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28.08.20 / Kulturreise / Schaurig-schöne Hafenstadt / Zu Besuch bei Graf Dracula – In Whitby in der englischen Grafschaft Yorkshire entstand einer der bekanntesten Schauerromane

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 35 vom 28. August 2020

Kulturreise
Schaurig-schöne Hafenstadt
Zu Besuch bei Graf Dracula – In Whitby in der englischen Grafschaft Yorkshire entstand einer der bekanntesten Schauerromane
Bettina Müller

Zart besaiteten Zeitgenossen kann ein Besuch in der nordenglischen Küstenstadt Whitby schon mal das Fürchten lehren. Besonders im dunklen Herbst oder im Winter verwandelt sich der Ort im Norden der Grafschaf Yorkshire schon mal in eine Art Geisterstadt, über der die altehrwürdige Ruine von Whitby Abbey thront, die noch von der Kirche von St. Mary komplettiert wird. Und die hat natürlich noch einen obligatorischen uralten Friedhof mit vielen windschiefen Grabsteinen an ihrer Seite.

Der irische Schriftsteller Bram Stoker war an dem schauerlichen Ruf der Stadt nicht ganz unschuldig, weil er seinen Lesern mit seinem Graf Dracula das Fürchten lehrte, der auch in Whitby sein Unwesen trieb. Zumindest auf dem Papier. Die Faszination des sinistren Grafen, der sich als Untoter auf ewig durch Raum und Zeit biss, ist bis heute ungebrochen.
Im Jahr 1890 kam der damals 43-jährige Abraham (Bram) Stoker nach Whitby. Zu der Zeit hatte er bereits zwei Romane geschrieben. Nun suchte er nach Inspirationen für ein neues Buch über einen mysteriösen Untoten, das ganz im Zeitgeist der Schauerromane verhaftet sein sollte mit einer Welt voller geheimnisvoller Wesen, Ruinen und Burgen. Solche Werke waren Verkaufsschlager, begierig erwartet von den viktorianischen Lesern, die sich gerne mal gepflegt gruseln wollten, bis der Diener dann den Schlaftrunk brachte und den Spuk beendete. Albträume hatten sie dennoch.

Eine Woche hatte Stoker in Whitby Zeit für sich, bevor dann Ehefrau Florence und Sohn Irving nachgereist kamen. In seinem Kopf nahm der Roman mit seinem unheimlichen Protagonisten und dessen Opfern auf seinen täglichen Spaziergängen von der Stadt bis hoch zur alten Abteiruine so langsam gruselige Gestalt an.
Das Szenario war wahrhaft ein gefundenes Fressen für den Autor, der geradezu nach einer unerklärlichen Aura gierte: „Es geht die Sage, dass sich öfter in den Fenstern eine weiße Frau sehen lasse“, hieß es zum Beispiel über die Ruine, und Stoker befeuerte den Mythos noch zuverlässig an anderen Stellen im Roman.
Inspiriert wurde er in Whitby auch zu der Verwendung des in der englischen Mythologie verhafteten Fabelwesens des großen schwarzen Hundes, der mit dem Totenschiff samt Graf Dracula im Sarg nach Whitby kommt: „Das Seltsamste war, dass in dem Moment, als das Auflaufen erfolgte, ein großer Hund, wie erschreckt durch den Stoß, auf Deck kam und vorwärtsrennend vom Bug auf den Sand sprang.“

Dass Dracula von seinem Schloss im rumänischen Siebenbürgen zunächst auf dem Landweg und dann von einem Hafen aus per Schiff anreiste, hatte Stoker auch einer Erzählung aus Whitby zu verdanken. Fünf Jahre zuvor war die russische Schonerbrigg „Dmitry“ auf Grund gelaufen, woraus dann im Roman die „Demeter“ wurde.
Heute wird dem Grafen in Whitby mit der eher wenig furchteinflößenden Ausstellung „The Dracula Experience“ gehuldigt. Mit Sicherheit gelangt man danach ohne Bisswunden ins Freie. Der Schlaf bleibt dennoch unruhig, wenn ein Hund in der Nacht bellt.