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21.08.20 / Eisenbahngeschichte / Transportmittel für Demontage-Güter / Gerhard Greß und Jörg Patzelt beschreiben das Eisenbahnnetz in Ostpreußen nach dem Zweiten Weltkrieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34 vom 21. August 2020

Eisenbahngeschichte
Transportmittel für Demontage-Güter
Gerhard Greß und Jörg Patzelt beschreiben das Eisenbahnnetz in Ostpreußen nach dem Zweiten Weltkrieg
Rainer Claassen

Es gibt Menschen, die behaupten, dass ein Buch, das sich „Teil 2“ nennt, gegenüber dem zuvor erschienenen ersten Teil zwangsläufig abfällt. Mag sein, dass das fallweise stimmt – bei „Ostpreußen und seine Verkehrswege“ ist jedenfalls der Abfall nicht zu spüren.

„Ostpreußen und seine Verkehrswege Teil 2 ab 1945“ zeichnet sich als Erstes durch einen nahtlosen Anschluss an das vorangegangene Werk aus. Beide Autoren sind familiär vorbelastet und haben sehr einfühlsam, aber auch plastisch das Kriegsende mitsamt der Flucht und den anschließenden Vertreibungen dargestellt. Sie benutzten dafür statistische Angaben ebenso wie Zeitzeugenberichte, und es ist erschütternd, wenn man sieht, wie die Menschen verzweifelt auf die Bahnhöfe strömten und hofften, dort Hilfe der Eisenbahner zu finden und wegzukommen, um nur ja nicht der mordenden und plündernden Roten Armee in die Hände zu fallen. Vom Ende in Allenstein und Insterburg berichten Eisenbahner, die damals Dienst taten und deren Überlieferungen bisher nur in einzelnen Kreisheimatbriefen oder Fachzeitschriften auftauchten. Es ist erfreulich, dass sie nunmehr einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht werden.

Authentische Augenzeugenberichte

Beginnend mit der Konferenz von Potsdam, werden die politischen und territorialen Verhältnisse in Ostpreußen nach dem Zweiten Weltkrieg im Großen dargestellt; sehr hilfreich sind die hier abgebildete Deutschlandkarte mit Einteilung der Besatzungszonen wie auch die auf der nächsten Seite gezeigte Ostpreußenkarte mit den neuen Grenzlinien. So kann auch ein Leser, für den die Gegend bisher „terra incognita“ war, den knapp und sachlich gehaltenen Beschreibungen gut folgen. Sehr gut passt auch die anschließende Doppelseite mit einer Beschreibung von Planung und Bau (bis zur Einstellung 1942) des Masurischen Kanals; ein Kartenausschnitt, eine Längsschnittzeichnung und zwei Fotos wurden von Verfasser Petzold an den richtigen Stellen in den gut verständlichen Text eingeordnet.

Einige wenige CIA-Aktenauszüge, neben der Original-Reproduktion auch in verständliches Deutsch übertragen, beschreiben den Zustand nach der Wiederaufnahme des Eisenbahnverkehrs; dem folgt eine durch Fotos, Tabellen und (wiederum) eine Karte unterstützte Darstellung des Kolonnenverkehrs, der dem Abtransport von Demontage- und sonstigem Raubgut der Sowjetarmee diente.

Die nachfolgenden Abschnitte sind schwerpunktmäßig nach Orten geordnet; wie schon im ersten Band fehlt eine systematische Sortierung, wobei man sich allerdings schon fragen müsste, welche Ordnungskriterien da zugrundegelegt werden könnten. Das Thema ist nicht so umfangreich, dass man sich „verirren“ könnte. Was man sucht, findet man auch, und beim Durchblättern stößt man auf jeder Seite auf interessante Abbildungen, die zudem teilweise noch Vergleichsfotos von früher enthalten. Eines steht fest: Langeweile kommt bei diesem Buch überhaupt nicht auf.

Sehr gut war auch die Idee, immer wieder reine Landschaftsaufnahmen in die Streckenbeschreibungen aufzunehmen; Ostpreußen ist auch heute noch von unvergleichlicher Schönheit und hat es verdient, auf diese Weise gewürdigt zu werden.

Die in Ostpreußen vorhandenen Autobahnteilstücke werden auf fünf Seiten abgehandelt; eine angemessene Kürze, wenn man bedenkt, wie wenig von dieser Infrastruktur bei Kriegsausbruch im Osten fertiggestellt war. Dagegen kommen die Kleinbahnen wieder voll und ganz zu ihrem Recht – „Kleinbahn-Meister“ Petzold hat auch hier wieder zusammengetragen, was auffindbar war.

Erlebnisberichte Reisender

Einen schönen Abschluss bilden Erlebnisberichte von den ersten touristischen Fahrten ins Königsberger Gebiet ab 1991. Die beigefügten Presseartikel enthalten viel Zeitkolorit. Besonders erfreulich ist, dass der Eisenbahnfotograf und frühere BMW-Manager Brian Rampp von seiner beruflichen Tätigkeit bei der Eröffnung des Königsberger BMW-Werkes berichtet.

Fazit: Ein gelungenes, lesenswertes Buch, für dessen 215 Seiten mit vielen sehr schönen Abbildungen der Preis von knapp 50 Euro durchaus angemessen erscheint. Wer den ersten Band bereits besitzt, wird beim Erwerb des zweiten nicht enttäuscht sein.

Schade, dass Autor Gerhard Greß den Erfolg dieses Buches nicht mehr erleben konnte – er verstarb kurz vor dem Erscheinen.

Gerhard Greß/Jörg Petzold: „Ostpreußen und seine Verkehrswege, Teil 2 ab 1945“, VGB Verlagsgruppe Bahn GmbH, Am Fohlenhof 9a, 82256 Fürstenfeldbruck, 215 Seiten, gebunden, 49,95 Euro