wundervögel“.

Hohe Entwicklungs- und Baukosten

Die Concorde war Mythos und Stolz der französischen wie der britischen Luftfahrtbranche. Sie wurde gemeinsam von Aérospatiale und der British Aircraft Corporation (BAC) entwickelt und von den Fluglinien Air France und British Airways betrieben. Charakteristisch für den Überschallflieger waren die Dreiecksform der Tragflächen und die spitze, aerodynamische Nase. Sie konnte bei Start und Landung abgesenkt werden, um dem Piloten eine freie Sicht zu ermöglichen.

Der Bau der Concorde war ein Prestigeprojekt, zumal die Russen ebenfalls an einem Überschallflieger, der Tupolev Tu-144 arbeiteten. Kritiker warnten vor den enormen Entwicklungs- und Baukosten der Concorde, dem hohen Kerosinverbrauch und dem gehörschädigenden Doppelknall, der bei dem Durchbrechen der Schallmauer am Boden zu hören war. Zudem benötigte die Concorde eine besonders lange Start- und Landebahn, über die nur wenige Flughäfen verfügten. Ihr Einsatz war also beschränkt. Und in der Tat erwies sich der Betrieb der Concorde vom Anfang bis zum Ende als ein gewaltiges Verlustgeschäft.

Die Entwicklung dauerte 20 Jahre. Die genauen Kosten wurden geheim gehalten. Sie sollen umgerechnet zehn Milliarden Euro betragen haben. Am 2. März 1969 hob ein Prototyp der Concorde in Toulouse für einen ersten Testflug ab. Ein halbes Jahr später erreichte das Flugzeug zum ersten Mal die doppelte Überschallgeschwindigkeit von Mach 2,23, rund 2500 Kilometer in der Stunde, und war damit mehr als doppelt so schnell wie ein normaler Passagierjet. Volle Geschwindigkeit durfte sie wegen des Lärms aber nur über dem Ozean fliegen. Einige Länder verboten das Überfliegen ihrer Territorien ganz. 

Die am häufigsten geflogenen Strecken der insgesamt zwölf Concorde waren Transatlantiktrips von London nach New York und von Paris nach New York. Sie dauerten nur drei beziehungsweise dreieinhalb Stunden. 

Ein besonderer Reiz bestand für die Passagiere darin, dass sie durch die Zeitverschiebung auf dem John F. Kennedy International Airport früher ankamen, als sie in Europa gestartet waren. Der Sänger Phil Collins trat bei dem am 13. Juli 1985 parallel im Londoner Wembley-Stadion und im John F. Kennedy Stadium in Philadelphia stattfindenden Wohltätigkeitskonzert Live Aid sowohl in ersterem wie letzterem auf. Der überirdisch schnelle Vogel machte es möglich.

Hoher Kerosinverbrauch

Die Concorde galt wegen ihrer schlanken, schnittigen Form als elegantestes Flugzeug der Welt. Und als sicherstes. Ein Ticket kostete umgerechnet mindestens 10.000 Euro. Den Luxus leisteten sich Reiche und Prominente wie Paul McCartney, die Queen, Jacques Chirac, Claudia Schiffer, Richard Gere und Elton John. Im Preis inbegriffen waren Champagner, Hummer und Kaviar an Bord. Auf den ersten kommerziellen Flügen am 21. Januar 1976 von Paris nach Rio und von London nach Bahrain standen Sterneköche in der geräumigen Bordkombüse.

Der Flug mit der Nummer AF 4590, der am 25. Juli 2000 in Paris startete, hatte keine Prominenz an Bord. Die Reederei Peter Deilmann in Neustadt in Holstein hatte die Concorde für die Passagiere des Kreuzfahrtschiffes MS „Deutschland“ gechartert. Das Fünf-Sterne-Schiff ist dem deutschen Fernsehpublikum als „Traumschiff“ aus der gleichnamigen Serie bekannt. Es wartete im Hafen von New York auf seine Gäste. Für die Kunden der Reederei war der Flug sensationell billig. Das Ticket kostete 2950 Mark. Die Maschine war schnell ausgebucht. 33 Passagiere ließen sich auf die Warteliste setzen. 

Lauter Doppelknall

Ab ungefähr 16 Uhr begannen die Fluggäste an Bord zu gehen. Die Stimmung war euphorisch. Die Passagiere nahmen in den eleganten dunklen Ledersesseln der Concorde Platz. Stewardessen servierten Champagner. Alles lief nach Plan. Der Jet rollte auf die Startbahn 21. Minuten zuvor war dort eine McDonnell Douglas DC-10 der US-amerikanischen Continental Airlines gestartet. Unbemerkt hatte sie eine Lamelle verloren. Das 40 Zentimeter lange Teil aus Titan lag glitzernd auf der Piste. Gegen 16.45 Uhr hob die Concorde ab, die gewaltige Schubkraft drückte die Passagiere in ihre Sitze. Sekunden später schrillte Alarm, das Heck stand in Flammen. Die Concorde verlor an Höhe. Pilot Christian Marty muss noch versucht haben zu verhindern, dass die Maschine auf das Stadtzentrum des Ortes Gonesse nördlich von Paris stürzt. Dort wohnten 25.000 Menschen. 

Augenzeugen berichteten später, wie das Flugzeug einen letzten, verzweifelten Schwenk machte. Dann stürzte es als gigantischer Feuerball auf ein außerhalb gelegenes Hotel. Das ganze Drama dauerte nur zwei Minuten. Rauchwolken verdunkelten tagelang die Ortschaft. Keiner der Passagiere und der Besatzung überlebte, insgesamt kamen 113 Menschen in dem Inferno um.

Untersuchungskommissionen stellten später fest, dass die verlorene Lamelle der DC-10 die Katastrophe indirekt ausgelöst hat. Als die Concorde über das Stück Metall hinwegraste, zerfetzte es ihr einen Reifen. Hochgeschleuderte Reifenteile beschädigten dann ihr linkes Hauptfahrwerk und ihre linke Tragfläche maßgeblich. Air France stritt zehn Jahre lang mit der US-amerikanischen Fluggesellschaft, wer die Schuld an dem Unglück trage. Continental beharrte darauf, dass die Concorde schon vor der Kollision mit der Metalllamelle gebrannt habe. Im Dezember 2010 sprach ein französisches Gericht die Amerikaner schuldig. Die Fluglinie musste mehr als 100 Millionen an die Angehörigen der Opfer zahlen.

Am 24. Oktober 2003 hob die letzte Concorde ab. Seitdem sind die Überflieger vom Himmel verschwunden. Heute stehen sie im Technik-Museum im baden-württembergischen Sinsheim sowie Paris und Toulouse. Sie waren für je einen Euro zu haben. Die Concorde steht in Sinsheim Seite an Seite mit einer Tupolev Tu-144. Nach etlichen Havarien verabschiedeten sich auch die Russen von Passagiermaschinen mit Überschallgeschwindigkeit.

Besondere Start- und Landebahnen

Möglicherweise wird es bald einen Nachfolger der Concorde geben. Die US-Raumfahrtbehörde Nasa arbeitet zusammen mit dem Konzern Lockheed Martin an einem Überschallflieger mit Namen „X-Plane“, der wesentlich weniger Kerosin verbraucht und vergleichsweise leise ist.