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21.08.20 / Altkleider / Textilverwerter in der Corona-Krise / Immer mehr Wegwerfmode, schlechte Stoffqualität und Einfuhrverbote in Afrika treiben die Kosten für Rotes Kreuz & Co. in die Höhe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 34 vom 21. August 2020

Altkleider
Textilverwerter in der Corona-Krise
Immer mehr Wegwerfmode, schlechte Stoffqualität und Einfuhrverbote in Afrika treiben die Kosten für Rotes Kreuz & Co. in die Höhe
Dagmar Jestrzesmki

Schon in den letzten Jahren waren übervolle Altkleidercontainer keine wirklich seltene Erscheinung. Seit Beginn der Corona-Krise bot sich jedoch an vielen Stellen das Bild zurückgelassener Altkleiderbeutel neben Sammel-Containern, die nicht abgeholt wurden. Das ließ auf ein akutes Verwertungsproblem der Kleiderspenden schließen. Mittlerweile sind landesweit die meisten Altkleider-Container der Roten Kreuzes und anderer Hilfsorganisationen abgebaut worden, während einige private Betreiber ihre Container anscheinend noch bewirtschaften. 

Von den lokalen Fachdiensten für Abfallwirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit wurde die Bevölkerung darüber informiert, dass der Altkleidermarkt in Deutschland komplett zusammengebrochen ist. Bis auf Weiteres nehmen die Recycler nichts mehr an. Alttextilien sollen daher zurzeit mit dem Restmüll entsorgt werden. Als Alternative bietet sich weiterhin die Möglichkeit, aussortierte, noch tragbare Kleidung und Schuhe über nicht-kommerzielle regionale Internet-Gebrauchtbörsen zum Verkauf anzubieten oder zu verschenken.

Die Bürger wurden von offizieller Seite dazu aufgerufen, in dieser Situation auch ihr Konsumverhalten zu überdenken. Tatsächlich erweist die Statistik, dass die Deutschen heute mehr billige Textilien als je zuvor kaufen, unglaubliche 60 Kleidungsstücke pro Person und Jahr. Doch die in Bangladesh und China gefertigten Billigklamotten werden nur noch halb so lange getragen wie vor 20 Jahren. Man spricht nicht umsonst von Wegwerfmode. Dieses Verhalten spiegelt sich in den wachsenden Altkleiderbergen wider. 

So stieg das jährliche Sammelaufkommen an Alttextilien von Mitte der 1990er Jahre bis 2016 um mehr als 20 Prozent. 

1,3 Millionen Tonnen gebrauchte Textilien wurden 2018 in die Container gesteckt, zumeist vermutlich im Glauben, mit den Altkleiderspenden der Welt etwas Gutes zu tun. Falsch ist dieser Gedanke nicht, jedoch ließ die Qualität der Spenden immer mehr zu wünschen übrig. Auch kamen mehr Spenden zusammen, als soziale Einrichtungen für den Secondhandverkauf benötigen. Dafür verdienten andere an der Gebrauchtware.

Ein Grund für die immer kürzere Nutzungsdauer von Bekleidung ist der immer häufigere Modewechsel. Bei den Modeschöpfern ist dieser Aspekt angekommen, und von dieser Seite her wurde bereits ein Umdenken angekündigt. 

Alles, was in die Altkleidercontainer geworfen wird, ist Eigentum der Container-Betreiber und wird überwiegend bei den großen Sortieranlagen abgeliefert. Auch das Rote Kreuz lässt die Altkleiderware in den Sortierbetrieben der Recyclingwirtschaft nach Bedarf, Verwendungszweck und Qualität bearbeiten. Mit dem Altkleidermarkt wurde jährlich ein Umsatz von schätzungsweise 800 Millionen Euro generiert. Die Entsorger der Alttextilbranche zahlten für eine Tonne Alttextilien 100 Euro. In den Sortierbetrieben wurden täglich mehrere 100.000 Kleidungsstücke von Hand in unterschiedliche Kategorien aufgeteilt, unter anderem nach Material, Qualität und saisonaler Mode. Das Geschäft mit den gespendeten Klamotten war so lukrativ, dass es Betrüger auf den Plan rief, die den Inhalt aus falsch deklarierten Containern an Sortieranlagen in Polen und Litauen verkauften. Besonders begehrt ist gut erhaltene Markenkleidung, Pullover und Blusen, die in den dortigen Secondhandboutiquen zu ähnlich hohen Preisen wie in Deutschland verkauft werden. Pullover wurden in großen Mengen nach Indien exportiert, wo die Wolle von Hand aufgereppelt und zu neuen Fasern verarbeitet wird. So entstehen aus alten Kaschmirpullovern neuwertige, teure Kaschmirschals. 

Seit 2018 haben die Verbraucher mehr Alttextilien zu den Sammelcontainern getragen als je zuvor, doch wegen der schlechteren Qualität sank der Anteil der für den Secondhandverkauf geeigneten Kleidungsstücke von 55 Prozent auf 50 Prozent. 40 Prozent des gesamten Alttextilaufkommens konnten früher durch das Wertstoffrecycling zu Putzlappen, Bau-Dämmstoffen oder Garn verarbeitet werden. Zuletzt aber waren nur noch 35 Prozent der Lumpen dafür geeignet. 

Demzufolge blieb mehr Restmüll für die thermische Verwertung übrig – ein Problem für die Verwerter, da 200 bis 300 Euro anfallen, um eine Tonne Textilabfälle zu vernichten. Schon wurde die Befürchtung geäußert, dass die deutschen Sortierbetriebe ins Nachbarland Polen abwandern könnten.

Zunehmend machte den Verwertern auch ein Absatzproblem der Secondhandware in Afrika Sorgen. So verboten immer mehr afrikanische Länder den Import von gebrauchten Textilien aus Europa und den USA, damit sich vor Ort wieder eine Textilindustrie entwickeln kann. Aktuell sind nicht nur die afrikanischen Märkte geschlossen. Weltweit ist den deutschen Akteuren der Alttextilbranche zurzeit weder die Vermarktung von tragbarer Secondhandkleidung und noch von Produkten des sogenannten Putzlappensegments möglich. Einige Sortierbetriebe haben Kurzarbeit beantragt. Die Recycler sind bestrebt, ihre betrieblichen Strukturen trotz Corona-Beschränkungen aufrecht zu erhalten, um später wieder ihre Vereinbarungen mit den Kommunen erfüllen zu können.