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18.09.20 / Corona / Heimarbeit setzt Immobilienwirtschaft zu / Der Minderbedarf an Büroflächen wird auf 90 Millionen Quadratmeter geschätzt. Schwerwiegende Auswirkungen auf die Banken befürchtet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38 vom 18. September 2020

Corona
Heimarbeit setzt Immobilienwirtschaft zu
Der Minderbedarf an Büroflächen wird auf 90 Millionen Quadratmeter geschätzt. Schwerwiegende Auswirkungen auf die Banken befürchtet
Wolfgang Kaufmann

Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt hierzulande praktisch mit einem Schlag verändert. Nachdem sich die Unternehmen jahrzehntelang gegen jede Form von Bürotätigkeit ohne Präsenzpflicht in den Firmenräumen gewehrt hatten, schickten sie ihre Beschäftigten ab diesem März in bisher nie dagewesenem Maße ins sogenannte Homeoffice. 

So nutzte beim Versicherungskonzern Allianz plötzlich nur noch jeder Zehnte der weltweit 150.000 Mitarbeiter die vorhandenen traditionellen Büroarbeitsplätze – der Rest erledigte seine Aufgaben von zu Hause aus. Eine Rückkehr zur früheren Normalität ist nicht geplant, wie das Allianz-Vorstandsmitglied Christof Mascher gegenüber dem „Handelsblatt“ bestätigte. Zukünftig sollen mindestens vier Zehntel aller Angestellten des Unternehmens am häuslichen Schreibtisch arbeiten. 

Ganz ähnlich sieht man dies in den Führungsetagen von Siemens und anderen DAX-Schwergewichten. Schließlich ist das zu erwartende Einsparpotenzial bei den Kosten für das Vorhalten von Büroarbeitsplätzen enorm. Die Allianz-Spitze beziffert dieses auf rund ein Drittel der bisherigen Aufwendungen.

Deshalb geht der Deutschlandchef der weltweit agierenden Unternehmensberatung Bain & Company, Walter Sinn, davon aus, dass in den nächsten Jahren zwischen drei und fünf Millionen Beschäftigte ihren Arbeitsplatz dauerhaft aus dem Firmenbüro nach Hause verlagern dürfen oder auch müssen. Da laut einer Berechnung der DZ Bank in Frankfurt am Main derzeit durchschnittlich rund 30 Quadratmeter auf einen Büroangestellten entfallen, könnte das zu einem erheblichen Minderbedarf an Büroflächen in der Größenordnung von mindestens 90 Millionen Quadratmetern führen.

Dadurch steht ein gravierendes Absinken der Einnahmen derjenigen zu erwarten, die Büroräume oder -gebäude schaffen oder vermieten. Schon jetzt ist dieser Effekt zu beobachten. Die Erträge aus derartigen Objekten fielen nach Aussage des DZ-Bank-Analysten Thorsten Lange teilweise schon um die Hälfte, während im Segment Wohnimmobilien nur der Preisauftrieb stagnierte. 

Markt wegen Corona belastet

Zusätzlich verschärft wird die Corona-bedingte Krise am Gewerbeimmobilienmarkt durch Einnahmeausfälle bei der Vermietung von Ladenflächen und Lokalitäten für die gastronomische Nutzung, Räumlichkeiten für Messen, Sport-, Tanz- und Kulturveranstaltungen sowie anderen Objekten dieser Art.

Das birgt nun auch Risiken für manche deutsche Bank. Zum einen drohen Zahlungsausfälle bei Krediten durch Insolvenzen von Bauherren und Vermietern, zum anderen sinkt der rechnerische Wert der Gewerbeimmobilien infolge der Mindereinnahmen und des Preisverfalls angesichts zunehmender Notverkäufe. Hierdurch werden die Bilanzen der Banken belastet, weil es diesen nunmehr an ausreichenden Sicherheiten fehlt. 

Dabei sind gerade die bundesdeutschen Geldinstitute besonders aktiv, wenn es um die Finanzierung von Gewerbeimmobilien geht. Das Gesamtvolumen der Kredite, die zu diesem Zweck innerhalb der Europäischen Union ausgereicht wurden, lag nach Angaben der Ratingagentur Moody’s Investors Service allein im vergangenen Jahr bei 1,6 Billionen Euro, von denen mit 27 Prozent mehr als ein Viertel auf hiesige Geldhäuser entfiel.

Besonders aktiv auf diesem Gebiet waren die börsennotierte Wiesbadener Aareal Bank, die Berlin Hyp, die Deutsche Hypothekenbank in Hannover und die Deutsche Pfandbriefbank mit Sitz in Garching bei München sowie auch viele Landesbanken. Wirtschaftsexperten befürchten nun, dass diese Finanzinstitute in Turbulenzen geraten könnten.

Keine Erholung in Sicht

Noch muten die Zahlen nicht dramatisch an. So hat die Aareal Bank ihre Rückstellungen zur Absicherung gegen Kreditausfälle zwar im Verlaufe des Jahres 2020 mehr als verdoppeln müssen, verzeichnet aber trotz der aufwendiger gewordenen Risikovorsorge weiterhin Gewinne. 

Ähnliches gilt für die anderen genannten Banken. Deshalb werden sie von Moody’s nach wie vor mit guten Noten zwischen Aa2 (sichere Anlage, Ausfallrisiko so gut wie vernachlässigbar, längerfristig aber etwas schwerer einzuschätzen) und A3 (sichere Anlage, sofern keine unvorhergesehenen Ereignisse die Gesamtwirtschaft oder die Branche beeinträchtigen) bewertet. 

Jedoch deutet dieser Trend bei den Büroflächen sowie auch im Einzelhandel außerhalb des Lebensmittelsektors, im Gaststätten- und Beherbergungsbereich sowie bei zahlreichen anderen Arten der gewerblichen Nutzung von Immobilien derzeit nicht auf eine Erholung des Marktes hin.

Deshalb sieht die Moody’s-Analystin Christina Holthaus auch keinen Grund zur Entwarnung: „Je nach Dauer der Krise rechnen wir damit, dass Zahlungsaussetzungen, Ausfälle und abnehmende Sicherheitenniveaus zu einer Verschlechterung der Aktivaqualität, einem Anstieg der notleidenden Kredite, einem höheren Risikovorsorgebedarf und zu geringeren Erträgen führen werden.“