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21.08.20 / Historiker / Wissenschaft am Zügel des Zeitgeists / An den Hochschulen grassiert das Virus der historisch-politischen Korrektheit: Wie unsere Geschichte auf Linie gebracht wird

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34 vom 21. August 2020

Historiker
Wissenschaft am Zügel des Zeitgeists
An den Hochschulen grassiert das Virus der historisch-politischen Korrektheit: Wie unsere Geschichte auf Linie gebracht wird
Wolfgang Kaufmann

Auf dem jüngsten Deutschen Historikertag in Münster verabschiedete die vermeintliche Crème de la Crème der hiesigen Geschichtswissenschaft eine Resolution „Gegen den politischen Missbrauch von Geschichte“. Und tatsächlich sollten Historiker keine eifernden politischen Agitatoren oder paternalistische Volkspädagogen sein, sondern „zeigen, wie es eigentlich gewesen“. Allerdings wird dieses, von dem preußischen Altmeister der Zunft, Leopold von Ranke, formulierte Prinzip heute auch und gerade von vielen staatlich alimentierten Fachvertretern verletzt. Schuld daran ist ihr Bemühen, sich dem obwaltenden Zeitgeist anzupassen – sei es aus ängstlichem Opportunismus, sei es aus ideologischer Verblendung oder der Gier nach Fördermitteln.

Absonderlichste Theorien

Also fließen die absonderlichsten Theorien und Fragestellungen aus der Welt des Genderismus, Klima-Alarmismus und Multikulturalismus in die Arbeit der Geschichtswissenschaftler sowie auch mancher Vertreter von historischen Hilfswissenschaften ein. Da werden mittelalterliche Minnelieder auf versteckte homosexuelle Anspielungen hin durchforstet oder Belege dafür gesucht, dass die antiken Metropolen allesamt „ethnische Schmelztiegel“ gewesen seien, um den vermeintlichen Nutzen der Massenmigration nachzuweisen. 

Dazu kommen die zahlreichen neuen Forschungsansätze, in denen das Klima zum alles bestimmenden Faktor erhoben wird. Dabei hat sich ein solches deterministisches Vorgehen schon einmal als weitestgehend unbrauchbar erwiesen – nur hielt man damals die Rasse für den Dreh- und Angelpunkt der Weltgeschichte.

Cäsars Tod als Klimafolge

Mit ihrer Zeitgeisthörigkeit stehen die deutschen Geschichtswissenschaftler freilich nicht allein da, denn das Virus der historisch-politischen Korrektheit grassiert inzwischen an fast allen Universitäten der westlichen Welt. So versuchen US-Forscher die Umwälzungen nach Caesars Ermordung im Jahre 44 v. Chr. als Folge von Klimaschwankungen hinzustellen. Und in Frankreich und Großbritannien vertreten manche Experten nun die Ansicht, dass die Völkerwanderung zu keinem Chaos mit kulturellem Niedergang geführt habe, sondern eine Zeit der „sanften Transformationen“ gewesen sei – und gelegentlich verwenden sie auch die sattsam bekannte Floskel von der „Bereicherung“ durch Immigration. 

In Skandinavien wiederum gilt der Blick neuerdings fast nur noch den Frauen der Wikinger, um den Mythos von den starken Nordmännern soweit als möglich zu „dekonstruieren“. Den Vogel schießen allerdings Theo Vennemann, ehemals Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, und Robert Mailhammer von der Western Sydney University ab. Die beiden Vertreter der Disziplin der historischen Linguistik behaupten allen Ernstes, dass nordafrikanische Händler die Runenschrift zu den Germanen gebracht hätten. 

Dabei lassen sie sich weder von krassen chronologischen Diskrepanzen noch vom Fehlen diesbezüglicher Quellen beirren. Trotzdem bezeichnete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ die Theorie von Vennemann und Mailhammer unlängst als „verdienstvoll“.