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07.08.20 / Corona-Nothaushalt / „Die Gunst der Stunde genutzt“ / Schulden in der Krise: Karlsruhe wirft Berliner Senat Missbrauch von Ausnahmegenehmigung vor

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32 vom 07. August 2020

Corona-Nothaushalt
„Die Gunst der Stunde genutzt“
Schulden in der Krise: Karlsruhe wirft Berliner Senat Missbrauch von Ausnahmegenehmigung vor
Norman Hanert

Noch vor den parlamentarischen Sommerferien haben SPD, Linkspartei und Grüne im Berliner Abgeordnetenhaus wegen der Corona-Krise einen Nachtragshaushalt beschlossen. Der Haken: Dieser Nothaushalt ist möglicherweise genauso verfassungswidrig wie die zu niedrige Besoldung der Berliner Richter und Staatsanwälte.

Wie aus einer achtseitigen Stellungnahme des Landesrechnungshofs hervorgeht, widerspricht der Corona-Nachtragshaushalt mit seiner Kreditermächtigung über sechs Milliarden Euro den gesetzlichen Vorschriften. Ein wichtiger Punkt in der Kritik des Berliner Rechnungshofs ist die Begründung für die Verschuldung. Die Fraktionen von SPD, Linkspartei und Grünen im Abgeordnetenhaus hatten sich Anfang Juni in ihrem Beschluss auf eine „außergewöhnliche Notsituation“ berufen. Aus Sicht des Rechnungshofs hätte stattdessen zunächst eine Kreditaufnahme aufgrund eines Konjunktureinbruchs geprüft werden müssen. 

Der Grund ist entscheidend

Der Unterschied zwischen beiden Begründungen ist gravierend: Bei einem konjunkturbedingten Verstoß gegen das Schuldenverbot müssten die Kredite bereits mit dem nächsten Wirtschaftsaufschwung bereinigt werden. Die „außergewöhnliche Notsituation“ rechtfertigt dagegen eine Tilgung über Jahrzehnte. Der Landesrechnungshof sieht im langen Tilgungszeitraum aber durchaus ein Risiko für den Haushalt Berlins. Die Stadt hat im Laufe der Jahrzehnte bereits einen Schuldenberg von rund 57 Milliarden Euro angehäuft. 

Neue Schulden sind für Berlin und alle anderen Bundesländer seit dem 1. Januar 2020 eigentlich verboten. Ausnahmen sind nur bei Naturkatastrophen, unverschuldeten Notlagen und Wirtschaftskrisen gestattet. Rot-Rot-Grün scheint den Corona-Nachtragshaushalt offenbar tatsächlich auch als Gelegenheit zu sehen, gleich noch Schulden auf Vorrat zu machen. Laut Rechnungshof hätte die beschlossene Kreditermächtigung über sechs Milliarden Euro nämlich nicht pauschal erfolgen dürfen. Korrekt wäre es aus Sicht der Rechnungsprüfer gewesen, wenn die Mittel „nur in Höhe des zu erwartenden pandemiebedingten Bedarfs“ einzelnen Haushaltsjahren zugeordnet würden. Zudem mahnt die Behörde, dass nach 2020 schuldenfinanzierte Ausgaben „nur insoweit und solange geleistet werden, wie sie für die Bewältigung der Notsituation erforderlich sind“.

Die pauschale Bewilligung der Milliardenschulden erleichtert tatsächlich ganz erheblich einen Plan der Koalition: Diese will nämlich eine zeitlich unbegrenzte Rücklage bilden, die sich aus Haushaltsüberschüssen und nicht benötigten Corona-Schulden speisen soll.

Steilvorlage für die Opposition

Für die Opposition wirkt die Stellungnahme der Rechnungsprüfer naturgemäß wie eine Steilvorlage: Die FDP-Haushaltspolitikerin Sibylle Meister warf Rot-Rot-Grün beispielsweise vor, die Gunst der Stunde zu nutzen, um „einen großen Schluck aus der Pulle zu nehmen“ und sich dann viel zu lange Zeit für die Rückzahlung der Kredite zu nehmen. Noch steht nicht fest, ob AfD, CDU oder FDP beim Berliner Landesverfassungsgericht gegen die Haushaltsplanung Klage erheben. 

Die Rechnungsprüfer schreiben in ihrem Papier nämlich nicht nur, dass die Kreditaufnahme den gesetzlichen Vorschriften widerspricht. Sie deuten auch generelle Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit an.

Nicht der erste Rüffel für Berlin

Höchstrichterlich bestätigt wurde dem Land Berlin vor Kurzem eine Verfassungswidrigkeit bei seiner Richterbesoldung. In einem Urteil entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, dass die entsprechenden Berliner Besoldungsvorschriften nicht mit dem sogenannten Alimentationsprinzip vereinbar sind. Dieses Prinzip sieht eine Verpflichtung des Dienstherren vor, Berufsbeamte wie Richter und Staatsanwälte so zu bezahlen, wie es Amt, Dienstrang und allgemeinem Lebensstandard entspricht. 

Im Fall des Landes Berlin kam Karlsruhe allerdings zu dem Ergebnis, dass die Bezüge der betreffenden Staatsdiener „evident unzureichend“ seien. Das Gericht hielt noch eine weitere Klatsche für die Berliner Politik bereit: Die Verfassungsrichter bewerteten auch die Absenkung der Einstellungsvoraussetzungen für Richter und Staatsanwälte als ein Zeichen für die unzureichende Besoldung in Berlin. Vom Karlsruher Gericht erhielt der Berliner Gesetzgeber den Auftrag, bis zum 1. Juli 2021 die Besoldung verfassungskonform zu regeln.