19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
14.08.20 / Corona / Russland prescht im Wettlauf um den Impfstoff vor / Putin drängt zur Eile – Präparat wird bereits vor Abschluss der Phase-III-Studie freigegeben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33 vom 14. August 2020

Corona
Russland prescht im Wettlauf um den Impfstoff vor
Putin drängt zur Eile – Präparat wird bereits vor Abschluss der Phase-III-Studie freigegeben
Manuela Rosenthal-Kappi

In der angespannten Lage – das Vertrauen der Bevölkerung in Wladimir Putin sinkt und in Chabarowsk halten die Proteste seit Wochen an – ist der russische Präsident auf Erfolge angewiesen. Putin hat in einer Ansprache versprochen, dass im Herbst und Winter dieses Jahres 60 Prozent der Russen gegen das Coronavirus auf Staatskosten geimpft würden. 

Russland verzeichnet besonders viele Fälle von Corona-Infektionen, die Zahl von 900.000 ist fast erreicht, mehr als 14.000 Menschen fielen der Pandemie bereits zum Opfer. Eile ist geboten, und so setzt die Regierung auf die schnelle Freigabe eines Impfstoffs des Moskauer Gamaleja-Instituts, der auf dem japanischen Influenza-Präparat Avifavir basiert, das in 15 Ländern vertrieben wird. Die russische Weiterentwicklung unter dem Namen Favipiravir wurde bislang nur an Soldaten getestet, freiwillig, wie es heißt. Für den 

10. August kündigte das Gesundheitsministerium die Freigabe des Vakzins an, im Oktober beginnen die ersten Impfungen. Zunächst sollen Ärzte und Lehrer den Impfstoff verabreicht bekommen und schrittweise dann der Rest der Bevölkerung. 

Kritiker bemängeln das Testverfahren, bei dem in zu kurzer Zeit zu wenige Menschen getestet wurden. Sie werfen Putin vor, er setze auf einen „Sputnik-Moment“. So wie 1957 die Sowjetunion den ersten Satelliten ins All schoss, presche Russland heute mit dem ersten Corona-Impfstoff auf dem Weltmarkt vor, zulasten der Sicherheit.

Gesundheitsminister Michail Muraschko kündigte am 23. Juli parallel zum Impfstart den Beginn einer Phase-III-Studie mit 800 Teilnehmern an. Üblicherweise wird in Phase III an bis zu 10.000 Patienten getestet. Im Westen ist eine abgeschlossene Phase-III-Studie trotz beschleunigter Zulassungsverfahren Voraussetzung für eine Freigabe. Weltweit gibt es bereits vielversprechende Zwischenergebnisse aus mehr als 170 Projekten. Einen Impfstoff im Frühjahr stellen Virologen auch hierzulande in Aussicht.

Inzwischen fordern russische Pharmakologen in einem Brief an Muraschko, die Freigabe des Impfstoffs auf später zu verschieben, wenn die Phase-III-Studie durchgeführt wurde. Da keine Ergebnisse zur Sicherheit vorlägen, sei es zu früh für eine Massenproduktion des Impfstoffs. Im russischen Fernsehen scheint die Botschaft bereits vorher angekommen zu sein. Dort wurde eine Impfung der Massen erst für das kommende Frühjahr in Aussicht gestellt. Damit könnte Russland ins Hintertreffen geraten.