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31.07.20 / Gesundheitswesen / Von wegen kaputtgespart / Nur die USA und die Schweiz geben noch mehr für Gesundheit aus als Deutschland

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 31 vom 31. Juli 2020

Gesundheitswesen
Von wegen kaputtgespart
Nur die USA und die Schweiz geben noch mehr für Gesundheit aus als Deutschland
Wolfgang Kaufmann

Nicht erst seit Beginn der Corona-Krise wurde behauptet, das deutsche Gesundheitssystem sei systematisch „kaputtgespart“ worden – die Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Linkspartei, Amira Mohamed Ali, verwendete gar das Wort „totgespart“. Doch ist diese niederschmetternde Diagnose tatsächlich berechtigt?

Laut Auskunft des Statistischen Bundesamtes stiegen die Gesundheitsausgaben 2019 auf über 400 Milliarden Euro, womit sie nun 11,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmachen. In dieser Hinsicht liegt die Bundesrepublik aktuell auf dem weltweit dritten Platz nach den USA und der Schweiz. 2019 betrugen die Aufwendungen mehr als 4700 Euro pro Einwohner, was auf eine Verdoppelung seit 1992 hinauslief. Zum Vergleich: Andere europäische Staaten wie Portugal, Spanien, Italien, Griechenland, Lettland und Slowenien mussten ab 2008 teils drastische Kürzungen vornehmen. Das geht aus den jährlichen OECD-Berichten „Gesundheit auf einen Blick“ hervor. Wenn der Vorwurf des „Kaputtsparens“ berechtigt ist, dann also wohl eher hier.

Kompliziert und oft ungerecht

Zur Wahrheit gehört außerdem, dass heute immerhin 5,6 Millionen Menschen im Gesundheits- und Pflegebereich arbeiten, während es im Jahre 2000 noch vier Millionen waren. Und dabei handelt es sich keineswegs nur um einen Zuwachs an Teilzeitkräften, wie gelegentlich unterstellt wird: Rechnet man die Arbeitszeit aller jeweils Beschäftigten in Vollzeitäquivalente um, dann ergibt sich gleichfalls ein Anstieg, nämlich von 3,3 auf vier Millionen.

Des Weiteren belegt Deutschland nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO einen respektablen siebten Platz innerhalb Europas, was die Zahl der Ärzte betrifft: Auf 10.000 Einwohner kommen hierzulande 4,3 Mediziner. Damit rangiert die Bundesrepublik zwar hinter Ländern wie Norwegen und Österreich, aber noch vor Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien sowie im übrigen auch Kanada, Japan und den USA. 

In den Vereinigten Staaten stehen gerade einmal 2,6 Ärzte für 10.000 Menschen zur Verfügung. Ebenso gibt es in Deutschland 80 Krankenhausbetten pro 10.000 Einwohner – das ist der viertbeste Wert weltweit.

Kritiker beklagen oft die angeblich zu große Zahl von Krankenhäusern in privater Trägerschaft. Tatsächlich stieg deren Anteil seit 1992 von 15,5 auf über 37 Prozent. Allerdings ist ein zu hundert Prozent staatliches Gesundheitswesen mit Sicherheit nicht automatisch das bessere. Das sieht man am Beispiel der Länder des früheren Ostblocks oder des maroden National Health System (NHS) in Großbritannien. 

Andererseits bestehen auch einige echte Mängel hierzulande, wie die komplizierten und oftmals ungerechten Abrechnungsregularien sowie die wachsende Arbeitsbelastung der Beschäftigten in deutschen Krankenhäusern und Arztpraxen, unter der die Attraktivität sämtlicher medizinischer Berufe leidet. Problematisch ist zudem der Investitionsstau trotz der enormen Gesundheitsausgaben: Zur nachhaltigen Modernisierung unseres Gesundheitswesens bräuchte es mindestens doppelt so viel Geld, als derzeit zur Verfügung steht.