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04.09.20 / „SCHWARZER SEPTEMBER“ / Als die Palästinenser den Kampf um Jordanien verloren / Vor 50 Jahren stellte die PLO im haschemitischen Königreich die Herrschaft Husseins I. erfolglos in Frage. Die Folgen beschränkten sich nicht auf ihre Vertreibung und ihr Ausweichen in den Libanon

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36 vom 04. September 2020

„SCHWARZER SEPTEMBER“
Als die Palästinenser den Kampf um Jordanien verloren
Vor 50 Jahren stellte die PLO im haschemitischen Königreich die Herrschaft Husseins I. erfolglos in Frage. Die Folgen beschränkten sich nicht auf ihre Vertreibung und ihr Ausweichen in den Libanon
Wolfgang Kaufmann

Mancher Bundesbürger denkt bei „Schwarzer September“ an die gleichnamige Terrororganisation, die 1972 das Münchner Olympia-Attentat verübte. Eigentlich und ursprünglich bezeichnen Palästinenser mit „Schwarzer September“ den September des Jahres 1970. Damals begann der Jordanische Bürgerkrieg zwischen jordanischen Sicherheits- und Streitkräften auf der einen sowie palästinensischen Guerillas und syrischen Truppen auf der anderen Seite, der mit der Vertreibung der palästinensischen Organisationen aus Jordanien endete.

Am ersten Tag dieses September 1970 verübte die marxistisch-leninistische Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP), die der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) angehörte, ein Attentat auf den jordanischen König Hussein I. Es misslang. Dieser Misserfolg hielt die Führung der mit der DFLP konkurrierenden, aber gleichfalls zur PLO zu zählenden Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) um George Habasch und Wadi Haddad alias Abu Hani nicht davon ab, weitere ebenso spektakuläre wie provokante Aktionen zu starten. Deren Ziel bestand darin, den brüchigen Waffenstillstand zwischen König Hussein und der Hauptfraktion innerhalb der PLO unter Jassir Arafat zu sabotieren, um einen Bürgerkrieg in Jordanien auszulösen.

So entführten PFLP-Terroristen am 6. September 1970 zeitgleich drei Flugzeuge: eine Boeing 707 der Trans World Airlines (TWA), eine Douglas DC-8 der Swissair und eine Boeing 747 der Pan American World Airways (Pan Am), die allesamt auf dem Wege zum John F. Kennedy International Airport in New York waren. 

Attentat auf Hussein I.

Eigentlich sollten sogar vier Maschinen gekapert werden, doch die gewaltsame Übernahme der Boeing 707 des Fluges 219 der israelischen Gesellschaft El Al durch die Palästinenserin Leila Khaled und den Nicaraguaner nordamerikanischer Herkunft Patricio José Argüello Ryan über dem Ärmelkanal verlief nicht nach Plan. Beim Versuch, das Cockpit zu stürmen, wurde Argüello von den Sicherheitskräften an Bord der Maschine erschossen und Khaled festgenommen. Dafür konnte am 9. September ein Sympathisant der PFLP, der die gescheiterte palästinensische Flugzeugentführerin freipressen wollte, noch eine Vickers VC10 der British Overseas Airways Corporation (BOAC) unter seine Kontrolle bringen. 

Damit befanden sich nun insgesamt 598 zumeist westliche Geiseln in der Hand der Terroristen, welche die Freilassung palästinensischer Gefangener aus europäischen und israelischen Gefängnissen verlangten. Während der diesbezüglichen Verhandlungen dirigierte die PFLP drei der Maschinen nach Dawson’s Field, einem vormaligen Wüstenflugplatz der britischen Luftstreitkräfte nahe der jordanischen Ortschaft Zarqua, während der Pan-Am-Jet in Kairo landete. Dort ließen die Entführer der Boeing 747 ihre Geiseln frei. Danach sprengten sie das Riesenflugzeug vor den Kameras der Weltpresse in die Luft. Das gleiche Schicksal war den anderen drei Passagiermaschinen auf dem Dawson’s Field beschieden – jedoch auch hier erst nach der Evakuierung der Fluggäste und Besatzungsmitglieder. Hierdurch überlebten am Ende alle mit Ausnahme des von den Sandinisten in Nicaragua zur PFLP entsandten Terroristen Argüello die Massenentführung.

Während des Austausches der Geiseln gegen palästinensische Häftlinge kam es in Jordanien zu ersten Gefechten zwischen Freischärlern der PLO beziehungsweise PFLP und DFLP sowie den Streitkräften von König Hussein, die über rund 70.000 Soldaten verfügten. Dabei waren die Freischärler so erfolgreich, dass sie am 16. September in Irbid eine eigene „Volksregierung“ ausrufen konnten. 

Damit überschritten sie den Rubikon. In der darauffolgenden Nacht proklamierte König Hussein das Kriegsrecht in Jordanien. Anschließend gab sein Generalstabschef Habas al-Madschali den Befehl zum Angriff. Die 1. Infanteriedivision sollte gemeinsam mit der 4. Mechanisierten Brigade und der 60. Panzerbrigade die jordanische Hauptstadt Amman von den insgesamt rund 100.000 Mann starken palästinensischen Milizen säubern, während die 2. Infanteriedivision und die 40. Panzerbrigade den Auftrag zur Rückeroberung von Irbid erhielten. 

Die Offensive blieb jedoch zunächst stecken, da zahlreiche Militärs des Königs aus Solidarität mit den Palästinensern desertierten und Syrien zu deren Unterstützung 16.000 Mann und rund 300 T-55-Kampfpanzer in die Region um Irbid entsandte. Eine Änderung der Lage trat erst ein, als die jordanische Luftwaffe massive Angriffe gegen das syrische Kontingent flog und dabei rund 120 gepanzerte Fahrzeuge zerstörte. Daraufhin zogen sich die Syrer zurück und Irbid fiel nach einwöchigem verbissenen Häuserkampf in die Hände von Husseins Armee.

Auswirkungen in der Region

Während Syrien seine Unterstützung der Palästinenser einstellte und Ägypten wie der Irak keinerlei Anstalten machten zu intervenieren, konzentrierte Israel Truppen an der Grenze zu Jordanien und signalisierte, in den Konflikt zulasten der Palästinenser eingreifen zu wollen. Die USA lieferten auf ein Hilfeersuchen Ammans hin moderne Panzer vom Typ M60. Damit wendete sich das Blatt endgültig, auch wenn Hussein am 27. September einem von dem ägyptischen Staatspräsidenten Gamal Abdel Nasser vermittelten Waffenstillstand zustimmte. Die Palästinenser standen auf verlorenem Posten. Als Konsequenz daraus erlangte Hussein bis zum Juli 1971 die Kontrolle über ganz Jordanien zurück, während die PLO ihre Stützpunkte in den Libanon verlegen musste.

Auch in anderen arabischen Staaten führte der „Schwarze September“ zu Machtverschiebungen. Im Irak nutzte Vizepräsident Saddam Hussein die Passivität der Streitkräfte, um sich der parteiinternen Widersacher um den Verteidigungsminister Hardan al-Tikriti zu entledigen und seine Gefolgsleute in der Armeeführung zu platzieren. Und in Syrien schlug die Stunde Hafiz al-Assads, weil das blamable Scheitern des Einmarsches in Jordanien seinem wichtigsten Rivalen Salah Dschadid angelastet wurde, der hinter der Intervention mit einem gepanzerten Kampfverband in den Jordanischen Bürgerkrieg gestanden hatte, und nicht Assad selber, der dem Verband als Luftwaffenoberkommandierender die nötige Luftunterstützung gegen die jordanischen Luftstreitkräfte verweigert hatte. Der „Schwarze September“ führte also zu Auswirkungen in der Region, die teilweise bis heute zu spüren sind.





Sieger und Nutznießer

Hussein I. blieb bis zu seinem Tode König von Jordanien. Trotz mehr als 30 Attentaten auf seine Person starb er 1999 eines natürlichen Todes. Sein ältester legitimer Sohn und Nachfolger regiert noch heute

Hafiz al-Assad putschte im November 1970 und ließ sich im darauffolgenden Jahr von den Syrern zum Präsidenten wählen. Sein Sohn und Nachfolger Baschar al-Assad regiert bis zum heutigen Tag

Nach der vollständigen Entmachtung von Hardan at-Tikriti am 15. Oktober 1970 stieg Saddam Hussein weiter auf. Ab dem Juli 1979 war er Staats-, Regierungs- und Parteichef im Irak