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18.09.20 / Ästhetische Überwältigung / Rubens langer Arm reichte bis Paderborn – Exzellente Barockausstellung im Diözesanmuseum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38 vom 18. September 2020

Ästhetische Überwältigung
Rubens langer Arm reichte bis Paderborn – Exzellente Barockausstellung im Diözesanmuseum
Veit-Mario Thiede

Antonius und Ludovicus Willemssens sind Künstler aus Antwerpen, die 1655 bis 1661 in Paderborn tätig waren. Durch ihr Schaffen hielt die von Peter Paul Rubens mit seiner Antwerpener Werkstatt maßgeblich geprägte Kunst des südniederländischen Barock in Westfalen Einzug. Gemälde von Antonius Willemssens, Skulpturen seines Bruders Ludovicus sowie Bilder von Rubens stehen im Mittelpunkt der mit exzellenten internationalen Leihgaben ausgestatteten Schau „Rubens und der Barock im Norden“ des Diözesanmuseums von Paderborn.

Hinzu treten Werke westfälischer Künstler, die von Rubens und den Willemssens Anregungen bezogen. Das letzte Kapitel präsentiert Arbeiten von Gerhard Richter und anderen Gegenwartskünstlern, die hinsichtlich ihres Spiels mit der Illusion, ihrer Opulenz oder ihres Hinweises auf die Vergänglichkeit des Lebens etwas Barockes aufweisen.

Im Auftrag des Fürstbischofs Dietrich Adolf von der Recke sorgten die Brüder Willemssens für die Neuausstattung des Paderborner Domchores mit einem Hochaltar und zwei Seitenaltären. Was von ihnen nach den Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs erhalten blieb, bildet frisch restauriert den Auftakt der Schau. Die wie ein Puzzle zusammengesetzten Fetzen des Hochaltargemäldes fügen sich zur „Anbetung der Hirten“. 

Die von Antonius Willemssens gemalte Maria, das Jesuskind und die anderen Gestalten sind überlebensgroß und voluminös, aber wirken anmutig. Diesen Eindruck vermitteln auch die von Ludovicus geschnitzten Figuren des heiligen Kaiserpaares Heinrich II. und Kunigunde. Ausstellungskuratorin Karin Wermert urteilt über die Gemälde von Antonius Willemssens: „Einzelne Bestandteile der Bildanlage sind offenkundig aus Rubensschöpfungen angeregt.“

Museumsdirektor Christoph Stiegemann weist darauf hin, dass Rubens nicht nur Maler, sondern auch Bildhauer inspirierte. Etwa Artus Quellinus den Älteren, in dessen Werkstatt Ludovicus Willemssens das Bildhauerhandwerk erlernte.

Das besondere Etwas der Paderborner Ausstellung besteht darin, dass sie „das künstlerisch Eigentliche“ von Rubens hervorhebt, wie Stiegemann betont. Wermert ergänzt: „Prinzipiell hatten die Gehilfen großen Anteil an der Ausführung der Werke, für die der Meister die Entwürfe sorgfältig in Öl skizzierte.“ Und gerade mit diesen selten gezeigten eigenhändigen Entwürfen wartet die Ausstellung auf. 

Das Werk der Brüder Willemssens 

Mit schnellen und doch präzisen Pinselzügen trägt Rubens in Ölskizzen wie der „Kreuzigung Christi“ (um 1626/28) und der „Auferstehung“ (um 1619) gefühlsreiche Bilderzählungen vor. Rubens will uns mit seiner Kunst packen, indem er seine Bildakteure tiefe Emotionen und große Gesten zur Schau stellen lässt. Seine religiösen Werke wollen uns zum Mitempfinden und zur Anteilnahme anregen. Besonders eindringlich gelingt ihm dies mit dem großformatigen Gemälde der vielfigurigen „Beweinung Christi“ (um 1612): Johannes weist mit ausgestrecktem Arm auf den Toten hin, dem Maria sacht die Augen schließt, während er uns die Fußsohlen mit den dadurch unübersehbaren Nagelwunden entgegenstreckt.

Zwar malte Rubens bekanntlich auch Porträts und Szenen aus der antiken Mythologie, doch das Diözesanmuseum konzentrierte sich auf sakrale Werke. Viele schuf er im Auftrag von Ordensgemeinschaften. Nicht zuletzt für die Jesuiten, die an der Spitze der mit dem Schlagwort „Gegenreformation“ belegten katholischen Erneuerung standen. Ihre größte Niederlassung nördlich der Alpen hatte die Gesellschaft Jesu in Antwerpen, wo Rubens einer ihrer Laienvereinigungen angehörte. Sein Schaffen erfüllte aufs Schönste, was die Jesuiten von der Kunst erwarteten: Die ästhetische und emotionale Überwältigung der Gläubigen

Rubens engagierte Kupferstecher, die für die Vervielfältigung seiner Bilder sorgten. Das trug wesentlich zur Vorbildhaftigkeit seines Schaffens für andere Künstler bei. Äußerst einflussreich waren seine in ganz Europa verbreiteten Illustrationen zweier päpstlich autorisierter Stan­dardwerke, deren exklusives Veröffentlichungsrecht das Antwerpener Verlagshaus Plantin-Moretus besaß: des „Missale Romanum“, das die Texte für den Messdienst im gesamten Kirchenjahr enthält, und des „Breviarum Romanum“ mit Gebeten und Schriftlektionen für die Privatandacht.

Ebenso waren es die aus Antwerpen in die Welt ziehenden Künstler wie die Brüder Willemssens, die an Rubens geschulte Kompositionen, Formen, Motive und Ausdrucksweisen verbreiteten. Noch heute bewahrt der Paderborner Dom Werke an den Stellen, für die sie Antonius und Ludovicus geschaffen haben. Das schönste Ensemble findet sich an und in der Josefskapelle. In der muschelförmigen Nische über dem Portal ragt die Halbfigur des erstaunlich jungen Josef auf, der den Jesusknaben im Arm trägt. Über dem Kapellenaltar hängt ein Gemälde mit einem sehr seltenen Motiv. Es zeigt die Vermählung von Maria und Josef.

b Bis 25. Oktober im Diözesanmuseum Paderborn, Markt 17, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, jeden ersten Mittwoch im Monat auch bis 20 Uhr. Eintritt: 9 Euro. Informationen: www.dioezesanmuseum-paderborn.de/rubens