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17.07.20 / Politik / „Pioniergestalt beim Abräumen demokratischer Standards“ / Die Publizistin Gertrud Höhler, bekannt als scharfe Kritikerin Merkelscher Politik, arbeitet sich regelrecht ab an der Kanzlerin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29 vom 17. Juli 2020

Politik
„Pioniergestalt beim Abräumen demokratischer Standards“
Die Publizistin Gertrud Höhler, bekannt als scharfe Kritikerin Merkelscher Politik, arbeitet sich regelrecht ab an der Kanzlerin
Karlheinz Lau

Gertrud Höhler ist eine bekannte Literaturwissen-schaftlerin, die sich jedoch mehr als Politikberaterin sieht. In der öffentlichen Meinung ist sie nicht unumstritten. Ihre Analysen sind scharfsinnig und zielorientiert, was sich in ihrem neuen Buch zeigt. Der Titel „Das Requiem“ in Verbindung mit der Person der amtierenden Bundeskanzlerin wirft allerdings Fragen auf. 

Requiem bedeutet Totenmesse. Was soll damit angekündigt werden? Wird die Zielperson am Ende ihrer Amtszeit als Politikerin im wahrsten Sinne des Wortes fertiggemacht, oder schwebt zwischen den Zeilen doch eine verborgene Bewunderung für eine erfolgreiche Frau in der Politik, die überdies aus dem Osten, aus dem real existierenden Sozialismus der DDR, kam? 

Unter diesem System wurde Angela Merkel politisch sozialisiert, so Höhler, wobei sie ihre DDR-Erfahrungen nach der Wende in ihre Arbeit im Machtapparat der westdeutschen Bundesrepublik ein-brachte. Für die Autorin ist dies ein immer wieder gebrauchtes Argument für ihre Analysen der Merkelschen Politik. 

Der Inhalt des Buches ist in 13 Abschnitte gegliedert, die wiederum Einzel-aspekte zum jeweiligen Thema bieten. So wird im Kapitel die „Sonderwege einer Kanzlerin“ ihre tatsächliche oder angebli-che Symbolpolitik als ein Beispiel behandelt. Das Kapitel „Masterplan für ein anderes Europa“ enthält unter anderem die Behauptung, „Merkel entmachtet Deutschland in Europa – und keiner schaut hin“. 

Höhler seziert detailliert alle Felder der Merkelschen Politik. Sie arbeitet sich buchstäblich an der Kanzlerin ab, positive Aspekte sind nicht erkennbar, das dialogische Prinzip Argument/Gegenargument enthält das Buch nicht. Das mindert die Möglichkeit für eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik der Kanzlerin. Die Finanzkrise, die Energiewende, die Flüchtlingswelle sind die zentralen politischen Ereignisse der Ära Merkel, an denen die Autorin zeigt, welches die eigentlichen Ziele der Kanzlerin seien, nämlich „Abbau der parlamentarischen Demokratie zugunsten eines autoritären Systems für Deutschland und Europa“. 

„Angela Merkels Amtsführung zeigt die Kanzlerin als eine Pioniergestalt beim Abräumen demokratischer Standards“, heißt es beispielsweise. Wie das konkret aussieht, wird für den Normalbürger nicht oder nur unklar verständlich ausgeführt. Diese Art von Behauptungen durchzieht die Gesamtheit der behandelten Themen. Dem Leser wird es schwer gemacht, begründete Argumente zu finden. Ein weiteres Beispiel: „Das übernationale Amtsprofil, das Merkel nun für Langzeitprojekte und ideologisch ausdrucksstarke Personalentscheidungen repräsentiert, ist metamoralisch und metademokratisch.“

Viel gravierender ist allerdings, dass in diesem Buch das Bild einer Kanzlerin vermittelt wird, die offensichtlich ihre Politik als Alleinunterhalterin betreibt, ohne Bindung an die Werte, die unseren Staat Bundesrepublik Deutschland tragen. 

Wenn alles so wäre, wie Höhler schreibt, müsste die Frage gestellt werden, ob eine zigmillionenfache Bevölkerung deutscher Bürger alles unpolitische Dumpfbacken sind. Das glaubt wohl die Autorin selbst nicht. Sie muss sich allerdings sagen lassen, dass sie das Bild einer Bundeskanzlerin vermittelt, das nicht unbedingt der Sicht eines Jeden entspricht. 

Gertrud Höhler: „Angela Merkel. Das Requiem“, Econ Verlag, Berlin 2020, gebunden, 352 Seiten, 24,99 Euro