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10.07.20 / Leitartikel / Wozu Bundeswehr?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28 vom 10. Juli 2020

Leitartikel
Wozu Bundeswehr?
René Nehring

Dieser Vorschlag kam überraschend. Mit ihrer Aussage, die Aussetzung der Wehrpflicht vor rund zehn Jahren sei ein „Riesenfehler“ gewesen, und mit der Forderung, über deren Wiedereinführung nachzudenken, hat die neue Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags Eva Högl (SPD) ein unerwartetes Achtungszeichen gesetzt und prompt eine Debatte ausgelöst. Zustimmung erhielt Högl unter anderem vom verteidigungspolitischen Sprecher der AfD, Rüdiger Lucassen; auf Skepsis stieß sie hingegen beim SPD-Obmann im Verteidigungsausschuss Fritz Felgentreu sowie beim CDU-Abgeordneten Roderich Kiesewetter, 2011 bis 2016 Präsident des Reservistenverbandes. Reserviert äußerte sich auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die ihrerseits ankündigte, in Kürze unter dem Namen „Dein Jahr für Deutschland“ ein Konzept für einen neuen Freiwilligendienst in der Bundeswehr vorstellen zu wollen. 

So begrüßenswert der Vorschlag Högls auch ist – schließlich haben sich die Erwartungen an die Umstrukturierung der Bundeswehr vor zehn Jahren nicht erfüllt –, so fragwürdig ist ihre Begründung: Das Fehlen der Wehrpflichtigen, so Högl, habe einen Anstieg des Rechtsextremismus in der Bundeswehr ermöglicht. Ganz abgesehen davon, dass die Wehrbeauftragte damit an die alte Metapher von der „Armee als Schule der Nation“ erinnert, die doch gerade bei der linken Parlamentshälfte immer verpönt war, da diese Schule den männlichen Nachwuchs in einem ganz anderen Sinne erzog, als es ihnen vorschwebte, offenbart Högls Intention das ganze Dilemma der deutschen Sicherheitspolitik seit dem Ende des Kalten Krieges: dass deren Repräsentanten offenkundig selbst nicht wissen, wozu sie die Truppe überhaupt brauchen. 

Falscher Ansatz

Die Grundsatzfrage, welche Organisationsform eine Armee hat, sollte weniger davon geleitet sein, welchen Typ Soldat die jeweilige Form anzieht oder hervorbringt, sondern vielmehr davon, welchen strategischen Zielen Heer, Marine und Luftwaffe dienen sollen. 

Eine Wehrpflichtarmee ist das Mittel der Wahl für die klassische Landesverteidigung. Im Falle eines (potenziellen) äußeren Angriffs kann sie unbegrenzt junge Männer (und gegebenenfalls Frauen) zum Dienst an der Waffe heranziehen. Nur eine solche Gefahr legitimiert im Übrigen auch einen so weitreichenden Eingriff in die Freiheit junger Menschen, wie ihn der Wehrdienst darstellt. Für Auslandseinsätze, seit Jahren die Hauptaufgabe der Bundeswehr, waren und sind Wehrpflichtige jedoch nicht geeignet, da sie ein hohes Maß an spezialisierter Ausbildung erfordern, das in wenigen Monaten Dienstzeit kaum zu erlernen ist. Auch die Entwicklung zu einer Hightech-Armee ist nur mit Freiwilligen zu gestalten, die über einen längeren Zeitraum nicht nur ausgebildet werden, sondern ihre Fähigkeiten regelmäßig zum Einsatz bringen. 

Der Nachteil, das haben die letzten Jahre gezeigt, ist jedoch, dass eine Freiwilligenarmee ein Arbeitgeber wie andere auch ist und entsprechend um die besten Köpfe werben muss. Dazu freilich reichen ein paar flotte Werbeslogans und YouTube-Filmchen ebenso wenig aus wie die sozialpolitischen Errungenschaften der vormaligen Ministerin Ursula von der Leyen, die zur Steigerung der Attraktivität der Truppe Kitaplätze für die Kinder von „Soldat*innen“ und Uniformen für Schwangere einführte. Zu einem attraktiven Arbeitsplatz gehören – das ist eine Binsenweisheit – nicht nur eine angemessene Vergütung, sondern auch und vor allem ordentliches und funktionsfähiges Arbeitsgerät. 

Nicht zuletzt gehört dazu ein Faktor, der keinen Pfennig kosten würde und dennoch von großer Wirkung wäre: ein besseres Ansehen der Truppe. Wer wirklich will, dass die besten Köpfe unserer Gesellschaft zumindest zeitweilig in der Bundeswehr dienen, der sollte wenn schon nicht mit Empathie zumindest mit Achtung und Respekt über unsere Soldaten und deren Dienst reden – und nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit verbal auf sie einschlagen. 

Schließlich riskieren die Kameraden im Einsatz ihre Gesundheit und ihr Leben – und das nicht aus eigener Lust und Laune, sondern im Auftrag des Bundestags und der von ihm gewählten Regierung.