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24.07.20 / Zeitgeschichte / Der Antisemitismus der DDR und der Linken / Vor 30 Jahren entschuldigte sich die letzte frei gewählte Volkskammer bei den Juden für die Beteiligung der Republik an Kriegen gegen Israel – Der US-Historiker Jeffrey Herf beleuchtet die Hintergründe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 30 vom 24. Juli 2020

Zeitgeschichte
Der Antisemitismus der DDR und der Linken
Vor 30 Jahren entschuldigte sich die letzte frei gewählte Volkskammer bei den Juden für die Beteiligung der Republik an Kriegen gegen Israel – Der US-Historiker Jeffrey Herf beleuchtet die Hintergründe
Bodo Bost

Als ein jüdischer Holocaustüberlebender dem deutschen linksterroristischen Flugzeugentführer Wilfried Böse im Flughafen von Entebbe 1977 seine eintätowierte Auschwitz-Häftlingsnummer zeigte, sagte er ihm auf Deutsch, die neue Generation der Deutschen sei offenbar nicht anders als die, welche er im Holocaust erlebt hatte. Damit meinte der damalige israelische Staatsbürger die deutsche Linke, die nach 1948 und erst recht nach 1967 einen abgrundtiefen Israelhass entwickelt hatte, der sogar dazu führte, dass zwei deutsche Links-Terroristen im Flughafen in Entebbe wieder begannen, Juden von Nichtjuden anhand von Rassemerkmalen und Namen zu selektieren. 

Auch beim tödlichsten antisemitischen Anschlag auf Juden in Deutschland seit dem Holocaust, bei dem 1970 in einem Münchner jüdischen Altenheim sieben Überlebende des Holocaust starben, schrieb wenige Tage später Dieter Kunzelmann, der Vordenker der  Westberliner „Tupamaros“, aus Amman: „Wann endlich beginnt bei Euch der organisierte Kampf gegen die heilige Kuh Israel?“ Der pathologische Antisemit Kunzelmann, der von anderen Linken beschuldigt wurde, geistiger Vater des bis heute ungeklärten Anschlags gewesen zu sein, wurde nicht etwa verhaftet, sondern er zog von 1983 bis 1985 als Abgeordneter der Alternativen Liste in den Berliner Landtag. 

Die 68er Studenten, die ausgezogen waren, den Muff von „Hunderten von Jahren unter den Talaren“ herauszulassen, ließen den antisemitischen Muff von Tausenden Jahren wieder herein. Auch beim Olympia-Attentat von 1972 in München dienten antisemitische Linke als Helfer der ortsfremden palästinensischen Täter. Als während der „Friedenspolitik“ Willy Brandts die PLO in Ost-Berlin ein Büro errichtete, das erste in Osteuropa, und bekannt wurde, dass damals die PLO über Ost-Berlin den Kampf gegen Israel nach Deutschland tragen wollte, war es nicht etwa die Bundesregierung, die bei Honecker protestierte, sondern der jüdische Zentralratsvorsitzende Heinz Galinski. 

Während die westeuropäischen Länder nach dem Münchner Attentat ihre Visavorschriften für den Nahen Osten und Nordafrika stark verschärften, wurden mit Hilfe des PLO-Büros in Ost-Berlin ab August 1973 Tausende Palästinenser, Libanesen und Syrer, als Asylsucher getarnt, visumfrei aus Damaskus via „Berliner Loch“ nach Westdeutschland und in die EU geschleust, darunter auch die ersten Mitglieder der heute fest etablierten arabischen Großclans, um die Hausmacht der PLO im Lande des Holocaust zu festigen. Als wenige Wochen später der Oktoberkrieg in Nahost begann, war Bundeskanzler Brandt, der drei Jahre zuvor noch publikumswirksam vor dem jüdischen Ghettodenkmal in Warschau gekniet hatte, nicht bereit, auch nur einen Finger für Israel krumm zu machen, obwohl die jüdische Nation kurz vor einer Niederlage stand. All diese bislang wenig bekannten Zusammenhänge hat Herf akribisch recherchiert.

DDR MIGs 1973 gegen Israel 

Vorbild der Linken war die „antifaschistische“ DDR, in die sich am Ende der 1970er Jahre auch alle RAF-Terroristen verkrochen. Als treuer Vasall Stalins, der auch nach 1945 noch Pogrome gegen jüdische Ärzte durchführen ließ, hatte die DDR seit ihrer Gründung 1949 Israel nicht nur rhetorisch zum Feind erklärt. Dank unzähliger Archivfunde konnte Herf nachweisen, dass es nicht bei Agitation blieb, sondern der ostdeutsche Staat bis 1989 mit Waffen und militärischer Ausrüstung an der Vernichtung Israels mitarbeitete. Ostdeutsche MIG-Jagdflugzeuge beteiligten sich auf syrischer Seite sogar 1973 am Oktober-Krieg gegen Israel. 

In Ostberlin wurde Jassir Arafat oft mit militärischen Ehren empfangen. Die SED-Diktatur in Ost-Berlin war der einzige Ostblock-Staat, der zu keinem Zeitpunkt diplomatische Beziehungen zu Israel pflegte. 1990 entschuldigte sich die einzige frei gewählte DDR-Volkskammer, kurz bevor sie aufgelöst wurde, für die Verbrechen der DDR an den Juden. Das hatten damals nur die wenigsten Deutschen verstanden. Nach der Lektüre des Buches des US-Historikers versteht man, warum der Volkskammer diese Geste so wichtig war. Man versteht jedoch auch die Kontinuität antisemitischen Gedankenguts in den Reihen der PDS und der Linken von heute. Dass Herf selbst ein linksliberaler Intellektueller ist, macht ihn umso glaubwürdiger.

Herf beschreibt detailreich, warum seinerzeit sowohl die DDR als auch Teile der westdeutschen Linken den jüdischen Staat als Todfeind betrachteten. Das Ost-Berliner Regime und die radikalen Linken haben auch im vereinten Deutschland ein toxisches Gebräu hinterlassen, in dem der Antisemitismus linker und muslimischer Natur den besten Wachstumsboden findet. Von daher ist das Buch nicht bloß eine akribische historische Studie, sondern auch ein Werk mit großem Gegenwartsbezug.

Jeffrey Herf: „Unerklärte Kriege gegen Israel – Die DDR und die westdeutsche radikale Linke, 1967-1989“, Wallstein Verlag, Götttingen2019, 518 Seiten, 39 Euro