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11.09.20 / Bürgerkrieg in Libyen / Ein gutes Geschäft für Söldner / Im von verfeindeten Milizen belagerten Tripolis herrscht seit Kurzem ein Waffenstillstand. Lange dürfte er nicht andauern. Er verhagelt sonst das Geschäft der aus vielen Ländern angereisten Söldner

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37 vom 11. September 2020

Bürgerkrieg in Libyen
Ein gutes Geschäft für Söldner
Im von verfeindeten Milizen belagerten Tripolis herrscht seit Kurzem ein Waffenstillstand. Lange dürfte er nicht andauern. Er verhagelt sonst das Geschäft der aus vielen Ländern angereisten Söldner
Bodo Bost

Nach zehn Jahren Bürgerkriegen haben in den arabischen Ländern immer mehr Menschen die Nase voll von den Dauerkonflikten, die nicht enden wollen und bei denen kaum jemand weiß, wer gegen wen kämpft. „Geht endlich“, skandierten die Menschen in Libyens Hauptstadt Tripolis auf dem zentralen Märtyrerplatz und forderten ein Ende des Bürgerkrieges, von Korruption und Willkürherrschaft auf allen Seiten. Ähnliche Demonstrationen gibt es auch im Irak. 

Obwohl die Demonstranten in Tripolis mit weißen Flaggen durch die Innenstadt zogen, um keine der in Tripolis tonangebenden Milizen zu provozieren, fuhren plötzlich vermummte Uniformierte mit ihren Pick-up-Autos vor, um die Menge zu zerstreuen. Dennoch zogen weiter kleine Gruppen von Jugendlichen durch die Stadt und erinnerten an den Beginn des Aufstandes gegen Gaddafi 2011.

Brüchiger Waffenstillstand

Die Hauptstadt Libyens befindet sich unter der Kontrolle der Sarradsch-Regierung, die gerade vor wenigen Monaten erst ihre fast sichere Niederlage gegen die Milizen des Generals Haftar mittels türkischer Hilfe abwenden konnte. Erst vor einigen Tagen hatten beide verfeindeten Milizen erstmals einen Waffenstillstand angekündigt. 

Das gewaltsame Vorgehen der regierungsnahen Milizen zeigt aber, wie kompliziert es sein wird, den verkündeten Waffenstillstand umzusetzen. Die vier großen Hauptstadtmilizen in Tripolis, ebenso wie die von der Türkei aus Syrien eingeflogenen Söldner sowie einige radikale Gruppen werden zwar vom Innen- oder Verteidigungsministerium gut bezahlt, sie handeln aber auf eigenes Kommando und gehorchen oft nur ihrem direkten Vorgesetzten. 

Die 18-monatige Belagerung von Tripolis war für die ausländischen Söldner aller Couleur, darunter auch Syrer, Uiguren, Tschetschenen, Sudanesen und Russen, die allesamt gut bezahlt werden, ein lukratives Geschäft. Sie fürchten jetzt den Waffenstillstand oder gar den Frieden, der zu ihrer Entwaffnung und damit Arbeitslosigkeit führen könnte. 

Der Krieg auf Sparflamme, wie sie ihn 18 Monate lang geführt haben, war für viele dieser Glücksritter gut und einfach verdientes Geld. Doch die libysche Bevölkerung, die 2011 euphorisch den Sturz Gaddafis gefeiert hatte, sehnt sich nach fast zehn Jahren Bürgerkrieg mit oft wechselnden Fronten nach friedlichen und übersichtlichen Verhältnissen. 

Zwar gibt es seit Juni, seit das bereits im Januar vereinbarte Waffenembargo immer mehr kontrolliert wird, kaum noch Kämpfe zwischen den Einheiten der Regierung im Westen des Landes und den Truppen von General Haftar im Osten. Aber jetzt verschlechtern sich die Lebensumstände auch infolge der Corona-Pandemie in vielen libyschen Städten merklich. Seit August haben sich die Corona-Zahlen verdoppelt. Zusätzlich fallen immer häufiger der Strom und, was in den Sommermonaten sehr schlimm war, das Wasser aus. So etwas hatte es in Tripolis in den vergangenen Kriegsjahren kaum gegeben. Der Wert des Dinars sank in einem Monat um ein Drittel. Auch deshalb spucken die Geldautomaten nicht mehr als umgerechnet 50 Euro aus.

Milizen fürchten den Frieden

Libyen hatte eigentlich mit dem Krieg auf Sparflamme der vergangenen Jahre ganz gut gelebt. Dafür hatten auch die lukrativen Geschäfte mit dem Menschenschmuggel in die EU gesorgt, welche die fehlenden Öleinnahmen teilweise kompensieren konnten. Aber infolge von Corona hat sich das Schleusergeschäft jetzt immer mehr nach Tunesien verlagert.

Zur Kriegsmüdigkeit hat auch die immer größere Zahl von Söldnern in den Reihen der kämpfenden Truppen beigetragen. Waren es zu Gaddafis Zeiten vorwiegend Schwarzafrikaner, die in Libyen gekämpft haben, so sind es jetzt Soldaten der ehemaligen Kolonialmacht Türkei, die auf Einladung von Sarradsch nach Libyen zurückgekommen sind, oder auch Söldnertruppen aus Russland, der dortigen Wagner-Armee auf Seiten Haftars, die für eine Fortsetzung der Kriegsfronten sorgen, von der die Libyer selbst immer weniger halten. Die Milizen haben jetzt allerdings erst einmal das Ziel, dass auf den Waffenstillstand nicht irgendwann einmal Friedensverhandlungen folgen.