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04.09.20 / Gesellschaft und Politik / Ein hilfreiches Buch / In seiner neuen Streitschrift widmet sich der Volkswirt, Politiker und Autor Thilo Sarrazin der „Wirkung von Einwanderung in Geschichte und Gegenwart“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36 vom 04. September 2020

Gesellschaft und Politik
Ein hilfreiches Buch
In seiner neuen Streitschrift widmet sich der Volkswirt, Politiker und Autor Thilo Sarrazin der „Wirkung von Einwanderung in Geschichte und Gegenwart“
Josef Kraus

Mit der Präzision eines Kalenders veröffentlicht Ex-Senator, Ex-Bundesbanker und nunmehr Ex-SPD-Mitglied Thilo Sarrazin seit 2010 alle zwei Jahre ein neues Buch. Wer auch nur eines der bislang fünf Sarrazin-Bücher gelesen hat, weiß, dass der Autor in jede seiner Schriften größten Fleiß, unerschöpfliches Durchhaltevermögen, umfassendste Recherchearbeit und tiefschürfende Begleitlektüre investiert. Sarrazins Bücher gelten gleichwohl als politisch nicht korrekt. Kanzlerin Merkel meinte bereits nach dem ersten Sarrazin-Buch „Deutschland schafft sich ab“ (2010), dass dieses Buch „nicht hilfreich“ sei. Nun ja, hätte Merkel dieses 2010er Buch gelesen, wäre sie im Spätsommer 2015 mit ihrer auch rechtlich höchst fragwürdigen Grenzöffnung nicht in die Humanitarismus-Falle getappt. Und hätte die SPD dieses Buch ihres nun gefeuerten und Nicht-mehr-Parteimitglieds gelesen, wäre sie vermutlich nicht auf 15 Prozent im Westen und auf unter zehn Prozent im Osten der Republik abgestürzt.

Realitäten statt „Thesen“ 

Inwieweit diese aktuellen Hintergründe auf die Rezeption des neuen „Sarrazin“ einwirken, wird sich zeigen. Bislang stürzte sich die linkslastige Mainstream-Presse auf jedes Buch Sarrazins, um es zu skandalisieren: „Islamophob“, „xenophob“, „rassistisch“ seien seine Thesen; so betet es übrigens auch die SPD, Sarrazins (vormalige) Partei, vor. Auseinandergesetzt hat sich niemand aus diesen politischen und publizistischen Zirkeln mit Sarrazins Büchern. Sonst könnten die Kritiker nicht von „Thesen“ sprechen, sondern müssten zur Kenntnis nehmen, dass Sarrazin Realitäten beschreibt. Unleugbare, etwa hinsichtlich Demographie, Gewaltkriminalität, Bildungsniveau, Kosten und so weiter. Aber dem heute vielfach üblichen, auch öffentlich-rechtlichen Haltungs- und Gesinnungsjournalismus geht es weniger um „richtig“ versus „falsch“, sondern um „gut“ versus „böse“. Den Triumph der Gesinnung über die Urteilskraft hat Hermann Lübbe dies einmal genannt.

Nun also zum 31. August 2020 der neue „Sarrazin“ mit dem Titel: „Der Staat an seinen Grenzen. Über Wirkung von Einwanderung in Geschichte und Gegenwart“. Was bewegte den Autor hier? Auf Seite 349 schreibt er dazu: „Die Erkenntnis, dass Massenauswanderung aus Afrika und dem westlichen Asien den betroffenen Ländern bei der Lösung ihrer Probleme nicht hilft, für die Zielländer in Europa aber in vielerlei Hinsicht bedrohlich und potenziell destabilisierend ist, war der Anlass, dieses Buch zu schreiben.“ 

Kompendium zur Weltgeschichte der Einwanderung

Der welthistorisch interessierte Leser wird auf den ersten 170 Seiten des neuen Sarrazin-Buches auf seine Kosten kommen. Das Kapitel 1 ist das mit Abstand längste des Buches, es ist überschrieben mit „Zur Weltgeschichte der Einwanderung“. Darüber kann man auch Tausende von Seiten und zig Bücher lesen. Der Volkswirt und Banker Sarrazin hat das offensichtlich sehr intensiv getan. Denn dieses Kapitel bietet in kompakter Form, was man über Zehntausende an Jahren der Migration wissen sollte. Der Autor selbst nennt das Kapitel einen „Parforce-Ritt“ durch die Menschheitsgeschichte und begründet dies mit der Bemerkung: „Geschichte wiederholt sich zwar nicht, dennoch kann man in Bezug auf die Ursachen, Wirkungen und Folgen von Einwanderung sehr viel aus ihr lernen: Wann, für wen und aus welchen Gründen war Einwanderung ein Segen, und wann war sie ein Fluch.“

Sarrazins menschheitsgeschichtlicher Rückblick reicht von der Wiege des „Homo sapiens“ vor 200.000 bis 100.000 Jahren in Afrika über dessen Wanderungen nach Europa, Asien und Australien bis hin zu frühen Hochkulturen, vor allem in Ägypten und Israel. Über Rom und Athen kommt Sarrazin auf die Germanen zu sprechen, näherhin auf Goten, Westgoten, Ostgoten, Burgunder, Sueben, Vandalen, Alemannen, Franken, Langobarden, Sachsen, Angeln, Angelsachsen, Wikinger und Normannen. Dezidiert widmet er sich den Arabern und dem islamischen Kalifat. Er scheut sich nicht, deutlich zu machen, dass die ausgeprägteste Form von Sklaverei im islamischen Kulturkreis stattgefunden habe.

Zur Sprache kommen ferner Indien, China, Japan, das Osmanische Reich sowie die mittelalterliche deutsche Ostsiedlung. Gegen den historisch korrekten Strich gebürstet ist dann vor allem Sarrazins Darstellung des Kolonialismus und seiner Folgen. Er schreibt: „Nach dem Ende der Kolonialzeit vor 60 Jahren bleibt die Entwicklung in Afrika, insbesondere in Subsahara-Afrika, deutlich hinter anderen ehemaligen Kolonialgebieten zurück.“ An späterer Stelle wird Sarrazin noch deutlicher: „Es hat sich ein ausufernder postkolonialer Diskurs etabliert, der die Opferrolle der ehemaligen Kolonien in den Mittelpunkt stellt, aber z.B. um die koloniale Vergangenheit des Osmanischen Reiches einen großen Bogen macht.“ Das sei eine „Ideologie, die unter Verzicht auf historische Trennschärfe die Vergangenheit zulasten der Europäer moralisieren will“.

Migration in der Gegenwart

Politisch brisant wird es in dem Buch später, vor allem ab dem „Einschnitt 2015“. Ab hier macht Sarrazin deutlich, was ungesteuerte Masseneinwanderung mit Europa macht. Kanzlerin Merkel kommt dabei nicht gut weg. Sarrazin sieht als Konstante Spät-Merkelscher Politik durchgehend einen irrationalen Humanitarismus. Diesen belegt er unter anderem mit Merkels Zustimmung zum „Migrationspakt“ der UN. Dieser UN-Migrationspakt, zu dessen Unterzeichnung Merkel im Dezember 2018 extra nach Marrakesch geflogen war, verspricht Migration als Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung; er klammert allerdings den entscheidenden Grund für die Migrationsströme der Gegenwart, nämlich die anhaltende Bevölkerungsexplosion in Afrika sowie im Nahen und Mittleren Osten, völlig aus. Sarrazin dazu wörtlich: „So baut der gesamte Migrationspakt strategisch auf einer an den Anfang gesetzten fundamentalen Lüge auf ...“ Und weiter mit Blick auf Merkel: „Es bleibt ein Rätsel und eine Schande, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Abkommen mit solchen Texten im Namen Deutschlands unterschrieben hat.“

Für Deutschland und Europa zieht Sarrazin die Schlussfolgerung: „Eine wirksame quantitative Begrenzung der Einwanderung aus Afrika und dem westlichen Asien ist für Deutschland und Europa eine vitale politische und gesellschaftliche Notwendigkeit. Für die Legitimation des demokratischen Systems kann sie zu einer Überlebensfrage werden.“ Und diejenigen, die etwa nach Deutschland einwandern wollten, müssten laut Sarrazin auch die Bereitschaft mitbringen, die in Deutschland geltende „Leitkultur“ zu verinnerlichen. Darüber hinaus fordert der Autor ein wirksames Grenzregime, eine Beschleunigung der Asylverfahren auf eine Dauer von maximal 30 Tagen, eine konsequente Abschiebepraxis sowie ein Zurück beim Asyl-Artikel 16 des Grundgesetzes hin zum Grundsatz, der bei dessen Einführung galt. 

Ein Feuerwerk an Fakten

Von der deutschen Entwicklungshilfepolitik erwartet Sarrazin, dass Transferleistungen nur noch erfolgen sollen, wenn die betreffenden Herkunftsländer der „Schutzsuchenden“ bei deren Rückführung und deren Identitätsüberprüfung behilflich sind. Flüchtlinge, die mit Hilfe von Schleppern den Weg über das Mittelmeer wählen, sollten aufgelesen und an ihren Ausgangspunkt zurückgebracht werden – gegebenenfalls unter militärischem Schutz. Militärische Interventionen als Methode zur Bekämpfung von Fluchtursachen sieht Sarrazin allerdings sehr skeptisch: „Bei der Betrachtung aller militärischen Interventionen des Westens in Afrika und dem westlichen Asien über die vergangenen Jahrzehnte hinweg verspüre ich eine tiefe innere Spaltung. Möglicherweise hätte eine strikte Politik der Nicht-Intervention dazu geführt, dass Konflikte schneller ausbrennen und dass sich neue Machtstrukturen schneller etablieren, sodass es vielleicht sogar weniger Blutvergießen gegeben hätte.“

Alles in allem: Die Lektüre aller 480 Seiten von „Sarrazin Nummer 6“ samt der über 600 Querverweise, Belege, Quellen und so weiter lohnt. Das Buch ist ein Feuerwerk an Fakten, Belegen, Quellen, Tabellen, Argumenten, die jeder braucht, der sich um dieses, das Land spaltende Thema kümmert oder der hier sachgerecht mitdiskutieren will. Hierfür ist das Buch sehr „hilfreich“.

Thilo Sarrazin: „Der Staat an seinen Grenzen. Über Wirkung von Einwanderung in Geschichte und Gegenwart“, München, Langen Müller, gebunden, 480 Seiten, 26 Euro





Zitate aus „Der Staat an seinen Grenzen“

„Was in Südafrika oder in Somalia schiefläuft, kann nicht in Deutschland oder Europa geheilt werden.“ (S. 12)

„Eine quantitativ überragende Rolle spielte bis ins 20. Jahrhundert hinein die Sklaverei im islamischen Kulturkreis … Die systematische Sklavenjagd durch Raubzüge aus der islamischen Welt begann um 650 und endete erst um 1920 im Wesentlichen durch die Interventionen der Kolonialmächte in Afrika.“ (S. 90/91)

Zur großen Hoffnung, die in das Ende der Apartheid in Südafrika gesetzt wurde, schreibt Sarrazin: „Diese Hoffnung hat sich nicht bestätigt. In Südafrika breitete sich eine Flut von Korruption aus. Das Bildungswesen ging zurück, wo südafrikanische Universitäten Weltgeltung hatten, haben sie diese verloren. Das Wirtschaftswachstum stagniert, Ausfälle in der Infrastruktur nehmen zu. Anstatt dass Südafrika andere Staaten Subsahara-Afrikas auf sein Niveau hochzieht, gleicht es sich eher nach unten an das allgemeine subsaharische Niveau an.“ (S. 139)

„Es ist für ein Land ein großes Glück und eine gute Voraussetzung künftiger Stabilität, wenn seine Bevölkerung eine gewisse ethnische und kulturelle Homogenität aufweist und frei von religiösen Spannungen durch islamische Bevölkerungsgruppen ist.“ (S. 171/172)

„Besonders absurd … wird es, wenn die indogermanische Einwanderung vor 5000 Jahren heutzutage als scheinwissenschaftliche Begründung dafür dienen soll, dass es sich bei der Massenzuwanderung seit 2015 um einen ganz normalen, quasi routinehaften Vorgang der Menschheitsgeschichte handle, den nur Deppen oder Rassisten anders als normal und organisch wahrnehmen könnten.“ (S. 196)

„Ein Wohlfahrtsstaat ohne wirksam geschützte Grenzen ist nicht überlebensfähig.“ (S. 223)

Zum UN-Migrationspakt vom Dezember 2018: „Es bleibt ein Rätsel und eine Schande, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Abkommen mit solchen Texten im Namen Deutschlands unterschrieben hat.“ (S. 234)

„Besser wäre es für alle Seiten, wenn die Tüchtigsten und Qualifiziertesten im Herkunftsland verblieben, um dort die Entwicklung anzustoßen.“ (S. 269)

„Auch die Menschen in Mali können den Lebensstandard der Franzosen genießen, wenn sie eine vergleichbare Mentalität ausbilden, ihre Bevölkerungsexplosion in den Griff bekommen, vergleichbare Institutionen schaffen, ein vergleichbares Bildungssystem entwickeln und vergleichbar fleißig und produktiv sind. Das gilt grundsätzlich für jedes Land auf der Erde.“ (S. 272/273)

„Mit 30 Millionen Quadratkilometern ist Afrika dreimal so groß wie Europa. Es verfügt über sehr günstige Klimazonen, über 60 % aller Böden auf der Welt, die für landwirtschaftliche Nutzung geeignet sind, und über ungeheure Bodenschätze.“ (S. 354)

„Das Verhalten Ungarns, und nicht die Vereinbarung Angela Merkels mit Erdogan, war im März 2016 entscheidend für die Unterbrechung der Balkanroute und das Abebben des Flüchtlingsstroms.“ (S. 380)