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24.07.20 / Östlich von Oder und NeißE / Sommerzeit ist Pilgerzeit / „Wallfahrt der Minderheiten“: Oberschlesier empfangen seit Jahrzehnten Pilger – Messen in deutscher Sprache

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30 vom 24. Juli 2020

Östlich von Oder und NeißE
Sommerzeit ist Pilgerzeit
„Wallfahrt der Minderheiten“: Oberschlesier empfangen seit Jahrzehnten Pilger – Messen in deutscher Sprache
Chris W. Wagner

Sommerzeit bedeutet für die in der Heimat verbliebenen deutschen Katholiken Pilgerzeit. Anfang Juni findet jährlich die „Wallfahrt der Minderheiten“, also der Deutschen und der Roma, auf den Annaberg statt. Pandemiebedingt wurde die diesjährige Minderheitenmesse in der Oppelner Kathedrale gelesen. Jedes Jahr am zweiten Sonntag im Juli pilgern Deutsche aus dem gesamten Schlesien ins niederschlesische Wartha [Bardo Slaskie]. Am zweiten Augustsonntag findet in Albendorf [Wambierzyce] im Glatzer Bergland eine weitere Wallfahrt der deutschen Schlesier statt.

Nach dem Krieg pilgerten vorwiegend Mitglieder der anerkannten deutschen Volksgruppe aus Breslau und Waldenburg nach Wartha und Albendorf. Doch, dass es zweimal im Jahr deutsche Gottesdienste im von Deutschen fast vollständig „befreiten“ Niederschlesien gab, sprach sich schon früh in Oberschlesien herum, als die dortige große Gruppe der Deutschen vor 1990 noch nicht anerkannt war. Bis zur „Wende“ galt die Doktrin, dass im teils mischsprachigen Oberschlesien die Deutschen doch nur oberflächlich germanisierte Polen seien.

Helmut Jelitto aus Klodnitz [Klodnica] bei Cosel [Kozle] reiste mit seinen Eltern schon in den 50er Jahren zu den niederschlesischen Wallfahrten. Ein Gefühl von Beklommenheit und Angst, beobachtet zu werden, waren ständige Begleiter der deutschsprachigen Oberschlesier. Zu stark hatte man Hausdurchsuchungen nach deutschen Büchern und die Strafen für jedes deutsche Wort in Oberschlesien noch in Erinnerung. „Doch als man dann vor Ort die Menschenmenge sah und wusste, all diese Menschen kamen, um deutsch zu singen und zu beten, machte dies alles wieder wett“, erinnert sich der 80-jährige Jelitto, der heute noch mit seiner Tochter und den Enkeln nach Albendorf und Wartha pilgert.

Der Seelsorger der deutschen Katholiken in Niederschlesien, Franziskanerpater Marian Arndt, organisiert seit 16 Jahren Busfahrten zur Wallfahrt in beide Orte. Dies gehörte von Anfang an zu den vielen Aufgaben, die er als Seelsorger zu bewerkstelligen hat. Als Kind pilgerte der gebürtige Ratiborer ins oberschlesische St. Annaberg.

Es gab Zeiten, da reichte ein Bus bei Fahrten nach Niederschlesien bei Weitem nicht aus. In den letzten Jahren kamen jedoch immer weniger deutsche Pilger nach Wartha und Albendorf, was Pater Arndt zu schaffen macht. „Diese Wallfahrten waren nach dem Krieg eine Fortsetzung der deutschen Tradition. Deshalb ist es für uns so wichtig, diese fortzuführen. Wer, wenn nicht wir, die Deutschen, soll diese Tradition pflegen?“, fragt er.

Neben der Glaubensbekundung steht bei den deutschen Wallfahrten immer noch die deutsche Sprache der Liturgie an vorderster Stelle, auch für die jüngeren Semester. Gerade der Rückgang der Deutschsprachigen lässt die Zahlen einbrechen. Obwohl seit der friedlichen Revolution auch in Oberschlesien wieder deutschsprachige Gottesdienste gehalten werden dürfen, mangelt es oft an Priestern, die deutsche Messen überhaupt lesen können. Und so flüchten die Geistlichen in Oberschlesien bei den Predigten oder der Liturgie oft ins Polnische oder eine epische Zweisprachigkeit. Der Gottesdienst ziehe sich, um scheinbar jeden mitzunehmen, in die Länge, meint ein junger Peiskretschamer [Pyskowice Slaskie], der zum ersten Mal in Wartha dabei war. „Hier ist alles auf Deutsch, das macht die Liturgie kompakter.“

Pater Arndt ist bereits dabei, für den 9. August einen Bus nach Albendorf, die seit dem 17. Jahrhundert wohl berühmteste Marien-Wallfahrtsstätte, zu organisieren. Zu der barocken Basilika führen auf einer Breite von 50 Metern 33 Stufen, die für die Lebensjahre Jesu stehen. Der Ort wird „schlesisches Jerusalem“ genannt, weil das von Graf Franz Anton von Götzen gestiftete Gotteshaus 1720 als „Tempel von Jerusalem“ eingeweiht wurde. Papst Pius XI. verlieh dem Gotteshaus 1936 den Status einer Basilika minor mit dem Namen „Maria Muttergottes“. Vom Altar der Basilika blickt die 28 Zentimeter große Figur der „Albendorfer Gottesmutter“ auf die Pilger. Neben der Basilika wurde von Daniel von Osterberg nach einer Jerusalem-Pilgerreise ein Kalvarienberg angelegt. Zur Tradition der deutschen Wallfahrten gehört dort auch eine Vesperandacht in deutscher Sprache.