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28.08.20 / Bedingungsloses Grundeinkommen Voraussetzungsloser Konsum ist zweifellos wünschenswert. Die Frage ist, inwieweit eine Gesellschaft ihn allen ihren Mitgliedern langfristig ermöglichen kann / Der Computer macht nicht alles / Die Befreiung des Menschen vom Arbeitszwang durch die Digitalisierung hat Grenzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35 vom 28. August 2020

Bedingungsloses Grundeinkommen Voraussetzungsloser Konsum ist zweifellos wünschenswert. Die Frage ist, inwieweit eine Gesellschaft ihn allen ihren Mitgliedern langfristig ermöglichen kann
Der Computer macht nicht alles
Die Befreiung des Menschen vom Arbeitszwang durch die Digitalisierung hat Grenzen
Dirk Pelster

Als die Bundesregierung nach dem angeordneten Lockdown der Wirtschaft die Schleusen für Kurzarbeitergeld und andere finanzielle Soforthilfen öffnete, flackerte damit auch die Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen wieder auf. SPD-Chefin Saskia Esken zeigte sich gegenüber diesem Vorschlag jedenfalls offen.
Die Befürworter einer solchen staatlichen Leistung führen zahllose Argumente ins Feld, die sich durchaus sehen lassen können. Sie reichen von philosophischen Überlegungen bis hin zu ganz praktischen Erwägungen. Dem Einzelnen würde so ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Menschen, die sich nicht mehr allein auf ihren Broterwerb konzentrieren müssten, könnten sich verstärkt sozialen Aufgaben widmen und würden somit einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Die Existenzsicherung durch ein bedingungsloses Grundeinkommen würde dazu führen, dass Arbeitgeber Tätigkeiten im Niedriglohnsektor künftig besser entlohnen müssten, da es dort dann nicht mehr so einfach sei, Arbeitskräfte zu rekrutieren. Teile der Sozialverwaltung könnten abgebaut werden, weil man kein Personal mehr benötige, um Sanktionen zu prüfen oder durchzusetzen. Gerne verweisen die Anhänger eines Grundeinkommens zudem auf die zu erwartenden Produktivitätssteigerungen durch die Digitalisierung. Durch sie könnten einerseits die Kosten für ein solches Projekt bestritten werden, und zum anderen würde es in Zukunft ohnehin nicht mehr genügend Arbeit für alle geben (siehe Seite 7).

Es droht ein Teufelskreis

Die Gegner eines solchen Vorhabens haben ebenso zahlreiche Argumente. Der wohl bedeutendste Einwand besteht in der Finanzierbarkeit eines bedingungslosen Grundeinkommens. Dabei kommt es zunächst auf die geplante Höhe der Leistung an. Würde man sie auf das Existenzminimum begrenzen, bestünde durchaus die Möglichkeit, die hohen Summen aufzubringen, denn der Staat wendet bereits heute einen Großteil seines Etats für verschiedene Sozialleistungen auf, die man alsdann streichen könnte. So wären Zuwendungen wie das Arbeitslosengeld II oder Hilfen zum Leben im Alter künftig einsparbar, wenn stattdessen ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgekehrt werden sollte. Auch würde eine solche neue und einheitliche Leistung durchaus dazu führen, dass sich bislang bestehende Kapazitäten in der Sozialverwaltung abbauen ließen und man die freiwerdenden Mittel stattdessen den Bürgern direkt zugutekommen lassen könnte.
Doch bereits hier ist Vorsicht geboten, denn die Lebensverhältnisse in Deutschland unterscheiden sich nicht unbeachtlich. Zahlt man monatlich jedem Bürger die gleiche Summe eines staatlichen Grundeinkommens auf sein Konto, so ließe sich damit in Vorpommern möglicherweise noch auskömmlich leben, wohingegen man in München noch nicht einmal mehr die Miete bestreiten könnte. Das heutige Wohngeld berücksichtigt solche Unterschiede bereits.

Würde man in die Berechnung eines Grundeinkommens ähnliche Anpassungsmechanismen einbauen, fielen die Einsparpotenziale in der Sozialbürokratie entsprechend geringer aus.
Selbst wenn eine solch neue Sozialleistung unter aktuellen Gegebenheiten und anhand der absolut zur Verfügung stehenden Mittel bestreitbar sein sollte, bliebe immer noch die Frage, ob ein Grundeinkommen unter den dann einsetzenden Veränderungen in der Wirtschafts- und Arbeitswelt finanzierbar bliebe. Würde man jedem Bürger – unabhängig von seinem derzeitigen Einkommen – zusätzlich einen monatlichen Betrag auszahlen, der nach derzeitigem Stand das Existenzminimum abdeckt, so ist davon auszugehen, dass viele Menschen künftig weniger oder zum Teil auch gar nicht mehr arbeiten würden.

Dies wiederum würde in der Folge dazu führen, dass Arbeitgeber zusätzliche Lohnanreize schaffen müssten, um Arbeitnehmer für die Erledigung der anfallenden Aufgaben zu gewinnen, was wiederum zu einer Verteuerung der von diesen erstellten Produkte und Dienstleistungen führen würde. Eine allgemeine Preissteigerung hätte jedoch zur Folge, dass der zunächst für ein existenzsicherndes Grundeinkommen festgesetzte Betrag schnell nicht mehr ausreichen würde und erhöht werden müsste, was in einem Teufelskreislauf münden würde.
Dieser Fakt lässt sich nicht ohne Weiteres mit einem Verweis auf die Digitalisierung und ein ohnehin schwindendes Arbeitsaufkommen in der Zukunft kontern. Trotz bahnbrechender Entwicklungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie hat die allgemeine Arbeitsproduktivität in den Staaten Europas in den letzten zwei Jahrzehnten kaum zugenommen, was sich vor dem regierungsamtlich verhängten Lockdown noch in einem Allzeithoch sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse ausgedrückt hatte.
Es ist daher nicht anzunehmen, dass die Arbeit allzu rasch aus der Lebenswelt der Menschen verschwindet.