28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
21.08.20 / Ludwig II. von Bayern / „Ein ewig Rätsel will ich bleiben mir und anderen“ / Die bleibende Bedeutung des vor 175 Jahren geborenen „Märchenkönigs“ für Bayern, Deutschland und die Kultur ist nicht zu unterschätzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34 vom 21. August 2020

Ludwig II. von Bayern
„Ein ewig Rätsel will ich bleiben mir und anderen“
Die bleibende Bedeutung des vor 175 Jahren geborenen „Märchenkönigs“ für Bayern, Deutschland und die Kultur ist nicht zu unterschätzen
Manuel Ruoff

Was ist geblieben vom bayerischen König Ludwig II.? Was ist die Relevanz seiner Person für die Gegenwart? 

Die sichtbarste Antwort bilden sicherlich seine Schlösser. Zu nennen sind hier Linderhof, Herrenchiemsee und natürlich Neuschwanstein. Ludwigs Bausucht, konkreter die Kosten dieser Sucht, haben ihn die Regentschaft und möglicherweise auch das Leben gekostet. 

Verteidiger Ludwigs können zur Relativierung auf die Kosten von Kriegen im Allgemeinen und des deutschen Bruderkrieges zwischen Preußen und Österreich von 1866 im Besonderen verweisen, aus dem der Bayernkönig nach Kräften versucht hat, den von ihm regierten drittgrößten deutschen Staat herauszuhalten. 

Und wenn Ludwig Neuschwanstein auch für sich allein haben wollte, so können Verteidiger Ludwigs doch gleichfalls auf die stattlichen Einnahmen verweisen, die sein Land heute durch seine Schösser hat. Der besondere Reiz Neuschwansteins insbesondere für ausländische Touristen liegt dabei zweifelsohne nicht nur im Bau selbst, sondern auch in seinem von Romantik, Tragik und Melancholie umgebenen, zumindest in seiner Jugend wunderschönen Erbauer, dessen Leben und auch Sterben voller Rätsel ist, getreu seinem eigenen Ausspruch: „Ein ewig Rätsel will ich bleiben mir und anderen.“ Wenn der Deutsche Tourismusverband auf internationaler Ebene mit Neuschwanstein Bayern als ein Land der Märchenschlösser bewirbt, dann kann er das, weil Neuschwanstein & Co. eben nicht von Walt Disney erbaut wurden, sondern von einem „Märchenkönig“.

Prachtvolle Schlösser

Eine weitere Bedeutung Ludwigs II. über seinen Tod hinaus bis heute liegt in der Förderung Richard Wagners. Man mag Wagner für einen üblen Egoisten und Antisemiten halten, aber seine Arbeit ist ein wichtiger Beitrag zur Kultur, und Ludwig hat diese Arbeit in geradezu maßloser Weise finanziell gefördert. 

Schließlich sei auf Ludwigs Bedeutung für die Gründung des Deutschen Reiches verwiesen. Ausgerechnet unter Ludwig II., der sich in der Tradition des absolutistischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. sah, verzichtete Bayern auf entscheidende Souveränitätsrechte zugunsten des 1871 gegründeten Reiches. Es spricht manches dafür, dass Bayern auch unter einem anderen Herrscher die Einigung mitgemacht hätte. Doch wirkte Ludwig schon bemerkenswert aktiv mit. 

Förderung Richard Wagners

Das fängt spätestens damit an, dass Ludwig ungeachtet seiner unübersehbaren Frankophilie, die sich nicht darauf beschränkte, dem Sonnenkönig nachzueifern, die Teilnahme am dritten Einigungskrieg gegen Frankreich im Gegensatz zum zweiten gegen Österreich aktiv vorantrieb. Dieses Engagement ermöglichte schon kurz nach dem Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges einen für die Franzosen überraschenden Vorstoß bayerischer Truppen vom pfälzischen Landau aus, von dem es heißt, dass er die unerwartet frühe Vorentscheidung im Kriege zuungunsten Frankreichs ermöglicht habe. 

Und Ludwigs aktive Rolle im Reichseinigungsprozess endet frühestens mit dem sogenannten Kaiserbrief, in dem er dem preußischen König Wilhelm I. den Titel eines deutschen Kaisers antrug. Die Bedeutung dieses Kaiserbriefes ist nicht zu unterschätzen. Nicht umsonst ist in Deutschland von der „kaiserlosen, der schrecklichen Zeit“ die Rede. Es sei hier die These erlaubt, dass sich die Deutschen schwerlicher hinter dem preußischen König hätten versammeln können, wenn er nicht der „Kaiser“, sondern nur das „Bundespräsidium“ gewesen wäre. 

Doch wie sollte der Preußenkönig an den Kaisertitel gelangen? Was konnte das Führen des Namens legitimieren? Die Reichsgründung von 1871 war im Gegensatz zur 48er-Revolution eine sogenannte Einigung von oben, das Reich eine Art Fürstenbund. Nicht umsonst war nicht die Volksvertretung, der Reichstag, das höchste Organ des Reiches und auch nicht der Kaiser, sondern der Bundesrat als Vertretung der Fürsten und Freien Städte. In diesem Konstrukt konnte die entscheidende Legitimation des Kaisertitels nicht in einem Angebot des Volkes oder seiner Vertreter liegen, sondern nur in einem der Fürsten. Und kein Fürst war so prädestiniert als Vertreter seiner Standesgenossen dem ersten unter ihnen, dem König von Preußen, den Kaisertitel anzutragen wie der zweite unter ihnen, der König von Bayern. Und Ludwig erfüllte den entsprechenden Wunsch des preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck und leistete damit einen wesentlichen Beitrag zur Legitimierung des kleindeutschen Kaisertums.

Aktive Rolle im Einigungsprozess

Ludwigs aktive Rolle im Reichseinigungsprozess verblüfft angesichts seiner Frankophilie und seines Standesbewusstseins, ist jedoch nicht etwa Ausdruck oder gar Beweis einer Geistesstörung, sondern Folge wenn nicht verständlicher, so doch zumindest nachvollziehbarer Motive. Im zweiten Einigungskrieg hatte Ludwig mit Vorbehalten an der Seite Österreichs gestanden. Die Folge war, dass sein Land als Kriegsgegner Preußens eine schmerzhafte Niederlage erlitt und sein Versuch, Bayern aus dem Kriegsgeschehen herauszuhalten, als Zaudern und Desinteresse gegen ihn interpretiert wurde. Beides wollte Ludwig kein zweites Mal erleben. Er versuchte, sich in Bayern an die Spitze der nationalen Bewegung zu stellen, statt von ihr überrollt zu werden, und wählte die Seite Preußens, in der Hoffnung, dafür von Preußen bei dessen Sieg belohnt zu werden. Selbst wenn Frankreich gewinnen sollte, hatte ein mit Preußen verbündetes Bayern – so die Überlegung in München – wenig zu verlieren, da die Stärkung der deutschen Mittelstaaten zur Verhinderung beziehungsweise Schwächung einer deutschen Zentralgewalt klassische französische Deutschlandpolitik war. 

Bei der Frage nach den Motiven für Ludwigs Kaiserbrief schließt sich der Kreis, und wir landen wieder bei der Bauwut des Königs sowie den Niederungen der Politik. Ludwig brauchte Geld für seine Schlösser und Bismarck hatte Zugriff auf das nach dem Deutschen Krieg beschlagnahmte Vermögen des hannoverschen Königshauses. Das Ergebnis war, dass Bismarck Ludwig mehrere Millionen Mark zukommen ließ und Ludwig dafür zur Feder griff.