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07.08.20 / Corona-Hilfen aus Brüssel / Auf Italien kommt ein „Geld-Tsunami“ zu / Verstaatlichung von Stahlwerk und Autobahnen: Befürchtung, dass EU-Milliarden wirkungslos bleiben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32 vom 07. August 2020

Corona-Hilfen aus Brüssel
Auf Italien kommt ein „Geld-Tsunami“ zu
Verstaatlichung von Stahlwerk und Autobahnen: Befürchtung, dass EU-Milliarden wirkungslos bleiben
Norman Hanert

Zwei Jahre ist es her, dass in Rom der Vorwurf erhoben wurde, der auch im Laufe der Corona-Pandemie oft zu hören war: „Die EU lässt uns allein.“  Bereits im Jahr 2018 beklagte die damalige Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega, Italien erhalte vom übrigen Europa keine Hilfe bei der Massenzuwanderung über das Mittelmeer. 

Jean-Claude Juncker, seinerzeit Chef der EU-Kommission, konterte und rechnete vor, Brüssel habe allein von 2015 bis 2018 für Hilfe auf diesem Gebiet 882 Millionen Euro nach Rom überwiesen. Der Europäische Rechnungshof sah sich zudem noch genauer an, wie Griechenland und Italien mit EU-Mitteln zum Asylsuchermanagement umgegangen waren. Am Ende stand der Befund, dass die Gelder in beiden Ländern kaum eine Wirkung gezeigt haben, weil sie nicht effektiv verwendet wurden.

Angesichts solcher Erfahrungen werden Befürchtungen laut, dass auch die Geldflut aus dem Corona-Wiederaufbaufonds wirkungslos versickern wird. Als größter Profiteur des Corona-Wiederaufbaufonds kann Italien in den nächsten Jahren mit bis zu 209 Milliarden rechnen. Die Tageszeitung „La Repubblica“ sprach angesichts solcher Summen von einem „Geld-Tsunami“ der auf das Land zukomme. Nach dem Willen der EU-Staats- und Regierungschefs soll das Geld aus dem sogenannten Wiederaufbaufonds vor allem in den „Klimaschutz“ und die Digitalisierung fließen. Tatsächlich wird in Rom nun aber ein Sammelsurium an Maßnahmen diskutiert. 

Viele Ideen statt Digitalisierung

Vertreter der beiden Regierungsparteien, Fünf Sterne und Partito Democratico schlugen etwa vor, mit den EU-Geldern die Einkommenssteuer in Italien abzusenken. Als relativ sicher gilt, dass die italienische Regierung den finanziellen Spielraum für Verstaatlichungen nutzen wird. Die Regierung will die bislang private Autobahngesellschaft Autostrade per l’Italia weitgehend verstaatlichen. Für die Pleitefluglinie Alitalia sind zudem drei Milliarden Euro als Starthilfe vorgesehen. Diskutiert wird auch über einen Einstieg des Staates in das Ilva-Stahlwerk im süditalienischen Apulien. Zumindest dieses Projekt könnte gegenüber Brüssel unter dem Etikett „Klimaschutz“ vorgezeigt werden: Ilva ist nicht nur eines der größten Stahlwerke Europas, sondern wegen starker Industrieemissionen auch ein echtes Gesundheitsrisiko für Beschäftigte und Anwohner. In die Verstaatlichung des Stahlwerks bei Tarent könnten nochmals fünf Milliarden Euro fließen. Sehr hohe Milliardenbeträge will Rom auch in Straßenbau- und Schienenprojekte stecken. 

Gerade bei den Infrastrukturprojekten ist die Gefahr groß, dass wie in der Vergangenheit EU-Gelder als Investitionsruinen enden oder in den Händen der organisierten Kriminalität landen. In der Vergangenheit hat sich zudem gezeigt, dass Italien Probleme hatte, überhaupt Mittel aus den EU-Regional- und Strukturfonds rechtzeitig abzurufen. Zynische Beobachter sehen dahinter nicht nur ein Versagen der italienischen Bürokratie, sondern auch den Umstand, dass sich bei den einzelnen Projekten zuweilen wichtige Akteure nicht über die Aufteilung der „Beute“ verständigen konnten.