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17.07.20 / Deutsch-Französischer Krieg von 1870/71 / Stunde der Entscheidung über die kleindeutsche Lösung / Vor 150 Jahren erklärte Frankreich Preußen den Krieg. Es war der dritte und letzte der sogenannten deutschen Einigungskriege

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29 vom 17. Juli 2020

Deutsch-Französischer Krieg von 1870/71
Stunde der Entscheidung über die kleindeutsche Lösung
Vor 150 Jahren erklärte Frankreich Preußen den Krieg. Es war der dritte und letzte der sogenannten deutschen Einigungskriege
Manuel Ruoff

Die sogenannte Luxemburgkrise hatte 1867 zu einem irreparablen Vertrauensverlust zwischen dem Kaiser der Franzosen, Napoleon III., und dem preußischen Ministerpräsidenten, Graf Otto von Bismarck, geführt. Bismarck war nach dem Deutschen Krieg von 1866, dem sogenannten zweiten Einigungskrieg, nicht so vermessen gewesen, sich Napoleons Streben nach dem Rhein grundsätzlich entgegenzustellen. Er hatte aber versucht, den französischen Imperialismus von deutschem auf nichtdeutsches Gebiet abzulenken. 

Da er Luxemburg zum Ausland zählte, förderte er Napoleons Streben, dem Großherzog von Luxemburg und König der Niederlande, Wilhelm III., dessen Großherzogtum abzukaufen. Bismarck wusste jedoch, dass die deutsche Nationalbewegung im Gegensatz zu ihm Luxemburg als deutsch betrachtete, und schlug deshalb vor, dass Napoleon und Wilhelm ihn scheinbar vor vollendete Tatsachen setzten. Dazu fehlte jedoch Wilhelm III. der Mut, und er fragte Preußen, dessen Truppen aus Zeiten des Deutschen Bundes noch in Luxemburg standen, offiziell nach dessen Einverständnis zum geplanten Verkauf. Aus Rücksicht auf die deutsche Nationalbewegung antwortete Bismarck mit Nein, und alles blieb beim Alten. Nur dass Napoleon sich nun von Bismarck hintergangen fühlte. Er sah es so: Erst animierte der Preuße ihn zum Erwerb Luxemburgs, und dann brachte er das Projekt mit seinem Nein zum Scheitern. 

Luxemburgkrise zerstörte Vertrauen

Angesichts dieser Verschlechterung der Beziehungen musste Bismarck die Hoffnung aufgeben, dass die norddeutsche Großmacht ohne Widerstand Frankreichs den Main überschreiten und die kleindeutsche Lösung der deutschen Frage vollziehen könne. Im März 1870 formulierte es der britische Außenminister wie folgt: Frankreich würde, wenn es inzwischen nicht weiser werde, die deutsche Einigung als casus belli betrachten.

Es wäre falsch anzunehmen, Bismarck hätte sich von dieser Kriegsdrohung nicht schrecken lassen und nun zielstrebig eine militärische Lösung angestrebt. Vielmehr hielt er ob dieser Drohung die pessimistische Einschätzung seines Königs, Wilhelm I., dass dieser die Einigung Deutschlands nicht mehr erleben werde, für „sehr wahr und weise“.

Eine unerwartete Dynamik in die Entwicklung brachten jedoch Ereignisse in Spanien, welche die französisch-preußischen Beziehungen schwer belasteten. Dort war die Königin Isabella II. 1868 gestürzt worden, und es stellte sich die Frage nach der Nachfolge. Der französische Kaiser wollte, dass der spanische Thron dem französischen Adelsgeschlecht der Bourbonen erhalten blieb, und machte sich für Isabellas Sohn Alfons stark, der 1874 auch tatsächlich als Alfons XII. spanischer König wurde. 1870 schien die Entwicklung jedoch auf den Hohenzollernprinzen Leopold hinauszulaufen. 

Sturz Isabellas II. von Spanien

Leopold gehörte nur der süddeutschen Nebenlinie der Sigmaringer an. Er war wie das Gros der Spanier und der Franzosen Katholik, während die in Berlin regierende Hauptlinie der Hohenzollern und das Gros der Preußen protestantisch waren. Und Spanien hatte längst nicht mehr seine einstige Bedeutung wie zu Zeiten der Habsburger. Trotzdem glaubte der antipreußische französische Außenminister Antoine Alfred Agénor, Herzog de Gramont, die Situation mit den Zeiten vergleichen zu können, als der Habsburger Karl V./Carlos I. als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und König von Spanien Frankreichs doppelter Nachbar war. Nach vorheriger Absprache mit seiner Regierung und seinem Kaiser erklärte der französische Außenminister am 6. Juli 1870 vor den Abgeordneten der Chambre législative: „Wir glauben nicht, dass die Achtung vor den Rechten eines Nachbarvolkes uns verpflichtet zu dulden, dass eine fremde Macht einen ihrer Prinzen auf den Thron Karls V. setze und dadurch zu unserem Schaden das gegenwärtige Gleichgewicht der Mächte Europas in Unordnung bringen und die Interessen und die Ehre Frankreichs gefährden könnte.“

Gramonts Vergleich mit Karl V.

Der französische Botschafter in Berlin, Graf Vincent Benedetti, wurde in diesem Sinne bei Wilhelm mehrmals vorstellig. Der friedliebende Preußenkönig gab schnell nach. Bereits einen Tag nach der Benedetti in dieser Sache gewährten ersten Audienz verfasste der Chef des Gesamthauses Hohenzollern ein entsprechendes Handschreiben an die süddeutsche Verwandtschaft. Entsprechend Wilhelms Empfehlung erklärte Leopolds Vater, Fürst Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen, den Verzicht seines Sohnes auf die Kandidatur.

Frankreich konnte zufrieden sein. Doch Napoleon und seiner Regierung, die glaubten, durch ständige außenpolitische Erfolge das napoleonische System innenpolitisch legitimieren zu müssen, hofften, dass noch mehr drin sei, dass sich der Erfolg noch ausbauen lasse, und überspannten den Bogen. Benedetti bekam die Weisung, erneut beim in Bad Ems zur Kur weilenden preußischen König vorstellig zu werden und eine weitere Forderung zu stellen. Jedoch spätestens, nachdem den friedliebenden Wilhelm in Bad Ems die Nachricht vom definitiven Kandidaturverzicht Leopolds erreicht hatte, sah selbst er keinen weiteren Handlungsbedarf mehr und erachtete die Sache als erledigt.

Was Benedetti von Wilhelm forderte, und wie der Verkehr zwischen den beiden in Bad Ems verlief, telegrafierte Wilhelms Berater und Begleiter in Bad Ems, Heinrich Abeken, am 13. Juli 1870 Bismarck nach Berlin:

„Seine Majestät der König schreibt mir: Graf Benedetti fing mich auf der Promenade ab, um auf zuletzt sehr zudringliche Art von mir zu verlangen, ich sollte ihn autorisiren, sofort zu telegraphiren, dass ich für alle Zukunft mich verpflichtete, niemals wieder meine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Candidatur zurückkämen. Ich wies ihn zuletzt, etwas ernst, zurück, da man à tout jamais dergleichen Engagements nicht nehmen dürfe noch könne. Natürlich sagte ich ihm, dass ich noch nichts erhalten hätte und da er über Paris und Madrid früher benachrichtigt sei als ich, er wohl einsähe, dass mein Gouvernement wiederum außer Spiel sei.

Seine Majestät hat seitdem ein Schreiben des Fürsten [Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen] bekommen. Da Seine Majestät dem Grafen Benedetti gesagt, dass er Nachricht vom Fürsten erwarte, hat Allerhöchstderselbe, mit Rücksicht auf die obige Zumuthung, auf des Grafen Eulenburg und meinen Vortrag, beschlossen, den Grafen Benedetti nicht mehr zu empfangen, sondern ihm nur durch einen Adjutanten sagen zu lassen: dass Seine Majestät jetzt vom Fürsten die Bestätigung der Nachricht erhalten, die Benedetti aus Paris schon gehabt, und dem Botschafter nichts weiter zu sagen habe.

Seine Majestät stellt Eurer Excellenz anheim, ob nicht die neue Forderung Benedettis und ihre Zurückweisung sogleich, sowohl unsern Gesandten, als in der Presse mitgeteilt werden sollte.“

Napoleon überspannte den Bogen

Bismarck folgte der verklausulierten Anregung seines Königs. Dafür verkürzte er die Schilderung Abekens und Wilhelms zu den folgenden Worten:

„Nachdem die Nachrichten von der Entsagung des Erbprinzen von Hohenzollern der Kaiserlich Französischen Regierung von der Königlich Spanischen amtlich mitgeteilt worden sind, hat der Französische Botschafter in Ems an S. Maj. den König noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisieren, dass er nach Paris telegraphiere, dass S. Maj. der König sich für alle Zukunft verpflichte, niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Kandidatur wieder zurückkommen sollten.

Seine Maj. der König hat es darauf abgelehnt, den Franz. Botschafter nochmals zu empfangen, und demselben durch den Adjutanten vom Dienst sagen lassen, dass S. Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzuteilen habe.“

Es ist umstritten, inwieweit die Zurückweisung der neuen Forderung Benedettis durch Wilhelm und inwieweit Bismarcks Darstellung dieser Zurückweisung gegenüber der Öffentlichkeit die Franzosen provoziert hat. Fakt ist, dass Frankreich sich derart provoziert fühlte, dass es am 19. Juli 1870 Preußen den Krieg erklärte. Nun entschieden die Waffen, ob es zu einer kleindeutschen Lösung der deutschen Frage kommen konnte.





Kurzporträts

Vincent Benedetti Der Graf fühlte sich durch Wilhelms I. Behandlung in Bad Ems nicht provoziert. Rückblickend urteilte er, es habe „weder einen Beleidiger noch einen Beleidigten“ gegeben 

Heinrich Abeken Der Wirkliche Geheime Legationsrat schrieb mit seiner Emser Depesche Geschichte. Als Vertrauter Wilhelms wie Bismarcks war er für diese Scharnierfunktion prädestiniert

Napoleon III. Sein Kaiserreich überlebte den Deutsch-Französischen Krieg nicht. Nach seiner Gefangenahme bei Sedan wurde Frankreich Republik. Der Neffe Napoleons I. starb 1873 im Londoner Exil