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07.08.20 / Kolumne / Berlin danach

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32 vom 07. August 2020

Kolumne
Berlin danach
Vera Lengsfeld

Alle, die dabei waren, stimmen überein, dass Berlin am vergangenen Sonnabend eine historische Demonstration erlebt hat. Daran ändert der bizarre Streit, wie viele Teilnehmer es gewesen sind, absolut nichts. Tatsache ist, dass der Demonstrationszug vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule reichte und daneben tausende Menschen im Tiergarten verblieben waren, die von der Polizei nicht auf die Demo gelassen wurden. 

Gänzlich ungewohnt für Berlin war, dass die Demonstranten völlig friedlich blieben, auch als die Polizei in martialischer Aufrüstung aufmarschierte, den Rednern den Strom abstellte und Redner mit Gewalt von der Bühne zerrte. So weit war nicht einmal die Staatssicherheit bei der legendären Demonstration am 4. November 1989 gegangen, als sich mindestens ebenso viele Menschen auf dem Alexanderplatz versammelt hatten. Damals durfte eine endlose Zahl von Rednern ungehindert sprechen. Die friedliche, fröhliche Stimmung übertrug sich auch auf die Volkspolizei. 

Am vergangenen Sonnabend war es vielen Polizisten unangenehm, ihren Befehlen nachzukommen. Sie sind es seit Jahrzehnten gewohnt, von linken Demonstranten mit Steinen, Flaschen, sogar Feuerwerkskörpern oder Molotowcocktails beworfen zu werden. Als Verbündete betrachtet und mit Nachsicht behandelt zu werden, war eine sichtlich neue Erfahrung für sie. 

Was die Einsatzleitung betrifft, so muss der Oberverantwortliche Innensenator Geisel von der SPD sich fragen lassen, welche Strategie er mit der Anordnung, die Demonstration polizeilich auflösen zu lassen, verfolgte. Wollte er Ausschreitungen provozieren, auch auf die Gefahr hin, dass es Verletze, wenn nicht gar Schlimmeres, geben würde? 

Was wäre gewesen, wenn die Demonstranten nicht erfolgreich, wie einst in der Friedlichen Revolution 1989, jede Provokation verhindert hätten? Die machtvolle Kundgebung hat der Politik einen tiefen Schrecken eingejagt. Mit Recht. Wer so vorgeht, hat sich gründlich delegitimiert. Hat die Demo eine neue Corona-Welle befördert? Kaum. Nach der maskenlosen „Black Lives Matter“-Demo am Alex gab es keinen Anstieg der Infektionsrate.