29.03.2024

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14.08.20 / Für Sie gelesen / Ostpreußen im Herzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 33 vom 14. August 2020

Für Sie gelesen
Ostpreußen im Herzen

Das Buch „Ich hatte Ellenbogen“ ist eine Hommage eines Sohnes an seine Mutter. Das wäre kein Grund, es zu lesen. Es ist aber viel mehr: Rüdiger Stüwe, pensionierter Lehrer in Hamburg, setzt sich nachdenklich und kritisch-selbstkritisch mit seiner Mutter, seiner Familie und insbesondere seiner ostpreußischen Herkunft auseinander. 

Das eigentliche Thema sind die Jahre nach Flucht und Vertreibung aus der Heimat, das schwierige Ankommen in der „Kalten Heimat“ (Andreas Kossert). Hier gelingt es dem Verfasser, die Atmosphäre von Nachkriegszeit und beginnendem Wirtschaftswunder in einer Kleinstadt in der Lüneburger Heide einzufangen und diese mit bestimmten Charaktereigenschaften seiner Mutter (und seiner Tante) zu verbinden, die sich vielleicht als typisch „ostpreußisch“ beschreiben lassen, auf jeden Fall aber das Bild einer Kämpfernatur entstehen lassen, die sich eben nicht unterkriegen, die sich nicht die Butter vom Brot nehmen ließ und die sich auch im ländlich-konservativen Schneverdingen ihren Stand erarbeiten (besser erkämpfen) konnte. Beispielsweise kam eine zweite Heirat für die Witwe nicht in Frage – ihre Freiheit wollte sie sich nicht mehr nehmen lassen, und dafür wurden auch soziale Nachteile in einer „Ehepaargesellschaft“ in Kauf genommen.

Das alles schildert Stüwe auf vergnüglich-reflektierte Art und Weise und geizt dabei nicht mit anschaulichen Anekdoten, wie dem selbstbewussten Auftreten beim Sonntagsspaziergang in der Heidelandschaft oder dem Kampf mit den Behörden. Die Nachkriegsgeschichte wird dabei in vielen kleinen Rückblicken mit den Erlebnissen und Erinnerungen an die ostpreußische Heimat verwoben, die nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes wiederentdeckt und bereist wird. 

Die besondere Stärke dieses Erinnerungsbandes ist die Verbindung von Reflexion und Humor. Stellenweise mag man nur laut loslachen (oder weinen), insgesamt gewinnt der Leser großen Respekt vor der Lebensleistung dieser Frau Stüwe, die als junge Witwe völlig neu anfangen musste, die sich aber ihren Platz in Schneverdingen erkämpfte und diesen behielt – dabei im Herzen immer Ostpreußen mit sich tragend. Genauso wie ihr Sohn. CS

Rüdiger Stüwe: „Ich hatte Ellenbogen. Eine streitbare Frau aus Ostpreußen", Autobiographische Erzählung, Anthea-Verlag, Berlin 2019, broschiert, 180 Seiten, 14,90 Euro