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21.08.20 / China / „Der Damm ist leicht deformiert“ / Wenn die Drei-Schluchten-Talsperre bricht, kann das 15 Millionen Menschen das Leben kosten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34 vom 21. August 2020

China
„Der Damm ist leicht deformiert“
Wenn die Drei-Schluchten-Talsperre bricht, kann das 15 Millionen Menschen das Leben kosten
Wolfgang Kaufmann

Die unweit von Sandouping in der zentralchinesischen Provinz Hubei im Mai 2006 fertiggestellte Drei-Schluchten-Talsperre gehört zu den größten Bauwerken der Welt. Ihre Staumauer ist 181 Meter hoch sowie über zwei Kilometer lang und besteht aus 26,7 Millionen Kubikmetern Beton. Die Nennleistung der 34 installierten Turbinen liegt bei 22,5 Gigawatt – kein anderes Kraftwerk rund um den Globus vermag mehr Strom zu produzieren. Trotzdem stieß das Aufstauen des Flusses Jangtsekiang zu einem Gewässer von der doppelten Größe des Bodensees auf vielfältigen Widerstand. Der fand sich sogar im Nationalen Volkskongress Chinas, der 1992 nicht wie sonst stets üblich einstimmig für das Vorhaben votierte.

Risse durch Pfusch am Bau

So wurde die geplante Überflutung von fast 24.000 Hektar fruchtbaren Ackerlandes, 13 Städten, 1350 Dörfern und 657 Fabriken sowie die dadurch notwendige Umsiedlung von mehreren Millionen Menschen bemängelt. Darüber hinaus gab es erhebliche Sicherheitsbedenken. Schließlich zählt der Jangtsekiang zu den mächtigsten und unberechenbarsten Strömen Asiens. Außerdem liegen die Schluchten von Qutang, Wu und Xiling in einer erdbebengefährdeten Region. Selbst das Militär intervenierte und warnte, dass die Staumauer Ziel von Terroranschlägen oder feindlichen Angriffen werden könne. Daraufhin bot die Führung in Peking Flugabwehrraketen, Hubschrauberstaffeln, Patrouillenboote und 4600 Soldaten der Volksbefreiungsarmee zum Schutz der Talsperre auf.

Dabei scheint die größte Gefahr derzeit aber eher von den über einhundert Rissen im Beton des Wasserbauwerkes auszugehen. Diese sind bis zu 30 Meter lang und drei Meter tief und resultieren aus der Verwendung von minderwertigem Material durch betrügerische Baufirmen. Immerhin wird die Mauersohle mit 140 Tonnen pro Quadratmeter belastet, wenn sich fast 40 Milliarden Kubikmeter Jangtsekiang-Wasser in dem Stausee befinden. Und genau das ist momentan der Fall.

Der Monsunregen fiel dieses Jahr überaus reichlich aus und ließ zahllose Flüsse in den chinesischen Provinzen Hubei, Hebei und Henan anschwellen, was zu den schlimmsten Überschwemmungen seit 49 Jahren führte. Dazu kam die parallele Schneeschmelze im Hochland von Tibet, wo der 6380 Kilometer lange Jangtsekiang entspringt, der von etwa 700 Nebenflüssen mit einem Einzugsgebiet von fast zwei Millionen Quadratkilometern gespeist wird. Deswegen strömten teilweise bis zu 40.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in den Stausee oberhalb der Drei-Schluchten-Talsperre. 

Daraufhin ließ die Betreibergesellschaft China Three Gorges Corporation (CTG) am 29. Juni drei große Überlauf-Schleusen in der Staumauer öffnen, um diese zu entlasten. Trotz dieser Maßnahme stieg der Pegel bis zum 19. Juli auf das bisher noch nie erreichte Rekordniveau von 164 Metern – 15 Meter über dem Alarmwert. Damit fehlen zwar immer noch 16 Meter bis zum theoretisch möglichen maximalen Füllstand, aber das ist kein Anlass zur Entwarnung.

Denn der Pfusch am Bau und die daraus resultierenden Risse schwächen die Staumauer offenbar schon jetzt. Sichtbarster Ausdruck dessen sind Verformungen des Bauwerkes. Deren Existenz musste mittlerweile sogar die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua eingestehen. Allerdings fügte sie hinzu, dass sie sich allesamt noch im Normbereich bewegten, der bis zu 26,7 Millimeter betrage. Danach folgte das beruhigend gemeinte Fazit: „Der Damm ist leicht deformiert, aber sicher.“

Überaus starker Monsunregen

Sollte Letzteres sich als falsch erweisen, dann drohte China eine Katastrophe epochalen Ausmaßes. Bräche die Staumauer, würden sich die Wassermassen über weite Teile der Provinz Hubei ergießen und die 38 Kilometer flussabwärts liegende Gezhouba-Talsperre zerstören, um anschließend innerhalb nur eines Tages die am Jangtsekiang gelegenen Großstädte Yichang, Wuhan, Jiujiang, Wuhu und Nanjing zu überfluten. Das könnte an die 15 Millionen Menschen das Leben kosten. Außerdem käme es zu Schäden an Produktionsanlagen, die ein deutlich größeres weltweites wirtschaftliches Beben zur Folge hätten als die Corona-Pandemie, die ebenfalls von Hubei ausging.