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31.07.20 / Paul Hirsch / Ein Prenzlauer an Preußens Spitze

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31 vom 31. Juli 2020

Paul Hirsch
Ein Prenzlauer an Preußens Spitze
Manuel Ruoff

Wer an das sogenannte rote Preußen denkt, an den Freistaat der Weimarer Zeit, der hat in der Regel Otto Braun vor Augen. Vor dem Sozialdemokraten war jedoch wenige Jahre einer seiner Parteifreunde Ministerpräsident des republikanischen Preußen: Paul Hirsch. Dass der am 17. November 1868 in Prenzlau in der Uckermark geborene Politiker der erste Ministerpräsident des postrevolutionären Preußen wurde, verwundert weniger, wenn man bedenkt, dass er vorher der Vorsitzende der SPD-Fraktion im preußischen Abgeordnetenhaus gewesen war.

Dass ein Kaufmannssohn Sozialdemokrat wird, ist ungewöhnlich. Doch verstarb Hirschs Vater früh und war die Zahl der Geschwister groß, sodass sein Schuldirektor seine Mutter dazu überreden musste, ihn trotz der damit verbundenen finanziellen Belastungen für die Familie bis zum Abitur auf der Schule zu lassen. Das anschließende Studium in Berlin finanzierte sich der angehende Volkswirt als Stenograf im preußischen Landtag, Parlamentsberichterstatter und Mitherausgeber einer Parlamentskorrespondenz. Parlamentarische Arbeit war sein Spezialgebiet. 1908 wurde er als einer der ersten Sozialdemokraten ins Abgeordnetenhaus gewählt. 1911 wurde er Fraktionsvorsitzender.

Hirschs anderes Spezialgebiet war die Kommunalpolitik. Der Stadtverordnete in Charlottenburg von 1900 bis 1921 widmete sich in seiner Amtszeit als preußischer Ministerpräsident von 1918 bis 1920 mit Groß-Berlin einem ambitionierten kommunalpolitischen Projekt.

Diese kommunalpolitische Erfahrung half dem preußischen Ministerpräsidenten, beruflich unterzukommen, nachdem er, wie der ebenfalls der SPD angehörende Reichskanzler Gustav Bauer, wegen angeblich zu geringen Widerstandes gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch auf parteiinternen Druck sein Amt verloren hatte. Nach einer Tätigkeit als stellvertretender Bürgermeister in Charlottenburg wechselte er 1925 als Bürgermeister nach Dortmund, wo es eine ähnlich große Gebietsreform wie in Berlin zu stemmen galt. Von den Nationalsozialisten wegen seiner jüdischen Herkunft bedrängt, starb der vormalige Ministerpräsident und Bürgermeister im 72. Lebensjahr vor 80 Jahren, am 1. August 1940, in Berlin-Charlottenburg unterernährt an Entkräftung.