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04.09.20 / Interview / Stornierungen, Kurzarbeit, Homeoffice / Natalja Romanowa aus Hamburg erzählt, wie ihr Reisebüro „Russland Reisen Romanova“ die Corona-Krise bewältigt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 36 vom 04. September 2020

Interview
Stornierungen, Kurzarbeit, Homeoffice
Natalja Romanowa aus Hamburg erzählt, wie ihr Reisebüro „Russland Reisen Romanova“ die Corona-Krise bewältigt
Manuela Rosenthal-Kappi

Im Gespräch mit Natalja Romanova

Natalja Romanova leitet seit Jahren erfolgreich in Hamburg ihr Reisebüro „Drei R: ,Russland Reisen Romanova‘“, das sich unter anderem auf Reisen ins nördliche Ostpreußen spezialisiert hat. Wie sie und ihre Mitarbeiter die Corona-Krise überstehen, erzählt sie der PAZ.

Frau Romanova, viele PAZ-Leser kennen Sie als Spezialistin für Ostpreußen-Reisen. Welche Pläne gab es für dieses Jahr, die durch die Corona-Krise zunichte gemacht wurden?

Es waren für dieses Jahr viele Reisen geplant und alle wurden ausnahmslos zunichte gemacht: ein Kirchenchor mit über 55 Teilnehmern nach Gumbinnen zur Salzburger Kirche, eine Schulgruppe aus Berlin, eine Exkursion nach Ostpreußen, eine jährliche Reise mit Louis-Ferdinand Schwarz aus Dissen in seine Heimat mit über 40 Personen. Viele Individualtouristen waren betroffen, die über mich Ausflüge auf die Kurische Nehrung und zur Samlandküste gebucht hatten. Über 600 Teilnehmer einer Baltic Sea Rally, die über mich jedes Jahr ihre Visa beantragen, konnten nicht über das Königsberger Gebiet nach St. Petersburg einreisen. 

Auf das nächste Jahr musste eine große Studienreisen nach St. Petersburg, die ich zusammen mit dem Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg organisiere, verschoben werden. Gleiches gilt für die im September dieses Jahres geplante Literatur-Reise nach Moskau mit meinem Professor von der Hamburger Uni.

Viele deutsche Landwirte verzweifeln, weil sie ins Königsberger Gebiet, wo sie viele Flächen gepachtet haben, mit ihren Geschäftsvisa nicht einreisen dürfen. 

Wie hat sich der Lockdown auf Ihr Geschäft ausgewirkt? Gab es Unterstützung seitens der Bundesregierung, und wenn ja, kam diese rechtzeitig?

Die Auswirkung auf mein Geschäft war dramatisch: Praktisch von heute auf morgen konnte ich meine Tätigkeit nicht ausüben. Mitte März schloss das russische Konsulat, und es werden bis heute keine Visa ausgestellt. Es gibt zwar kleine Ausnahmen, aber im Großen und Ganzen darf man seit Mitte März nicht nach Russland und in die russische Exklave Kaliningrader Gebiet einreisen. 

Die Hilfe der Bundesregierung kam schnell, rechtzeitig und völlig unerwartet: Meine Firma hat Unterstützung von Bund und Land bekommen, die mir immer noch hilft, über die Runden zu kommen. Meine Mitarbeiter sind seit April in Kurzarbeit. Ohne diese Unterstützung hätte ich genauso wie Tausende Firmen in meiner Branche schließen müssen. Ich empfinde tiefe Dankbarkeit, dass die Bundesregierung uns in dieser schweren Zeit unter die Arme gegriffen hat. 

Sie waren vor Kurzem im Königsberger Gebiet, um die Lage vor Ort persönlich in Augenschein zu nehmen. Wie geht die Reisebranche in der Region mit der Situation um?

Ganz anders geht es der Reisebranche in der Königsberger Region: Es kam kaum Unterstützung vom Staat. Selbstständige, wie zum Beispiel Reiseleiter im Gebiet, die seit Jahren meine deutschen Gruppen und Individualreisende begleiten, haben keine staatliche Hilfe bekommen. Ein Armutszeugnis für das reichste Land der Welt. Not macht aber bekanntlich erfinderisch, und nun mussten alle deutschsprachigen Fremdenführer in der Region ihre Führungen auf Russisch einstudieren. Da die Russen in diesem Jahr nicht ins Ausland reisen dürfen, haben sie für sich das eigene Land entdeckt und außer Sotschi und Adler war der größte Hit dieser Saison das Königsberger Gebiet: In Scharen kamen die Russen aus allen Ecken dieses Riesenlandes an die Ostsee. Die umorientierten Reiseleiter hatten zum Glück dann mehr als genug zu tun, vermissen aber die deutschen Gruppen und Individualreisenden genauso wie eine junge Managerin eines Hotels am Oberteich: „Unser Hotel ist restlos bis Herbst ausgebucht, aber keine deutschen Touristen, die wir so vermissen, sie sind immer nett und freundlich, und die hier Geborenen erzählen uns hier Geborenen, wie es früher war – das ist eine große Bereicherung für uns.“ 

Gibt es Unterstützung seitens des russischen Staates? Wie sieht die Informationspolitik der russischen Behörden aus?

Die Informationspolitik der russischen Behörden sieht ziemlich gut aus: Mehrmals am Tag werden den Bürgern die Corona-Zahlen mitgeteilt. Ich muss aber dazu sagen, dass das Königsberger Gebiet nicht stark von der Pandemie betroffen war. Die medizinische Versorgung im Gebiet ist, soviel ich weiß, sehr gut. Den Impfstoff gibt es ja bereits in Russland, die Nachricht ging ja überall durch die Medien. Die Nachricht wurde, wie so oft, in den westlichen Medien, was Russland anbetrifft, nicht ganz korrekt dargestellt. Impfen darf man erst frühestens im Herbst, und zwar freiwillig, jetzt aber noch nicht, so das Auswärtige Amt der Russischen Föderation, als ich dort letzte Woche angerufen habe, weil ein Kunde von mir unbedingt nach Königsberg reisen wollte, um sich dort impfen zu lassen. Was die Impfung selbst anbetrifft, ist die Bevölkerung wie auch hier ziemlich geteilt: Es gibt Befürworter und Gegner.

Sie hatten Ihr Reisebüro bis Anfang September geschlossen. Gehen Sie davon aus, dass die Einreise nach Russland bald wieder möglich ist?

Mein Büro musste ich auf Homeoffice umstellen. Ich telefoniere fast täglich mit Behörden in Russland, um immer auf dem Laufenden zu sein. Die PAZ-Leser können mich immer per E-Mail info@romanova-reisen.de erreichen – da stehe ich gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.

Ob Reisen nach Russland und nach Ostpreußen bald möglich sind, fragte ich auch letzte Woche per Telefon einen Beamten des Auswärtigen Amtes der RF. „Solange die EU die Grenzen zu Russland nicht öffnet, sind wir gezwungen, unsere Grenzen auch geschlossen zu halten“, war seine prompte Antwort. 

Es bleibt uns nur zu hoffen, dass bald die Normalität in unser Leben eindringt und wir, wie die letzten 30 Jahre, problemlos unsere Reisen und zwischenmenschlichen Kontakte genießen können, das wird aber vermutlich erst im nächsten Jahr möglich sein. 

Das Interview führte Manuela Rosenthal-Kappi