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04.09.20 / Bildung / Jungen unterrepräsentiert / Mangel an männlichen Vorbildern wegen weiblicher Dominanz bei Erziehern und Lehrkräften

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36 vom 04. September 2020

Bildung
Jungen unterrepräsentiert
Mangel an männlichen Vorbildern wegen weiblicher Dominanz bei Erziehern und Lehrkräften
Friedrich List

Vor Kurzem erschien der nationale Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2020“. Die Bildungsberichte sollen alle zwei Jahre über die aktuelle Situation im deutschen Bildungswesen informieren. Sie entstehen im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Bildungsexperten nehmen für diese Berichte nicht nur die Schulen unter die Lupe, sondern auch Kitas, Hochschulen, die berufliche Bildung und die Weiterbildung im Erwachsenenalter. Federführend ist hierbei das DIPF – Leibnitz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. 

Für den Bereich der schulischen Bildung sieht der diesjährige Bericht eine Stagnation beim bisherigen Trend zu höheren Abschlüssen. In einigen Bundesländern schaffen weniger junge Menschen den Sprung auf das Gymnasium. Außerdem sinkt auch die Zahl derjenigen, welche die Mittlere Reife oder das Abitur erreichen. Und schon seit 2013 verlassen jedes Jahr mehr Jugendliche die Schule sogar ohne Hauptschulabschluss. 

Laut dem Bericht gelingt es bei einem wachsenden Teil der Schülerschaft nicht, für ein Mindestniveau beim Erreichen von Basiskompetenzen und entsprechenden Qualifikationen zu sorgen. Zudem konstatiert der Bericht für Kinder aus benachteiligten Gruppen deutlich schlechtere Ausgangsbedingungen. Der Report merkt zwar an, dass diese Benachteiligungen häufiger junge Männer und Jungen treffen als Mädchen und junge Frauen, bleibt aber nach Einschätzung der männerpolitischen Initiative MANNdat eine genauere Analyse des Problems wie auch genauere Daten schuldig: „Will man anschauen, in welchem Ausmaß junge Männer stärker betroffen sind als junge Frauen, sucht man vergeblich, selbst in den Tabellendaten“, so die Initiative in einem offenen Brief an das DIPF, „geschlechtsspezifische Daten sind hierzu im Bildungsbericht nicht vorhanden.“ 

Väter oft abwesend

Dabei schlagen auch Experten schon seit Jahren Alarm. Stichworte wie „Kleine Helden in Not“ oder „boys crisis“ verweisen darauf, dass Jungen im Schnitt größere Probleme haben, die Schule erfolgreich zu durchlaufen. Jungen verlassen häufiger die Schule ohne Abschluss als Mädchen, sie sind beim Abitur unterrepräsentiert. Dafür stellen sie aber die Mehrheit auf Förder- und Hauptschulen. Sogar zwei Drittel aller Förderschüler sind Jungen. Bei der Lesekompetenz liegen sie laut den letzten PISA-Studien hinter den Mädchen. Auch im unteren mathematischen Kompetenzbereich finden sich mehr und mehr Jungen. So wiesen laut PISA 2015 15,9 Prozent aller Jungen Defizite im mathematischen Bereich auf, 2018 waren es dann schon 20,8 Prozent. 

Außerdem fallen Jungen den Lehrkräften häufiger negativ auf. Auf den Online-Seiten des Bayerischen Lehrverbandes verweist Clemens M. Schlegel auf eine Studie der Universität Bamberg von 2003. 1308 Grundschullehrer waren zu Verhaltensauffälligkeiten von 27.000 Grundschulkindern befragt worden. Laut Studie wurden Jungen ungleich häufiger denn Mädchen als „stark auffällig“ eingestuft. 

Tatsächlich fehlen bisher eindeutige Antworten auf die Frage nach den Ursachen. Schlegel vermisst Längsschnittstudien, die die einzelnen Faktoren in der Entwicklung von Jungen und Mädchen untersuchen und vergleichen. Er selbst sieht Gründe in der weiblichen Dominanz im Bildungswesen. Dadurch hätten Mädchen neben ihren Müttern auch Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen als Vorbilder. Den Jungen fehlten diese Vorbilder oft. Männer fehlten wegen Scheidung oder langen Arbeitszeiten in den Familien und seien auch im Lehrerberuf unterrepräsentiert. 

Jungenhafter Bewegungsdrang wird oft eingeschränkt. Dieter Dohmen vom Berliner Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie macht den starken Konformitätsdruck von Schule verantwortlich: „Es wird Zeit, dass wir zur Kenntnis nehmen, dass jeder Junge und jedes Mädchen ein Individuum ist, dem es gerecht zu werden gilt“, meint er. „Individuelle Stärken müssen gefördert und individuelle Schwächen bearbeitet werden, wenn sie sich verbessern lassen“, so Dohmen weiter. Zudem sollte Schule Fähigkeiten fördern, nicht nur abprüfbares Wissen.