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18.09.20 / Kommentare / Radikal statt blass

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38 vom 18. September 2020

Kommentare
Radikal statt blass
Erik Lommatzsch

So richtig viel Glück hatte die umbenannte SED mit ihren Vorsitzenden schon länger nicht mehr. Zunächst war da Gregor Gysi, der bereits an der Spitze stand, als man sich 1990 den Namen „Partei des Demokratischen Sozialismus“ (PDS) gab. Als pointenreicher Talkshow-Plauderer brachte es Gysi zu erheblicher Popularität. Mit der politischen Praxis tat er sich hingegen schwerer. Das Amt des Berliner Wirtschaftssenators gab er im Jahr 2002 nach wenigen Monaten wieder ab. Hier war anderes gefragt als das bloße Aufstellen von weltfremden Forderungen – von denen das Programm der Linkspartei bis heute geprägt ist.

Der Kulturwissenschaftler Lothar Bisky hatte 1993 den Vorsitz der PDS übernommen. Dessen Nachfolgerin Gabi Zimmer wirtschaftete die Partei beinahe in Grund und Boden. 2002 gelang der Einzug in den Bundestag lediglich noch mit zwei Direktmandaten. Bisky wurde erneut ans Steuer gerufen. 2007 erfolgte der Anschluss der Partei „Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative“ (WASG). Dies sollte der spärlichen Resonanz der „Linken“, wie sie seitdem gesamtdeutsch heißt, im Westen des Landes entgegenwirken.

Als Co-Vorsitzender und Repräsentant des „Westens“ fungierte nun Oskar Lafontaine. Der war einst Ministerpräsident des Saarlandes, SPD-Kanzlerkandidat, Parteivorsitzender und fungierte 1998/99 schließlich kurzzeitig als „Superminister“ – zuständig für Finanzen und einiges mehr – in der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder, bevor er alles fallen ließ. Offenbar hatte die Welt seine Qualitäten nicht so recht zu würdigen gewusst. Ein großer Durchbruch blieb Lafontaine zwar auch bei der „Linken“ versagt, allerdings konnte diese insbesondere durch sein Engagement in den sogenannten Altbundesländern erheblichen Stimmenzuwachs verzeichnen. Nach knapp drei Jahren kandidierte er – krankheitsbedingt – nicht mehr für die Parteispitze. 

Langweiler statt Charismatiker

Mit Gysi, Bisky und Lafontaine können drei der vier bis 2010 amtierenden Vorsitzenden der umbenannten SED für sich in Anspruch nehmen, zumindest als charismatisch und satisfaktionsfähig zu gelten. Seitdem ist das Personalproblem der „Linken“-Führung manifest. Die Ost-West-Frau-Mann-Doppelspitze aus Gesine Lötzsch und Klaus Ernst blieb genauso schwach wie das seit 2012 amtierende Duo Katja Kipping und Bernd Riexinger. Von allen gegenwärtigen Vorsitzenden einer größeren deutschen Partei dürfte Riexinger mit Abstand der Unbekannteste sein. Vorgänger Ernst, wie Riexinger einst Gewerkschaftsfunktionär, hatte es immerhin noch durch seinen materiell eher unlinken Lebensstil in die Schlagzeilen geschafft.

Bemerkenswert ist, dass andere Politiker der „Linken“ – etwa Dietmar Bartsch oder, bis zu ihrem Rückzug, Sarah Wagenknecht – in den Medien schon länger deutlich präsenter sind als die eigentlichen Parteivorsitzenden. 

Nach acht Jahren geht nun satzungsgemäß die Zeit – von „Ära“ wird man wohl kaum sprechen können – von Kipping und Riexinger zu Ende. In sechs Wochen wird neu gewählt. Gegenwärtig zeichnet sich ab, dass die Fraktionsvorsitzenden der Landtage von Thüringen und Hessen, Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler, das künftige Führungsduo bilden werden. 

Einfluss der „Linken“ schwindet

Wissler, die schnell noch ihre Mitgliedschaft in der linksextremen Parteiorganisation „marx21“ beendete und Regierungsbeteiligungen der „Linken“ ohnehin eher kritisch sieht, steht momentan weniger im Fokus als Hennig-Wellsow, die 2021 eine rot-rot-grüne Regierung in Berlin anstrebt und laut „SPIEGEL“-Interview „richtig Bock“ auf den Parteivorsitz hat. Bundesweit bekannt wurde sie als „Blumenmädchen von Erfurt“, als sie am 5. Februar dem gewählten Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) einen Strauß vor die Füße warf und damit zeigte, was ihr die Demokratie wert ist, sofern Wahlen nicht zum erwünschten Ergebnis führen. Demonstrationen der Gegner der „Corona“-Politik sind für sie „gefährlicher Irrsinn“, und bezüglich des Thüringer Landtages bezeichnet sie es als kleinsten gemeinsamen Nenner ihrer Partei mit der CDU, dass man sich „nicht von Faschisten wie der AfD abhängig“ mache. Klares Bekenntnis Hennig-Wellsows, mit treffender Metapher: „Zum Regieren braucht es realistische und radikale linke Einstellungen, die bilden zusammen einen roten Faden.“

An die Spitze der Linken scheinen nun wieder weniger blasse Figuren zu rücken. Die Positionierungen beider Frauen lassen – im Sinne des Landes – hoffen, dass der politische Einfluss der „Linken“ eher schwindet als steigt.