26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
25.09.20 / Kolumne / „Verschwörungstheorien“

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39 vom 25. September 2020

Kolumne
„Verschwörungstheorien“
Florian Stumfall

Am 22. November 1963 wurde der US-Präsident John F. Kennedy in Dallas, Texas, erschossen. Die Welt hielt den Atem an, und es gab nur eine einzige Frage: Wer trägt Schuld daran? Kennedys Nachfolger, Lyndon B. Johnson, bestallte daher ein siebenköpfiges Gremium, das nach seinem Vorsitzenden Warren-Kommission genannt wird. 

Diese Gruppe von Männern kam zu einem schnellen und eindeutigen Er­gebnis: Einziger Täter sei Lee Harvey Oswald, es gebe keine Ver­schworenen noch Mitwisser. Kurz darauf, bevor er noch vor Gericht kam, wurde seinerseits Oswald erschossen, von einem todkranken Mann namens Jack Ruby.

Der Bericht der Warren-Kommission aber hinterließ weitum großes Unbehagen. Zum einen hieß es dort, Kennedy sei von hinten erschos­sen worden, wo doch auf den Filmaufnahmen eindeutig zu sehen ist, dass ihn zumindest eine Kugel von vorne getroffen hat. Auch die Rolle eines der Mitglieder der Kommission, Allen Dulles, erzeugte Miss­trauen. Er war es, der eine schnelle Festlegung auf Oswald als Täter gefordert hatte. Doch jedermann wusste, dass er Kennedys erklärter Feind gewesen war. Dieser nämlich hatte ihn als CIA-Direktor gefeu­ert.

Zudem wurden für die Untersuchung nur Erkenntnisse von den Geheimdiensten verwertet. Faktensuche mit Bordmitteln, sozusagen, fand nicht statt. Keine anderen Quellen, vor allem auch keine Augenzeugenberichte fanden in jener Zeit Berücksichtigung. Später vorgelegte Dokumente aus nicht verwendeten Quellen füllen 26 Bände.

Abwehr unbequemer Fragen

Kein Wunder, dass der Warren-Bericht bis heute vielen Menschen wenig glaubhaft, zumindest übereilt und oberflächlich erscheint. Doch aus naheliegenden Gründen war es den zuständigen Behörden und vor allem den Politikern wichtig, Ruhe einkehren und den Ge­gen­stand nicht mehr diskutieren zu lassen. 

Zu diesem Zweck wurde ein neues Wort geprägt: „conspiracy theory“, das in treulicher Über­setzung den Weg auch nach Europa fand: Die Verschwörungstheorie war geboren.

Ihr Zweck ist es, Leute, welche die offizielle Darstellung eines Sach­ver­­­haltes anzweifeln oder aber eine anderslautende Lesart propa­gie­ren, als nicht ernstzunehmend, lächerlich oder gar paranoid zu kenn­zeichnen. 

Damit geschieht dreierlei: Der Kritiker verliert an Stimme bis zur Unhörbarkeit. Die Zuhörerschaft distanziert sich von ihm, um nicht selbst in den Geruch von mangelndem Ernst, Lächerlichkeit oder Paranoia zu kommen. Und die Vertreter der offiziellen Meinung sind der Notwendigkeit enthoben, sich mit dem Sachverhalt selbst auseinanderzusetzen.

Kaum ein anderer politischer Kampfbegriff hat eine derart durch­schla­gende Mehrfachwirkung. Dabei kann niemand bestreiten, dass es Verschwörungen gibt. Caesar ist einer solchen zum Opfer gefallen. Auch die Mörder von Wallen­stein und Leo Trotzki sind Verschwörer gewesen. Jede Geheimdienststrategie, jeder Putsch wie etwa die Einsetzung des Diktators Fulgencio Batista in Kuba durch die CIA, oder derjenige auf dem Majdan zu Kiew stellt das Ergebnis einer Verschwörung dar. 

Überhaupt könnten die Geheimdienste ohne die Mittel von geheimen Absprachen ihr Handwerk vollständig aufgeben. Selbstverständlich war auch der Anschlag auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 eine Verschwörung. Die Frage ist immer nur, wer hinter einer Verschwö­rung steckt. 

Wenn es also Verschwörungen gibt, so stellt sich die Frage nach ihnen mit einem Male anders, nämlich nicht nach dem „ob“, sondern nach dem „wer“. Deshalb ist es dem Verdikt jenes Dogmas eigen, niemals staatliche oder halbstaatliche Stellen zu treffen, sondern immer nur Einzelmenschen oder Gruppierungen, die dazu im Widerspruch stehen. 

Von markanten Einzelfällen abgesehen ist der dauerhafteste Zusammenhang mit dem Vorwurf von Verschwörungstheorien die Frage nach der Weltherrschaft. Auch hier bedarf es einer Klarstellung: Der Wille zur Weltherrschaft ist historisch vielfach erwiesen. Die Römer haben, nach dem Verständnis ihrer Zeit, ein Weltreich errichtet. Die Hunnen taten es und nach ihnen die Mongolen. 

Im 16. Jahrhundert ging im Habsburgerreich „die Sonne nicht unter“, wie der poetische Ausdruck dafür lautete, dass Spanien und Österreich über ein Welt­reich geboten. Und im 19. Jahrhundert eroberten die Briten das größte aller bis dahin bestehenden Imperien. Diese Aufzählung ist unbe­strittener Besitz der Geschichtswissenschaft und nicht Ausdruck eines dumpfen Glaubens an geheime Mächte.

Die Frage nach der Weltherrschaft

Warum aber wird eine Feststellung, die für die Vergangenheit unver­rückbar ist, in der Gegenwart dann als Verschwörungstheorie ange­prangert, wenn es im aktuellen Fall um die USA geht. Diese streben unverhohlen, ausdrücklich und unmissverständlich die Weltherrschaft an. 

Der frühere Präsidentenberater Zbignew Brzezinski hat in seinem Buch „Die einzige Weltmacht“ dem Titel entsprechend, das Endziel formuliert. Ebenso tat das sein akademischer Nachfolger Tom Barnett. Sein Buch lässt keine Zweifel offen. Der Titel: „Der Weg in die Welt­diktatur“. Das ist als Programm zu verstehen, nicht als Warnung.

Im Zuge der Klimadebatte und von Corona hat sich, was den Vorwurf betrifft, man verbreite eine Verschwörungstheorie, eine qualitative Erweiterung ergeben. Wer mundtot gemacht werden soll, verfällt nun nicht mehr allein dem Spott und dem Ausschluss aus jedem Gespräch, sondern driftet in Richtung der moralischen Verworfenheit und schließlich der Strafverfolgung. 

SPD- Bundesjustizministerin Lambrecht, will angesichts von Verschwörungstheorien mehr Geld für „Demokratie-Initiativen“. Diese seien die stärkste Waffe gegen „Extremisten“ und zu solchen werden nun auch die tatsächlichen oder vorgeblichen Verschwörungstheoretiker gezählt. Das Recht der freien Rede erleidet eine weitere, eine schwere Niederlage.

Der Autor ist ein christsoziales Urgestein und war lange Zeit Redakteur beim „Bayernkurier“.