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28.08.20 / Militärhistorisches Museum der Bundeswehr / Macht Krieg wirklich Nation? / Das suggeriert zumindest eine Sonderausstellung über die deutschen Einigungskriege und die Reichsgründung vor 150 Jahren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35 vom 28. August 2020

Militärhistorisches Museum der Bundeswehr
Macht Krieg wirklich Nation?
Das suggeriert zumindest eine Sonderausstellung über die deutschen Einigungskriege und die Reichsgründung vor 150 Jahren
Wolfgang Kaufmann

Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr (MHM) in Dresden gilt neben dem Haus der Geschichte in Bonn, dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg und dem Deutschen Historischen Museum in Berlin als eines der vier großen Geschichtsmuseen in Deutschland. Seit seiner Wiedereröffnung nach siebenjähriger Umgestaltung im Oktober 2011 folgt es dem Leitgedanken, eine „Kulturgeschichte der Gewalt“ zu präsentieren. Erklärtes Ziel ist dabei, kritische Distanz zu den Exponaten zu schaffen, um jedweder Faszination für Militärtechnik entgegenzuwirken.

Das wird zum einen dadurch versucht, dass man die Mehrzahl der 45.000 zusammengetragenen Großgeräte und Waffen gleich gar nicht erst aus den Depots holte. Zum anderen lässt die Präsentation der wenigen, letztlich dann doch gezeigten Objekte imposanteren Ausmaßes sehr zu wünschen übrig. Das gilt sowohl für die Dauerausstellung als auch die regelmäßigen Sonderschauen, wie die jetzt gerade neu eröffnete, die den Titel „KRIEG MACHT NATION – Wie das deutsche Kaiserreich entstand“ trägt und noch bis zum 31. Januar zu sehen sein soll.
Hier obsiegt einmal mehr die kulturgeschichtliche Perspektive. Dazu kommt ein höchst skeptischer, ja widerwilliger Blick auf die Idee von der Nation im Allgemeinen und der deutschen, der angeblich vor 150 Jahren durch die Reichseinigung im Gefolge des Deutsch-Französischen Krieges zur Geltung verholfen wurde, im Speziellen: „Nation war schon immer ein schwieriger, komplizierter Begriff. Wir wollten zeigen, dass Nation nichts Selbstverständliches oder Naturgegebenes ist“, meinte hierzu die Kuratorin der Ausstellung, Katja Protte. Doch das stellt nur die eine Seite der Medaille dar. Ebenso fehlt jedweder Beleg für die Richtigkeit der implizit durch die Wahl des Titels der Exposition formulierten These, dass die deutsche Nation aus den drei Einigungskriegen hervorgegangen sei. Das gilt für beide Teile der Ausstellung.

„Kulturgeschichte der Gewalt“

Der Erste ist eine recht konventionell anmutende Themenstrecke im Erdgeschoss des „dekonstruktivistisch“ verunstalteten Hauptgebäudes am Olbrichtplatz mit folgenden Eckpunkten: Nation und Revolution 1848, Deutsch-Dänischer Krieg 1864, Deutscher Krieg 1866, Deutsch-Französischer Krieg 1870/71 und Gründung des Deutschen Reiches 1871. Hier kommen nicht nur die unzähligen deutschen Patrioten von damals, sondern auch „Gegner einer kriegerischen Reichsgründung unter preußischer Führung“ zu Wort. Beispielsweise zitieren die Ausstellungsmacher den sächsischen Redakteur Wilhelm Obermüller, dem die Beteiligung seines Königreiches am Krieg gegen Frankreich ein Dorn im Auge war. Ansonsten zeigt dieser Abschnitt der Exposition aber lediglich das Wechselspiel zwischen Monarchie und Nationalismus, wobei das Aufkommen des Letzteren absolut nichts mit der Herausbildung der deutschen Nation als solches zu tun hatte. Zugleich schweben viele der offenkundig unter kulturgeschichtlichen Aspekten ausgewählten 500 Exponate thematisch weitgehend im luftleeren Raum. So wie beispielsweise die Hörner des letzten während der Belagerung von Paris geschlachteten Rindes.

Die Frage der Relevanz stellt sich gleichermaßen bei einer Schuhbürste mit den Jahreszahlen 1870 und 1914 oder dem Konvolut aus 56 Reservisten-Bierkrügen im zweiten Teil der Ausstellung im rückwärtigen Nebengebäude des MHM. Dieses erreicht der Besucher per Fußmarsch durch die Außenanlagen des Museums, in denen heute deutlich weniger große Waffensysteme stehen als noch vor einigen Jahren. Absolutes „Highlight“ soll dort das monumentale kreisförmige Schlachtenpanorama „Die Erstürmung von St. Privat am 18. August 1870“ sein. Das Werk war von dem prominenten Historienmaler Louis Braun geschaffen und von 1883 an in einem speziellen Gebäude an der Prager Straße in Dresden gezeigt worden. Allerdings handelt es sich bei der aktuellen Ausführung nur um eine verkleinerte, monochrome „Nachinszenierung“ des Panoramas, das seinerzeit Furore gemacht hatte. Deshalb fehlt ihm die künstlerische Ausstrahlung des Originals – und Details sind aufgrund der fehlenden Farbigkeit und der miserablen Beleuchtung vor Ort ebenfalls schwer zu erkennen.

Apropos Sichtbarkeit: Die Sonderausstellung krankt wie die Dauerausstellung des MHM auch an einer durchgängig schlechten Erkennbarkeit vieler Exponate und mangelnden Lesbarkeit der Beschriftungen aufgrund des zu sparsamen Einsatzes von Lampen und der Verwendung zu kleiner Buchstaben. Schließlich verfügt nicht jeder Besucher des Museums über das Sehvermögen eines Bundeswehrscharfschützen.

Ansonsten dominieren in dem Raum rund um das Panoramabild gleichermaßen wieder die kulturgeschichtlichen Themen. Hier geht es nun beispielsweise um den „Krieg im Kinderzimmer“, Reservisten-Vereine und Bismarck-Denkmäler. Einzig die Ecke „Feuerkraft“ bietet ein paar Informationen zu den Waffen, die in den angeblich „fast vergessenen“ drei Kriegen von 1864, 1866 und 1870/71 auf deutscher Seite eingesetzt worden waren. Zwei davon sind dann auch die größten Exponate im Rahmen der Sonderschau. Hierbei handelt es sich um Vier-Pfünder-Feldkanonen vom Typ C/67 der 2. Leichten Feld-Batterie des Rheinischen Feld-Artillerie-Regiments Nr. 8, genannt „Batterie Leo“.

Zu wenig Licht und zu kleine Schrift

Zur Untermauerung des Postulates, dass die genannten militärischen Konflikte die deutsche Nation hervorgebracht hätten, taugen sie freilich genauso wenig wie der Rest des Gezeigten. Aber letztlich kann der Besucher ja auch gar nichts anderes erwarten – schließlich existierte die deutsche Nation als Kollektiv von Menschen mit gemeinsamen Merkmalen im Hinblick auf Abstammung, Kultur und Sprache schon lange vor dem Jahre 1848, mit dem die Ausstellung einsetzt. Die deutsche Nation musste also im Gegensatz zu dem kleindeutschen Nationalstaat, der 1871 entstand, nicht erst von Otto von Bismarck oder irgendwelchen anderen Protagonisten von damals „gemacht“ werden, wie das Militärhistorische Museum suggeriert. Die Frage ist nun freilich, ob auch Laien in der Lage sind zu erkennen, dass die deutsche Nation kein Kind von Krieg und Gewalt ist. Denn andernfalls könnte die Exposition bei manchen Besuchern Abscheu gegenüber dem Deutschsein auslösen.

Nähere Informationen erteilt das Militärhistorische Museum der Bundeswehr, Olbrichtplatz 2, 01099 Dresden, Telefon (0351) 823-0, Fax (0351) 823-2805, E-Mail: mhmeingang@bundeswehr.org, Internet: https://mhmbw.de/