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07.08.20 / Für Sie gelesen / Ein grantiger Ermittler

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 32 vom 07. August 2020

Für Sie gelesen
Ein grantiger Ermittler
Erik Lommatzsch

Noch einmal steht der Polizeiagent Josef Maria Nechyba schwierigen Fällen gegenüber. Er löst sie mit Bravour, wenn auch nicht immer auf die vornehme Art.

Eigentlich hatte der Schriftsteller Gerhard Loibelsberger den von ihm erfundenen Wiener Ermittler Joseph Maria Nechyba vom k.k. Polizeiagenteninstitut nach sechs Romanen und einigen kürzeren Geschichten mit dem Ende der Donaumonarchie auf einen Schreibtischposten befördert. Dort verbringt er seine letzten Berufsjahre und löst offenbar keine Fälle mehr, die für seine Leserschaft von Interesse wären. 

Glücklicherweise erzählt uns Loibelsberger nun aber rückblickend doch noch etwas aus dem Leben und von der Arbeit des dicken, immer hungrigen und grantigen „Inspectors“ beziehungsweise späteren „Oberinspectors“, der die „Pülcher“ und die, die er dafür hält, einfach duzt, seinerseits aber Wert darauf legt, korrekt angesprochen zu werden.

 Das Buch „Morphium, Mokka, Mördergeschichten“ enthält 13 Erzählungen, in denen man in der österreichischen Hauptstadt sowie im Umland auf Nechyba trifft. Fast noch ein Kind, „ermittelt“ er im Jahr 1873, was es mit dem „Gespenst vom Kadoltsberg“ auf sich hat – wofür sich das „Gespenst“ bei ihm zu bedanken hat, sonst wäre es nicht nur als Dieb, sondern auch als Mörder angeklagt worden. 

Die für Nechyba persönlich dramatischste Angelegenheit dürfte der Tag sein, an dem ihm niemand etwas Nahrhaftes verkaufen oder servieren will. Sogar der ihm unterstellte Pospischil weigert sich. Es gebe einen Erlass des Polizeipräsidenten, Essen und Bier im Dienst seien jetzt verboten. Die Angelegenheit klärt sich später zugunsten des „Inspectors“. Von Speisen und deren Zubereitung ist im Buch des Öfteren die Rede. 

Nach wahren Begebenheiten

Vor allem aber löst Nechyba Kriminalfälle, einige davon beruhen auf tatsächlichen Begebenheiten. So die letzte, im Januar 1917 spielende Geschichte. Hier ist ein Einheimischer wenig begeistert davon, dass kriegsbedingt die Glocken und das Kupferdach der Wallfahrtskirche Maria Taferl requiriert werden. Wegen des signierten Fotos einer Wiener Theater-Diva kommt ein Gymnasiast auf dem Naschmarkt zu Tode. Loibelsberger legt Wert darauf, Nechyba an reale Orte zu schicken. Zum Beispiel ins Burgtheater oder ins Café Sperl, wo man noch heute einkehren kann. Historische Personen treten auf, etwa Sigmund Freud.

Es heißt, die Verhörmethoden des „Inspectors“ seien „zwar effizient, aber nicht korrekt“. Sensibilität ist nicht seine Stärke – aber die gute alte Zeit in der Mitte des Habsburgerreiches und so manchen Abgrund kann man mit ihm wunderbar nacherleben.

Gerhard Loibelsberger: „Morphium, Mokka, Mördergeschichten. Wien zur Zeit Joseph Maria Nechybas“, Gmeiner Verlag, Meßkirch 2018, broschiert, 279 Seiten, 14,50 Euro