26.04.2024

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11.09.20 / Verkehrsberuhigung / „Das Letzte, was Berlin jetzt braucht“ / Politik sperrt Teile der Friedrichstraße für Autos – Wirtschaft und Opposition sind alarmiert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37 vom 11. September 2020

Verkehrsberuhigung
„Das Letzte, was Berlin jetzt braucht“
Politik sperrt Teile der Friedrichstraße für Autos – Wirtschaft und Opposition sind alarmiert
Frank Bücker

Die Attraktivität der Friedrichstraße im Herzen Berlins soll erhöht werden, so beteuern die Akteure der Grünen, welche die Verantwortung für die Sperrung eines Teils des Straßenzuges tragen. Das sind die Verkehrssenatorin Regine Günther, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel. 

Beifall erhalten sie vornehmlich von Stefan Lehmkühler vom „Netzwerk fahrradfreundliche Mitte“: „98 Prozent sind hier durchgefahren. Es war keine Einkaufsstraße, sondern Durchgangsverkehr mitten in der Stadt“, so Lehmkühler. Er empört sich, dass vor allem Anwohner und Angestellte, die in den umliegenden Büros arbeiten, ihre Autos hier abstellen. Dassel assistiert: „Einkaufsstraßen haben Zukunft, wenn der öffentliche Raum nicht durch den motorisierten Individualverkehr dominiert wird.“ Der rbb lässt dagegen Betroffene zu Wort kommen, die sich deutlich von der politischen Entscheidung distanzieren. In einer Reportage mit Geschäftsleuten und Passanten war nicht ein einziges positives Wort zu hören zu der Teilsperrung für den Autoverkehr. In einem anderen Beitrag lobte Isabell Steiner, eine Boutiquebesitzerin, hingegen die Sperrung: „Wir sehen viel mehr Passanten auf der Straße, die wie auf einer Strandpromenade flanieren.“ 

Lobbyisten sind begeistert

Lehmkühler ist sich seiner Sache sicher: „Taxis oder Mietwagen passieren unerlaubterweise die Straße. Wenn in ein paar Tagen noch Poller an den Zufahrtsstraßen eingerichtet werden, ist das auch vorbei.“ Auch Roland Stimpel, Sprecher des Fachverbands Fußverkehr Deutschland, ist begeistert: „Die Friedrichstraße ist wieder im Gespräch. Das ist doch schon mal gut.“

Bei den Wirtschaftsverbänden herrscht keine Euphorie. Stefan Genth vom Handelsverband Deutschland: „Wir brauchen Mobilitätskonzepte der Zukunft, aber es ist ein Irrtum zu glauben, man könnte einen Teilabschnitt der Friedrichstraße sperren und hätte damit die Lösung. Die unter den Corona-Beschränkungen leidenden Einzelhändler befürchten weitere Einbußen, weil ihre Geschäfte für Autofahrer jetzt schwerer erreichbar sind.“ Till Esser vom Verein „Die Mitte“ vermutet, letztlich sei der Modellversuch zu einem Alleingang der Politik geworden. „Das ist schade, denn das Projekt ist unausgereift.“ 

Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, kritisiert: „Statt gemeinsam ein tragfähiges Konzept zur Stärkung des Handels zu entwickeln, hat die Verkehrssenatorin nun einen Radschnellweg durchgesetzt. Gemütliches Bummeln ist so nicht möglich.“ 

„Existenzen werden gefährdet“

Sebastian Czaja, Fraktionsvorsitzender der FDP: „Statt einer florierenden Flaniermeile ist hier eine graue Wüste entstanden – inklusive Radrennstrecke.“ Von der AfD heißt es kurz und bündig: „Braucht kein Mensch: Sperrung der Friedrichstraße.“ Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Oliver Friederici, ist empört: „Nicht abgestimmte Teilsperrungen bedeutender Einkaufsstraßen sind das Letzte, was Berlin jetzt braucht. Senat und Bezirke gefährden damit in der Friedrichstraße weitere Existenzen und viele Arbeitsplätze.“