Wer in den Monaten vor Corona und den damit begründeten Restriktionen den New Yorker Central Park besuchte, wurde von einem Heer von Rikschafahrern angesprochen, die alle schwarz waren, aber nicht Englisch, sondern zumeist Französisch oder Portugiesisch sprachen – mehrheitlich Immigranten aus dem Kongo und aus Angola, die sich dieses Geschäft teilen. Sie gehören zum wachsenden Heer von Schwarzafrikanern, die in den USA in den vergangenen Jahren als Einwanderer angekommen sind.
Allein in diesem Jahr hat sich die Zahl der afrikanischen Einwanderer in den USA bis zur Einstellung der transkontinentalen Flüge im März bereits verdreifacht, auf mehr als 6000, gegenüber 2100 im ganzen Jahr 2019. Sie gehören nicht zu den Ärmsten ihrer Länder, weil sie sich die teuren Flugtickets bis nach Ecuador leisten können, der als einziger Staat Südamerikas keine Visa für Schwarzafrikaner verlangt. Anschließend müssen sie per Bus oder Bahn weiter. Und auch ein Stück zu Fuß, weil die Transamericana-Straße in Panama noch nicht durchgehend fertig ist, bis sie nach mindestens fünf weiteren Ländern an der US-Grenze ankommen.
Kein Weg zurück
Für diese oft monatelange Reise benötigen die Menschen Unterkünfte und Verpflegung, die ihnen niemand spendiert. In Ecuador und Kolumbien müssen sie auch gegen den Strom des Immigrantenheers aus Venezuela, das nach Süden strömt, nordwärts halten. Unbeeindruckt von einer gefährlichen Reise über tausende Kilometer kommen Menschen in noch nie gesehener Zahl an die Grenze zwischen den USA und Mexiko und überraschen dort Grenzschutzbeamte, die eher an spanischsprachige Personen gewöhnt sind.
Während sich die Lager in Mexiko mit Migranten aus Zentralamerika in der Corona-Zeit geleert haben, weil die Menschen angesichts der Pandemie zurück in ihre Heimat geströmt sind, ist der Strom der Afrikaner sogar in der Corona-Zeit noch angeschwollen. Für sie scheint es keinen Weg zurück mehr zu geben, zumindest nicht mehr mit eigenen Mitteln. So stoppten Grenzschützer im Sektor Del Rio in Texas in einer Woche mehr als
500 Afrikaner, die in Gruppen unterwegs waren, nachdem sie mit Kindern im Schlepptau über den Grenzfluss Rio Grande gesetzt hatten. Das ist mehr als doppelt so viel wie die Gesamtzahl von 211 Afrikanern, die im gesamten Jahr 2018 entlang der gesamten 3.200 Kilometer langen Grenze zu Mexiko festgenommen wurden.
Warteliste für Asylsucher
Die Einwanderer in Texas stammen hauptsächlich aus Kongo-Kinshasa, Kongo-Brazzaville und Angola. Kameruner reisten auch in größerer Zahl durch Mexiko, aber sie bevorzugen Schiffe, um in die USA zu gelangen. In Tijuana, der größten mexikanischen Grenzstadt an der südlichen US-Grenze, ist die Warteliste für die Beantragung von Asyl bereits auf etwa 7500 Namen angeschwollen. Darunter sind Äthiopier, Eritreer, Mauretanier, Sudanesen und Kongolesen. Besonders viele wollen in die Stadt Portland im Bundesstaat Maine, noch einmal 4000 Kilometer entfernt. Es hat sich unter den Afrikanern herumgesprochen, dass diese Stadt mit ihren 67.000 Einwohnern ein einladender Ort ist, in dem bereits in den 1990er Jahren Somalis neu angesiedelt wurden.
Die explosionsartige Zunahme der Einwanderung aus Afrika in die USA fällt mit einem Rückgang der Ströme über das Mittelmeer nach Europa zusammen, nachdem die europäischen Länder und zwei zentrale Transitländer – die Türkei und Libyen – beschlossen haben, hart durchzugreifen. Berichte über Rassismus in den USA schrecken die Immigranten wenig, viele kommen aus Ländern, wo jedwedes Leben nicht viel gilt.