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11.09.20 / Himmelsscheibe / Zweifel am Alter der Darstellung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37 vom 11. September 2020

Himmelsscheibe
Zweifel am Alter der Darstellung
Wolfgang Kaufmann

Die 1999 von Raubgräbern entdeckte und mittlerweile im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle an der Saale ausgestellte sogenannte Himmelsscheibe von Nebra zählt zu den spektakulärsten archäologischen Objekten Deutschlands. Sie soll aus der frühen Bronzezeit um 2100 bis 1700 v. Chr. stammen. Damit wäre sie die wohl älteste konkrete Darstellung des Sternenhimmels überhaupt. Deshalb kam das Artefakt 2013 auch auf die Liste des Unesco-Weltdokumentenerbes.

Allerdings wurden seit 2005 immer wieder massive Zweifel am Alter der Scheibe laut, denen sich nun der Direktor der Archäologischen Staatssammlung München, Rupert Gebhard, und Rüdiger Krause, Prähistoriker an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, anschlossen. Diese beiden Professoren äußern ihre Argumente in einem soeben erschienenen, 22-seitigen Artikel im renommierten Fachblatt „Archäologische Informationen“ der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte. Darin bestreiten Gebhard und Krause zunächst, dass die Himmelsscheibe zu einem bronzezeitlichen Fundkomplex gehöre. Sie sei deutlich jünger und bestehe aus anderen Legierungsbestandteilen als die angeblich parallel mit ausgegrabenen und für die Datierung verwendeten Schwerter, Armreifen und Beile. Deshalb müsse man das Artefakt als Einzelstück betrachten, zumal sich aus dessen Blei- und Zinn-Isotopensignaturen auch keine belastbaren Hinweise auf eine Herstellung während der Bronzezeit ergäben. 

Darüber hinaus entspräche die gesamte Symbolik der Scheibe sehr viel eher der keltisch geprägten Motivwelt der Eisenzeit zwischen 800 und 50 v. Chr. Dies wiederum bedeute, dass die weitreichenden kulturgeschichtlichen Interpretationen des Forscherkreises um den sachsen-anhaltischen Landesarchäologen Harald Meller bezüglich der einstmaligen Verwendung des Objektes „wie ein Kartenhaus“ zusammenfielen. Rund um den Mittelberg bei Nebra habe es kein bronzezeitliches Königreich mit einer astronomisch gebildeten Wissenselite gegeben. Deshalb würde das Mellersche Team gut daran tun, „die inzwischen überbordend … mythologisch anmutenden Veröffentlichungen zu der Scheibe, die von den Prinzipien einer seriösen wissenschaftlichen Darstellung … bereits weit entrückt sind, wieder auf ein Normalmaß“ zurückzufahren. Die ersten Reaktionen Mellers deuten indes eher darauf hin, dass er den Artikel nicht als Aufforderung zu mehr fachlicher Besonnenheit, sondern als Kriegserklärung betrachtet und deshalb bald mit Angriffen auf Gebhard und Krause kontern wird.