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24.07.20 / Chabarowsk / Protest der Beleidigten und Erniedrigten / Die Reaktion auf die Verhaftung Sergej Furgals offenbart eine tiefer liegende Abneigung gegen Moskau

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30 vom 24. Juli 2020

Chabarowsk
Protest der Beleidigten und Erniedrigten
Die Reaktion auf die Verhaftung Sergej Furgals offenbart eine tiefer liegende Abneigung gegen Moskau

Während es in Moskau nach der Annahme der Verfassungsänderungen zu Demons-trationen gegen die Verhaftung von Journalisten und Hausdurchsuchungen kam, bei denen über 100 Menschen festgenommen wurden, stellt sich die Situation im Föderationskreis Ferner Osten ganz anders dar.

Die Proteste in der 580.000-Einwohnerstadt Chabarowk und mittlerweile auch in anderen Städten der Region gegen die Verhaftung von Gouverneur Sergej Furgal wollen nicht aufhören. Zwischen 20.000 und 50.000 Menschen sollen sich allein an den Demonstrationen in Chabarowsk beteiligt haben. Die örtliche Polizei sympathisiert mit den Demonstranten.

Furgal ist erst seit 2018 Gouverneur und Vertreter der vom Kreml geduldeten Oppositionspartei LDPR. Bei seiner Wahl schlug er den Kandidaten der Regierungspartei Einiges Russland mit einem Traumergebnis von 66 Prozent der Stimmen. Während seiner zweijährigen Amtszeit hat er Änderungen durchgesetzt, wie die Abschaffung großer Dienstwagen für Beamte, die bei der Bevölkerung gut ankamen. Die Verhaftung Furgals bringt die Menschen weniger in Rage, weil er einer Oppositionspartei angehört, sondern weil sie sich in ihrem Wählerwillen beschnitten sehen. Furgal ist der Kandidat, dem sie ihre Stimme gegeben haben. Die Anschuldigungen gegen den gelernten Mediziner und Geschäftsmann erwecken den Eindruck eines Racheakts, denn das ihm  zur Last gelegte Verbrechen – Auftragsmorde in zwei Fällen – liegt 15 Jahre zurück. Damals wurde das Verfahren wegen Mangels an Beweisen eingestellt und erst 2019 wieder aufgerollt. 

Chabarowsk liegt an der Grenze zum prosperierenden China. Im Staatsfernsehen wird Russlands „Ferner Osten“ als zukunftsweisendes Gebiet gepriesen und als Schaufenster der Errungenschaften des Putin-Regimes, doch die Realität sieht anders aus. Wegen mangelnder Perspektiven hält die Landflucht seit Jahren an. Das Misstrauen gegen das Moskauer Zentrum wächst, da es die Ressourcen des Landes ausbeutet und der örtlichen Bevölkerung nichts zurückgibt. Die Chabarowsker fühlen sich beleidigt und erniedrigt. Sie schielen auf den Wohlstand und die rasante Entwicklung in China und Südkorea.  

Die Regionen im Föderationskreis Ferner Osten fordern mehr Eigenständigkeit. Nach Ansicht von Politologen unterschätzt der Kreml die Mentalität der Bevölkerung im asiatischen Teil Russlands, die sich von der im europäischen Teil erheblich unterscheide. Die Verhaftung Furgals in wirtschaftlich angespannter Lage werde sich für Moskau, spätestens bei der kommenden Regionalwahl, negativ auswirken.  MRK