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18.09.20 / ComputerSpiele / Digitales Schaufenster mit Suchtpotenzial / Im Lockdown verschanzten sich immer mehr Menschen hinter Computern – Die Kölner Spielemesse Gamescom zog Nutzen daraus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38 vom 18. September 2020

ComputerSpiele
Digitales Schaufenster mit Suchtpotenzial
Im Lockdown verschanzten sich immer mehr Menschen hinter Computern – Die Kölner Spielemesse Gamescom zog Nutzen daraus
Dagmar Jestrzemski

Ende August fand in Köln wieder die Gamescom statt, die, wie es heißt, weltgrößte Veranstaltung rund um Computer- und Videospiele und Europas größte Geschäfts-Plattform für die Games-Branche. Aus gegebenem Anlass präsentierten die Hersteller aus aller Welt ihre neue Soft- und Hardware erstmals im Rahmen eines reinen Online-Programms. Der Veranstalter Koelnmesse zeigte sich anschließend mit dem Verlauf und der Akzeptanz des digitalen „Schaufenster“-Formats von globaler Reichweite sehr zufrieden. 

Kein Wunder, denn die Nachfrage des deutschen und internationalen Publikums nach Neuheiten auf dem Spiele-Sektor der elektronischen Unterhaltungsindustrie bleibt konstant auf hohem Niveau. Der Corona-Lockdown, der viele Menschen zu Hause zum Nichtstun verdammte, spielte der Branche zusätzlich in die Hände. Nach Angabe des Veranstalters verfolgten zehn Millionen Spiele-Fans aus 180 Ländern die zahlreichen Shows am Bildschirm. Bestellte Moderatoren aus der Influencer-Szene berichteten über die Neuheiten der Entwicklerstudios in den jeweiligen Landessprachen. 

Auch Senioren spielen mit 

Dabei war der Erfolg der virtuellen Messe durchaus kein Selbstläufer, hatte sich doch die Kölner Gamescom in den letzten Jahren immer mehr zu einer Mischung aus Fachmesse und Festival gewandelt. Die Spiele-Fans nutzten die Möglichkeit, neue Videospiele auszuprobieren und sich physisch mit Gleichgesinnten zu vernetzen – „Emotionen teilen“ lautet die euphorisierende Begrifflichkeit. Viele erschienen im Kostüm einer der Gestalten aus den Phantasiewelten.

Das Angebot auf dem Markt der Computer- und Videospiele wird immer vielfältiger und ist kaum noch zu überblicken. 42 Prozent der Deutschen spielen zumindest gelegentlich digital, 35 Prozent regelmäßig. 48 Prozent der „Gaming-Community“, wie sich die Spieler-Gemeinde nennt, sind weiblich, 52 Prozent männlich. Die größte Gruppe der gelegentlich Spielenden stellen mit 9,9 Millionen bei steigender Tendenz die über 50-Jährigen. 

Ob auf dem Smartphone oder auf einer Konsole, gespielt wird auf dem Weg zur Arbeit, allein vor dem Computer gegen unbekannte Turniergegner oder gemeinsam mit der Familie vor dem Bildschirm. Die Internationalität der Hersteller und Entwickler entspricht derjenigen der 370 offiziellen Partner der Gamescom, darunter Microsoft und die umstrittene Video-Plattform Tiktok.

Auch von Seiten der Politik wird der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung der Spiele-Branche gebührende Aufmerksamkeit gezollt. Von Gewaltverherrlichung und dem Suchtpotenzial der Computerspiele ist kaum noch die Rede. Diese sind offiziell als neues Kulturgut anerkannt und sogar Bestandteil des digitalen Lernmaterials für Schulen.

Schlechte Klimabilanz inklusive

Zum Auftakt der Gamescom 2020 diskutierten NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU), Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) über „aktuelle Herausforderungen der Games-Unternehmen in Deutschland“. Ein Spiel zu entwickeln, kann mehrere Millionen Euro kosten, viele Länder subventionieren daher die Games-Industrie als eine zukunftsträchtige Branche. So gewährt Kanada diesen Unternehmen 30 Prozent Steuernachlässe. 

Im Bereich der Produktion neuer Spiele hat Deutschland einen Anteil von 5,4 Prozent am gesamten Umsatz des Spiele- und Peripherie-Markts, der bei über 6 Milliarden Euro liegt. Dieser Anteil soll wachsen. Die Games-Industrie profitiert von einer Bundesförderung in Höhe von 50 Millionen Euro, verteilt auf fünf Jahre bis 2023. 

Selten nur kommt im Zusammenhang mit der Erfolgsgeschichte die dunkle Kehrseite der digitalen Unterhaltungsindustrie ans Licht: Sie trägt enorm zum exorbitant steigenden Energieverbrauch infolge der fortschreitenden Digitalisierung bei, zumal wenn zukünftig durch das sogenannte Online- und Cloud-Gaming keine lokale Installation des Spiels mehr vorgenommen werden muss und riesige Datenmengen entstehen, die quer über den Erdball gejagt werden. 

Politiker befinden sich schon jetzt in einer Zwickmühle, wenn sie das Eine, also die Computerspiele und alles Drumherum, loben und fördern, auch weil sie keine andere Wahl haben, während sie das Andere, also den klimaschädlichen, steigenden Energieverbrauch durch das energielastige Freizeitverhalten von immer mehr Bürgern, gelegentlich anprangern. Stromsparen durch Verzicht lässt sich den 

„Gamern“ aber nicht vermitteln, und das scheint auch nicht dem derzeitigen politischen Willen zu entsprechen. 

Wie rettet man sich als Politiker also aus diesem Dilemma? Antwort: Nie das Eine mit dem Anderen zugleich erwähnen. Sollte dies jedoch unvermeidbar werden, so ziehe man das Wogen glättende Wort „abwägen“ aus dem sprachlichen Allzweckrepertoire. Noch funktioniert’s.