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07.08.20 / DDR / Eine zerrissene Persönlichkeit / Der Historiker Lutz Maeke zeichnet den Lebensweg des ersten Innenministers der DDR, des SPD-Politikers Carl Steinhoff, nach

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32 vom 07. August 2020

DDR
Eine zerrissene Persönlichkeit
Der Historiker Lutz Maeke zeichnet den Lebensweg des ersten Innenministers der DDR, des SPD-Politikers Carl Steinhoff, nach
Dirk Klose

Am 22. April 1946 vereinigten sich in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands – SED. Zu den stärksten Befürwortern dieser „Einheitsfront“ auf SPD-Seite gehörte neben Otto Grotewohl der brandenburgische Ministerpräsident Carl Steinhoff (1892–1981). Dessen Vita war ein Leben in fünf Herrschaftsformen (Kaiserreich, Weimarer Republik, NS-Diktatur, SBZ und DDR), das fast zwangsläufig, wie der Historiker Lutz Maeke zeigt, voller Widersprüche und damit beispielhaft für viele Lebensläufe in Deutschland war. 

Steinhoffs Lebenslauf zeigt ein zwiespältiges Bild. Zum einen hochgebildet, in Kunst, Literatur und Musik bewandert, in der schweren Zeit nach 1933 mutig zu seinen jüdischen Bekannten stehend, zum anderen ein fast skrupellos die eigene Karriere verfolgender Politiker, der bedenkenlos die kommunistische Diktatur unterstützte. Der Autor nennt ihn eine zerrissene Persönlichkeit. 

Steinhoff entstammte einer gut situierten westfälischen Bürgerfamilie, die ihm nach einer humanistischen Schulausbildung ein Studium ermöglichte, das – nach traumatischer Kriegserfahrung – eine Laufbahn im Staatsdienst eröffnete. Ein höchst karrierebewusstes Selbstbewusstsein ließ ihn mit guten Verbindungen virtuos vom Reichsinnenministerium über die sächsische Landesvertretung in Berlin bis in höchste Positionen in Preußen (Vizeoberpräsident in Ostpreußen) springen. 1923 war Steinhoff eher aus Opportunismus der SPD beigetreten, in der er dezidiert sozialistische Positionen vertrat.

Die NS-Diktatur brachte Ächtung und Isolation, was ihn aber 1945 als unbescholtenen und hochqualifizierten Fachmann sofort für hohe Ämter qualifizierte. 1945wurde er Präsident der Provinzialverwaltung Mark Brandenburg, dann, nach Gründung der DDR, deren erster Innenminister, als der er durch radikal kommunistische Parolen hervortrat. In der Praxis steuerte er einen eher traditionellen Verwaltungskurs, womit er rasch bei der SED aneckte. 1952 musste er gehen. Nach einem kurzen Intermezzo an der-Humboldt- Universität zog er sich bis ins hohe Alter in sein Heim in Wilhelmshorst zurück. Die SED hat ihn bis zu seinem Ende zwar nach außen hochgehalten, de facto aber wurde er zum Niemand. 

Die faktenreiche, nüchtern geschriebene Biografie hätte noch gewonnen, wenn vermehrt auch persönliche Zeugnisse aufgenommen worden wären. Die beim Leser geweckte Neugier, wie Steinhoff die Jahre der Isolation materiell überlebt hat, wird leider nicht beantwortet. 

Lutz Maeke: „Carl Steinhoff: Erster DDR-Innenminister. Wandlungen eines bürgerlichen Sozialisten“, Wallstein Verlag, Göttingen 2020, 224 Seiten, 22 Euro