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18.09.20 / Verfassungsschutz / Geheimdienst als Waffe von Parteien? / Brandenburgs Schlapphüte nehmen verschärft die AfD ins Visier – Kritiker wittern Missbrauch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38 vom 18. September 2020

Verfassungsschutz
Geheimdienst als Waffe von Parteien?
Brandenburgs Schlapphüte nehmen verschärft die AfD ins Visier – Kritiker wittern Missbrauch
Norman Hanert

Wären Brandenburgs AfD und die CDU große Wirtschaftsunternehmen, dann würden sich nun wahrscheinlich die EU-Wettbewerbshüter mit der Frage beschäftigen müssen, ob einem der beiden Konkurrenten aus strukturellen Gründen ein unfairer Vorteil zur Verfügung steht.

Fast genau ein Jahr ist vergangen, seit die ohnehin nicht erfolgsverwöhnte märkische CDU bei der Landtagswahl im September 2019 ihr bislang schlechtestes Wahlergebnis in der Geschichte einfuhr. Nachdem ihr damaliger Landesvorsitzender Ingo Senftleben die Bereitschaft zu einer Koalition mit der Linkspartei signalisiert hatte, brach die Zustimmung für die Partei um 7,4 Prozentpunkte ein. 

Während Spitzenkandidat Senftleben mit dem Anspruch angetreten war, erster CDU-Ministerpräsident Brandenburgs zu werden, reichte es am Ende mit einem dürftigen Wahlergebnis von 15,6 Prozent nur für Platz drei – deutlich abgeschlagen hinter SPD und AfD. Als eigentlicher Wahlsieger stellte sich die AfD heraus, die mehr als 11 Prozentpunkte zulegte und mit über 23 Prozent zur zweitstärksten Kraft und zur stärksten Oppositionspartei aufstieg. Bei der CDU führte das Wahldebakel zu Senftlebens Rückzug von seinen politischen Spitzenämtern.

Fast genau ein Jahr später, im September 2020, legten nun Innenminister Michael Stübgen (CDU) und der ihm unterstellte Leiter der Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium, Jörg Müller, den Jahresbericht 2019 des Verfassungsschutzes vor. Unübersehbarer Schwerpunkt der Präsentation vor versammelter Presse ist die „Entgrenzung und Modernisierung des Rechtsextremismus“ im Land.

Maaßen: „Politischer Auftrag“

Angeführt werden im Jahresbericht 2019 neben dem Verein „Zukunft Heimat“, der „Identitären Bewegung“ und dem Verdachtsfall „Compact-Magazin“ auch die Verdachtsfälle „Junge Alternative für Deutschland“ und die mittlerweile aufgelöste AfD-Gruppierung „Der Flügel“. Bei der AfD, dem eigentlichen Wahlsieger des Vorjahres, stieß der Jahresbericht auf scharfe Kritik. Mit Hinweis auf Hans-Georg Maaßen, der als Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz abgelöst wurde, erklärte die AfD-Landtagsfraktion, der Jahresbericht sei als „politischer Auftrag“ zu beurteilen: „Herr Müller wurde, wie bereits seine Kollegen in Thüringen und auf Bundesebene, als neuer VS-Chef eingesetzt, um die AfD als zentrale Oppositionskraft unschädlich zu machen.“

Dass die Landtagsfraktion der AfD überhaupt einen derartigen Vorwurf erheben kann, liegt an einer Doppelfunktion: Nach dem Wahldebakel der Union übernahm am 16. November 2019 Michael Stübgen nicht nur den Landesvorsitz der CDU, er wurde vier Tage später im Rahmen der rot-schwarz-grünen „Kenia“-Koalition auch noch Innenminister. Damit hat der Christdemokrat zugleich den Verfassungsschutz unter sich. 

Im Unterschied zu anderen Bundesländern existiert in Brandenburg kein eigenes Landesamt für Verfassungsschutz. Im Jahr 1990 entschied sich das Land für eine sogenannte Ministeriumslösung.  Auch wenn man davon ausgeht, dass der Innenminister sich an das politische Neutralitätsgebot für Amtsträger hält, ist damit eine Konstellation zusammengekommen, die mit Blick auf die Chancengleichheit im demokratischen Wettbewerb der Parteien nicht sonderlich glücklich erscheint. 

Helmut Schmidt ein Verdachtsfall?

Hinzu kommt ein weiterer Faktor: In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hat sich gezeigt, dass bei der Frage, was als verfassungsfeindlich anzusehen ist und was nicht, durchaus auch subjektive politische Wertungen und der jeweilige Zeitgeist immer wieder eine wichtige Rolle gespielt haben: Konrad Adenauer und Willy Brandt wären mit ihren Grußbotschaften an die Deutschlandtreffen der Schlesier heutzutage vermutlich ein Fall für den Verfassungsschutzbericht. Ebenso Helmut Schmidt, der 2005 im Interview sagte: „Wir müssen eine weitere Zuwanderung aus fremden Kulturen unterbinden.“ 

Der frühere Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, wies unlängst darauf hin, dass im Jahr 1989 das linke Establishment in Westdeutschland die deutsche Vereinigung bereits aufgegeben hatte. Tatsächlich lassen sich reihenweise Äußerungen von früheren SPD-Politikern finden, die sich kaum mit dem bis 1990 geltenden Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes vereinbaren lassen. Auch dies war seinerzeit kein Fall für die Verfassungsschützer, stattdessen fand insbesondere durch CDU und CSU eine politische Auseinandersetzung mit solchen Positionen statt. 

Kritiker bemängeln, dass im Umgang mit der AfD heute offenbar andere Regeln gelten, nach denen bereits die inhaltliche Opposition zur Regierungsmeinung den Verdacht vermeintlicher Verfassungsfeindschaft auslösen könne. Die Entwicklung in Brandenburg wird hier als Beleg für diese Befürchtung gewertet.