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28.08.20 / Echt anbetungswürdig / Wie kommt ein Ikonen-Museum ins Ruhrgebiet? Recklinghausen überrascht mit seltenen Heiligenbildern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35 vom 28. August 2020

Echt anbetungswürdig
Wie kommt ein Ikonen-Museum ins Ruhrgebiet? Recklinghausen überrascht mit seltenen Heiligenbildern
A. Rüdig und H. Tews

Stilikonen sind Personen, deren Stil anderen Menschen als Vorbild dient. In der Regel geht es dabei um Äußerlichkeiten wie Bekleidung, Frisur, Accessoires, Figur, Auftreten und Benehmen. Im Ikonen-Museum Recklinghausen sind sie nicht vertreten. Dort sind die Art Ikonen vertreten, wie wir sie aus den orthodoxen Kirchen Osteuropas kennen.
Die 3000 Werke umfassende Sammlung, von denen nur ein kleiner Teil ausgestellt ist, stammen überwiegend aus Russland sowie aus Griechenland, Äthiopien und den Balkanstaaten und sind zum Teil Jahrhunderte alt. Sie zeigen neben biblischen Themen vorrangig die Marien- und Heiligenverehrung. Pfingsten, Ostern, die Kreuzerhebung, die Kreuzigung Jesu und seine Himmelfahrt sowie das Jüngste Gericht sind hier beliebte Themen. Gemalte Ikonen werden neben Stickereien, Miniaturen sowie Holz- und Metallarbeiten präsentiert.
Einen kleinen Stilbruch bietet die koptische Sammlung. Sie beschreibt den Übergang von der heidnischen Spätantike zum frühen Christentum in Ägypten. Von Ikonen gibt es hier also keine Spur. Hier sind Reliefs aus Holz und Stein, Gläser, Bronzen, Gewebe, Kreuze sowie Mumienporträts zu sehen – also eigentlich Gegenstände, die der Besucher so nicht in einem Ikonen-Museum erwarten würde.

Privatsammlern sei Dank

Gegenüber der Propsteikirche St. Peter in einem historischen Gebäude untergebracht, gilt das Ikonenmuseum Recklinghausen heute als das bedeutendste Fachmuseum seiner Art in Westeuropa und die Sammlung als die umfangreichste außerhalb der orthodoxen Kirchenwelt.
Dass sich ausgerechnet im eher weltlich geprägten Ruhrgebiet ein Museum mit christlicher Ikonografie befasst, kann man wohl als einmalig bezeichnen. Die Geschichte des Museums reicht bis ins Jahr 1955 zurück. Damals wurde in der nahegelegenen Kunsthalle Recklinghausen eine Werkschau mit Ikonen aus westdeutschem Privatbesitz gezeigt. Thomas Grochowiak, dem damaligen Leiter der Kunsthalle, gelang es, 73 aus der Sammlung von Heinrich Wendt und Martin Winkler anzukaufen. Er legte damit den Grundstock für die Sammlung, die bis heute regelmäßig durch Schenkungen und Ankäufe erweitert wird.

Dazu gehört auch die „Ikonen-Sammlung Dr. Reiner Zerlin“, die noch bis diesen Sonntag im Ikonen-Museum zu sehen ist. Im Jahr 2019 hat der passionierte Kunstsammler Zerlin seine hochwertige Sammlung ostkirchlicher Kunst der Stadt Recklinghausen geschenkt. Die Sammlung umfasst fast 250 Objekte aus dem Bereich der ostkirchlichen Kunst. Es handelt sich zu einem großen Teil um frühe Ikonen aus dem 15. bis 17. Jahrhundert, die überwiegend aus den beiden Kernländern der Orthodoxie, Russland und Griechenland, stammen. Der größte Schatz ist dabei das Fragment einer Christus-Ikone, das noch aus byzantinischer Zeit stammt.

Auch wenn nicht gerade eine Sonderausstellung zu sehen ist, lohnt sich ein Besuch jederzeit. Die Ausstellungsfläche mag überschaubar sein und die Zahl der Exponate bietet bestenfalls einen guten Überblick über die Vielfalt der Ikonen. Doch das muss kein Nachteil sein, wird so doch auf einfache Weise auch ein Publikum in dieses kunstgeschichtliche Spezialgebiet eingeführt, das nicht vom Fach ist. Und man erfährt: Eine Stilikone scheint Jesus Christus bis heute zu sein. Männliche Besucher mit Zottelbart, wie ihn der Herr und Gebieter nach Vorstellung seiner Maler trug, sind in dem Museum immer häufiger anzutreffen.

Foto: Ikonen-Museum Kirchplatz 2a, 45657 Recklinghausen, geöffnet täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr. Eintritt:
6 Euro. www.ikonen-museum.com