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25.09.20 / Deutschland und die EU / Wie die Politik die Wirtschaft zu drangsalieren plant / Das ambitionierte „Klimaziel“ der EU und das geplante Lieferkettengesetz der Bundesregierung setzen die Axt an das Erfolgsmodell der deutschen Industrie an

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39 vom 25. September 2020

Deutschland und die EU
Wie die Politik die Wirtschaft zu drangsalieren plant
Das ambitionierte „Klimaziel“ der EU und das geplante Lieferkettengesetz der Bundesregierung setzen die Axt an das Erfolgsmodell der deutschen Industrie an
Norman Hanert

In ihrer ersten Rede zur Lage der EU hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorgeschlagen, das Ziel zur Reduzierung von Kohlendioxidemissionen in der EU radikal anzuheben. Hieß es bislang, der Kohlendioxidausstoß solle bis 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 sinken, so hat von der Leyen nun eine Reduzierung um „mindestens“ 55 Prozent als neues Ziel ausgegeben. 

Hochrangige Wirtschaftsvertreter haben inzwischen starke Zweifel an dem Vorhaben angemeldet. Laut Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), steht die Industrie zwar hinter dem Pariser Klimaabkommen, doch wird die Verschärfung der Klimaziele „inmitten der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg“ Wirtschaft und Gesellschaft „vor enorme Herausforderungen mit ungewissem Ausgang“ stellen. 

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) warnt in einer Analyse vor rapide ansteigenden Kosten durch die neuen „Klimaziele“. Aus Sicht des Verbandes droht sogar die Gefahr von irreparablen Strukturbrüchen, wenn der bereits laufende Strukturwandel nun nochmals stark beschleunigt wird. Im Kontrast dazu unterstützen allerdings auch einige Unternehmen eine drastische Verschärfung der „Klimaziele“ ganz ausdrücklich.

Im Gegensatz zur Mehrheit in der Automobilbranche begrüßte etwa das staatsnahe Unternehmen Volkswagen den Vorstoß der EU-Kommissionschefin. Und der Essener Energieversorger E.ON lobte die EU dafür, dass sie mit der Initiative ihre Führungsrolle innerhalb der Staatengemeinschaft beweise. 

Einzelnen Unternehmen wie den großen Energieversorgern winken gute Geschäfte. So geht der DIHK davon aus, dass ein höheres Tempo auf dem Weg zur „Klimaneutralität“ zwangsläufig zu schneller steigenden Energiepreisen führt. Auch Branchen, die Investitionsgüter anbieten, könnten zu den Profiteuren zählen.

Chef-Wirtschaftsweise entsetzt

In Brüssel rechnet die EU-Kommission damit, dass in der EU bis 2030 jährlich im Schnitt 1,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zusätzlich in Öko-Energien investiert werden müssen. Dies entspräche pro Jahr Mehrausgaben von 350 Milliarden Euro. Der Versuch, Europas Wirtschaft zu dekarbonisieren, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ein neues Umverteilungssystem nach dem Modell der EU-Agrarpolitik in Gang setzen. 

Da den Unternehmen in der EU ganz massive Wettbewerbsnachteile gegenüber Konkurrenten aus anderen Teilen der Welt drohen, scheinen Subventionen und die Tendenz zur Abschottung des EU-Binnenmarkts vom Weltmarkt alternativlos. Beispielsweise ist kaum vorstellbar, wie sich hiesige Hersteller von „klimaneutral“ produziertem Stahl künftig noch gegen Unternehmen aus China oder Indien behaupten wollen, die nach herkömmlichen Verfahren schon jetzt viel kostengünstiger produzieren. In einer Kostenfalle werden sich auch viele andere Branchen wiederfinden, vom Automobilbau bis hin zur Landwirtschaft. 

Bereits im Juli haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf die Einführung einer Kohlendioxid-Grenzsteuer geeinigt. Faktisch handelt es sich um Zölle auf Importe aus Ländern, die eine weniger ambitionierte „Klimapolitik“ als die EU betreiben. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission soll diese Abgabe bereits ab 2023 eingeführt werden. Auch hier drohen weitreichende Folgen. 

Wichtige Handelspartner wie die Vereinigten Staaten oder China könnten mit Gegenmaßnahmen reagieren. Zudem ist der verkappte Zoll kaum mit dem Regelwerk der Welthandelsorganisation (WTO) zu vereinbaren. 

Hinter den Produkten europäischer Unternehmen stehen zudem mittlerweile fast immer globale Lieferketten. Der Versuch, bei den importierten Vorprodukten aus aller Welt die fällige Abgabe zu ermitteln, könnte daher schnell ein weiteres Bürokratiemonster erschaffen. 

Ähnliches Potenzial steckt in dem Projekt eines Lieferkettengesetzes, für das sich insbesondere Sozialminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) stark machen. Das Vorhaben soll hiesige Unternehmen mit mehr als 500 Angestellten zwingen, für die Einhaltung der Menschenrechte und für die Arbeitsbedingungen in ihren weltweiten Wertschöpfungsketten geradezustehen.

In der Bundesregierung hat vor allem Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gegen das Gesetz Bedenken, etwa im Hinblick auf Haftungsregelungen. Ganz grundsätzliche Zweifel meldete Lars Feld, der Vorsitzende des sogenannten Rats der Wirtschaftsweisen. Der Professor für Wirtschaftspolitiker sagte, er schaue „mit großem Entsetzen auf das Lieferkettengesetz“. Aus seiner Sicht wird mit dem Gesetz „die Axt an das bisherige Erfolgsmodell der deutschen Wirtschaft mit stark internationalisierten Wertschöpfungsketten und einer starken Produktion im Ausland gelegt“.