29.03.2024

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02.10.20 / Bilanz Am 3. Oktober 1990 wusste niemand, wie lange der deutsch-deutsche Vereinigungsprozess dauern würde. Die folgenden Beispiele blicken schlaglichtartig auf die letzten 30 Jahre. Sie erzählen von den Leistungen der Bürger in Ost und West – und zeigen. dass der Jahrestag trotz mancher Probleme ein Grund zum Feiern ist / 30 deutsche Geschichten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40 vom 02. Oktober 2020

Bilanz Am 3. Oktober 1990 wusste niemand, wie lange der deutsch-deutsche Vereinigungsprozess dauern würde. Die folgenden Beispiele blicken schlaglichtartig auf die letzten 30 Jahre. Sie erzählen von den Leistungen der Bürger in Ost und West – und zeigen. dass der Jahrestag trotz mancher Probleme ein Grund zum Feiern ist
30 deutsche Geschichten
René Nehring

Das grüne Band

Was tun mit dem ehemaligen Todesstreifen aus Stacheldraht und Minen, der jahrzehntelang das Land teilte? Diese Frage stellte sich nach dem 3. Oktober 1990, als die Grenzanlagen zwischen Bundesrepublik und DDR abmontiert wurden. Die Antwort: Das fast 1.400 Kilometer lange Gelände wurde der Natur überlassen. So entstand das „Grüne Band“ – ein Biotopverbund, der in 150 Naturschutzgebieten rund 600 bedrohten Tier- und Pflanzenarten eine Heimat bietet. Und zudem eine dauerhafte Erinnerung an die mörderische Teilung unseres Landes ist.

 

Sachsen-Anhalt 

Als Zentrum des Mitteldeutschen Chemiedreiecks wurde Sachsen-Anhalt in der DDR systematisch heruntergewirtschaftet. Die Industrieruinen von Wolfen, Bitterfeld und Leuna prägen den Ruf der Region bis heute. Dabei hat kein Bundesland so viele Stätten des UNESCO-Weltkulturerbes zu bieten wie Sachsen-Anhalt: Seit 1994 Stiftskirche, Schloss und Altstadt von Quedlinburg in die Welterbeliste aufgenommen wurden, kamen 1996 das Bauhaus und seine Stätten in Weimar und Dessau sowie die Luthergedenkstätten in Eisleben und Wittenberg hinzu. Im Jahre 2000 wurde das Gartenreich Dessau-Wörlitz in den Kreis des Weltkulturerbes aufgenommen. Als vorerst letzte Welterbestätte kam 2018 der Naumburger Dom hinzu. So ist Sachsen-Anhalt ein wahrhaftes Kernland der deutschen Geschichte. 


Wege und Rohre 

Kaum etwas in der DDR war 1989/90 so marode wie die technische Infrastruktur. Auf den Straßen reihte sich Schlagloch an Schlagloch, das Trinkwasser war fast überall ungenießbar und Telefonanschlüsse wurden knapp gehalten, um diese besser überwachen zu können. Dank Investitionen in Höhe von hunderten Milliarden Mark (und später Euro) verfügen die Regionen zwischen Rügen und Thüringer Wald heute über die modernsten Straßen, die saubersten Wasserleitungen und die schnellsten Telekommunikationsnetze.

 

Herrenhäuser

Unter der Parole „Junkerland in Bauernhand“ wurde 1945/1946 in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) eine Bodenreform durchgeführt, in deren Verlauf Grundbesitz von mehr als 100 Hektar Fläche entschädigungslos enteignet wurde. Die Herrenhäuser, zuvor jahrhundertelang Sitze großer Familien, wurden zumeist sich selbst überlassen – und verfielen im Laufe der Jahrzehnte. Die Sanierung und Wiederherstellung von inzwischen einigen hundert Landsitzen gehört zu den großen Triumphen der Schönheit über die kulturelle Barbarei. Gerade in ländlichen Regionen sind die Schlösser und Gutshäuser in Alt Madlitz, Briest, Dalwitz, Döbbelin, Gusow, Ivenack, Liebenberg, Neuhardenberg, Proschwitz, Ribbeck, Ulrichshusen und so weiter idyllische Mittelpunkte des öffentlichen Lebens. Oft kehrten mit den Häusern auch die alten Familien wie die Grafen Bassewitz, die Bismarcks, die Grafen Finckenstein und die Maltzahns wieder in ihre Heimat zurück.  


Die Hauptstadt 

Als der Bundestag 1991 über den künftigen Regierungssitz abstimmte, ging das Rennen zwischen Berlin und Bonn denkbar knapp aus: 338 Abgeordnete stimmten für die alte und neue Hauptstadt des deutschen Nationalstaats, 320 Abgeordnete für die alte Universitätsstadt am Rhein, die der Bundesrepublik über vier Jahrzehnte als provisorischer Regierungssitz gedient hatte. Und als 1998 Bundestag, Kanzleramt und die Leitung der Ministerien vom Rhein an die Spree zogen, fremdelten die „Bonner“ lange Zeit mit ihrem neuen Dienstsitz. 30 Jahre nach der Vereinigung ist von jenen „Geburtswehen“ nichts mehr zu spüren. Berlin ist die unangefochtene Hauptstadt der deutschen Republik


Angela Merkel 

Böse Zungen bezeichneten den Einigungsprozess lange als „Anschluss“. Grund dafür war, dass die „Ossis“ nach 1990 unzählige Regelungen der alten Bundesrepublik übernehmen mussten, während die „Wessis“ sich lediglich an den festen Rechtsabbiegepfeil gewöhnen mussten. Andererseits werden die vereinten Deutschen seit 15 Jahren – und damit der Hälfte des Einigungsprozesses – von einer Frau, die bis 1990 in der DDR lebte, regiert. Von 2012 bis 2017 kam mit Joachim Gauck zudem auch der Bundespräsident aus den neuen Bundesländern – womit fünf Jahre lang die beiden wichtigsten politischen Ämter des Staates von „Ossis“ besetzt waren. 


Elbflorenz 

Dresden gilt vielen Deutschen als eine der schönsten Städte ihres Heimatlandes. Angloamerikanische Bombenangriffe hatten jedoch die Stadt, die aufgrund ihres einstigen Zaubers „Elbflorenz“ genannt wurde, 1945 in Schutt und Asche gelegt. Zwar bemühte sich die DDR mit bescheidenen Mitteln um die Rekonstruktion einzelner Bauten wie des Zwingers und der Semperoper, jedoch fehlten dem Arbeiter-und-Bauernstaat die Mittel für einen umfassenden Wiederaufbau der historischen Altstadt. Dies änderte sich mit der Einheit 1990. Die Wiederauferstehung der Frauenkirche aus einem Berg voller Trümmer wurde in den 90er Jahren zu einem weltweit beachteten Projekt. Es folgten die Rekonstruktionen der Residenz der sächsischen Kurfürsten und Könige mitsamt dem Grünen Gewölbe, des Taschenbergpalais, des Coselpalais (die teilweise schon in den 70er Jahren begonnen wurde), des Neumarkts und weiterer prägender Bauten. So ist Dresden heute wieder eine der schönsten Städte unseres Landes.


Harfouch, Liefers & Co. 

Auf kaum einem Gebiet ist die Vereinigung von „Ost“ und „West“ so gelungen wie in der Schauspielkunst. Mit Corinna Harfouch, Leander Haußmann, Henry Hübchen, Charly Hübner, Jan Josef Liefers, Ursula Karusseit, Uwe Kockisch, Claudia Michelsen, Ulrich Mühe, Thomas Rühmann und vielen anderen stammen zahlreiche der prominentesten Schauspieler der letzten Jahre aus der DDR. Ein wesentlicher Grund dafür sind Ausbildungsstätten wie die Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ (HfS), die Theaterhochschule „Hans Otto“ in Leipzig und die Hochschule für Film und Fernsehen Potsdam-Babelsberg.


Leipzigs Maler 

1764 gründete Prinz Franz Xaver von Sachsen in Leipzig eine Akademie für Malerei. Aus dieser entwickelte sich im Laufe der Zeit die heutige Hochschule für Grafik und Buchkunst – die zur Lehr- und Ausbildungsstätte bedeutender Künstler wurde. Schon der Jurastudent Johann Wolfgang Goethe lauschte hier dem Zeichenunterricht des Gründungsdirektors Adam Friedrich Oeser. Bernhard Heisig, Werner Tübke, Wolfgang Mattheuer und Arno Rink begründeten hier in den 1950er Jahren als Maler, Graphiker und akademische Lehrer die „Leipziger Schule“. Nach 1990 sorgten ihre Schüler wie Neo Rauch, Rosa Loy und Hans Aichinger als „Neue Leipziger Schule“ für Furore. In zahlreichen Kunstmetropolen der Welt ist diese Marke heute ähnlich prominent wie altbewährte Größen der deutschen Industrie. 


Wenderomane

Kurz vor seinem Lebensende klagte Marcel Reich-Ranicki zuweilen, dass es keine deutsche Literatur von Bedeutung mehr gäbe: keine großen Erzähler und keine literarischen Stoffe von Relevanz. Dabei übersah der 2013 verstorbene „Kritikerpapst“, dass außerhalb seines Blickfeldes längst ein eigenes Genre entstanden war, das in bewegender Weise deutsche Geschehnisse reflektierte – der „Wenderoman“. Unter diesem Begriff werden Prosawerke zusammengefasst, die sich mit der Friedlichen Revolution 1989, dem Mauerfall und der deutschen Einheit auseinandersetzen. Prominente Beispiele dafür sind Monika Marons „Stille Zeile Sechs“ (1991), Erich Loests „Nikolaikirche“ und Thomas Brussigs „Helden wie wir“ (beide 1995), Uwe Tellkamps „Der Turm“ (2008), Eugen Ruges „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ (2011) sowie Lutz Seilers „Kruso“ (2014) und „Stern 111“ (2020). 


Gaucks Behörde 

Als sich 1990 das Ende der DDR abzeichnete, stellte sich auch die Frage, wie mit den unseligen Hinterlassenschaften der Diktatur umzugehen sei. Für die Akten des Ministeriums für Staatssicherheit war die Antwort schnell gefunden: Bereits am 4. Oktober 1990 wurde mit dem Rostocker Pfarrer Joachim Gauck ein Sonderbeauftragter für die Stasi-Unterlagen eingesetzt, der mit dem Stasi-Unterlagen-Gesetz vom 29. Dezember 1991 zum Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) ernannt wurde. Seine Aufgabe ist es – zusammen mit der ihm unterstellten Behörde  –, die Stasi-Akten zu verwalten und zu erforschen sowie jedem Bürger Einsicht in die über ihn vorhandenen Dokumente zu gewähren. Auf Gauck folgte im Jahr 2000 die Bürgerrechtlerin Marianne Birthler, seit 2011 bekleidet der Journalist und DDR-Oppositionelle Roland Jahn das Amt. Im Laufe ihres Bestehens konnte die Behörde nicht nur tausende Stasi-Mitarbeiter enttarnen, sondern auch die Strukturen sowie Zersetzungs- und Unterdrückungsmethoden des kommunistischen Geheimdienstes freilegen. 


Glashütte

1845 gründete Ferdinand Adolph Lange in Glashütte eine Uhrenmanufaktur. Schon bald folgten weitere Hersteller verschiedenster Präzisionschronographen, sodass Glashütte Ende des 19. Jahrhunderts als Zentrum der deutschen Uhren- und feinmechanischen Industrie galt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden sämtliche Unternehmen verstaatlicht und im VEB Glashütter Uhrenbetriebe zusammengefasst. Dass das sozialistische Intermezzo dem Ruf des Ortes keineswegs geschadet hatte, zeigte sich nach der Einheit 1990, als zahlreiche alte Marken nach Glashütte zurückkehrten – und neue entstanden. So zeigen heute Uhren von „A. Lange & Söhne“, „Glashütte Original“, „Union Glashütte/Sa.“, „Nautische Instrumente Mühle“, „Nomos Glashütte“, „Bruno Söhnle“, „Kronsegler“, „Tutima“ und „Moritz Grossmann“ stolz den Namen der sächsischen Kleinstadt auf dem Zifferblatt. 


Oberhof 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts baute Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha die kleine Landstadt am Rennsteig zu einem mondänen Wintersportort aus. Seit den 50er Jahren ließ die DDR-Führung den einstigen Luxusort zu einem sozialistischen Urlaubs- und Sportzen-trum umbauen (wofür zuvor einige alteingesessene Familien vertrieben wurden). Vor diesem Hintergrund entwickelte sich die Stadt im Thüringer Wald zu einem der Orte mit der höchsten Dichte an Olympiasiegern der Welt. Egal ob Biathlon, Bobsport, Rennrodeln, Skilanglauf, Skispringen oder Nordische Kombination – stets kämpfen Sportler aus Oberhof um die Medaillen mit. 


Elite-Fahrräder 

Zu den großen Problemen des Einigungsprozesses gehörte, dass zahlreiche Traditionsbetriebe die Umstrukturierung nicht überstanden. Nicht so die Diamant-Fahrradwerke. 1885 in Reichenbrand bei Chemnitz gegründet, gehörten die Produkte der Marke „Elite Diamant“ schon bald zu den beliebtesten deutschen Zweirädern. Nach der Verstaatlichung in der DDR gelang es, die Traditionsmarke auch im vereinten Deutschland zu etablieren. Mit Preisen von um die 1.000 Euro und mehr zählt „Diamant“ heute wieder zu den Premium-Herstellern auf dem Fahrradmarkt.


Sammer, Ballack und Kroos 

Während die Bundesrepublik im Fußball mehrfach Welt- und Europameister wurde, dümpelte die DDR oft im Mittelfeld. Um so erfreulicher, dass mit Matthias Sammer, Michael Ballack und Toni Kroos einige der wichtigsten Akteure der vereinten Fußballnation aus dem Osten der Republik stammen. Sammer führte die DFB-Auswahl 1996 zur Europameisterschaft und Borussia Dortmund 1997 zur Champions League. Ballack war „Capitano“ (Jürgen Klinsmann) der Nationalmannschaft beim „Sommermärchen“ 2006 im eigenen Land. Und Kroos war Mittelfeldlenker der Deutschen beim WM-Sieg 2014. Mit vier Siegen in der Champions League und fünf Siegen der FIFA-Klubweltmeisterschaft (jeweils für Bayern und Real Madrid) ist er inzwischen einer der erfolgreichsten Fußballer aller Zeiten.


Die Elbe 

Zwischen Erzgebirge und Nordsee markiert die Elbe eine der unsichtbaren inneren Grenzen Deutschlands. Wie der Main zwischen Norden und Süden, so teilt der aus Böhmen kommende, insgesamt 1.094 Kilometer lange Fluss seit alters her das Land der Teutonen zwischen Ost und West. Auch während der deutschen Teilung markierte die Elbe die Grenze zwischen beiden deutschen Staaten – allerdings nur entlang eines kleinen Abschnitts zwischen Dömitz und Lauenburg. Während der größte Teil des Stromes durch die DDR floss, lag die Mündung bei Cuxhaven im Westen. So verlor der östliche Teilstaat den Zugang zum größten deutschen Hafen Hamburg – und das im Westen gelegene Hamburg sein Hinterland am Oberlauf des Stromes. Seit der deutschen Einheit verbindet die Elbe nun wieder Böhmen, Sachsen, Preußen, Lauenburger, Hamburger und Niedersachsen. 


Halles Altstadt 

Einen Glücksfall der besonderen Art bedeutete die Vereinigung für Halle an der Saale. Wurde der Stadt um 1900 noch nachgesagt, den schönsten deutschen Marktplatz zu haben, verfiel ihr Zentrum in der DDR dramatisch. In den 80er Jahren plante die Führung gar den Abriss des bedeutsamen Altbauensembles – und den „Wiederaufbau“ mit Plattenbauten. Die Einheit setzte diesem Bestreben ein Ende – und die mühevolle Sanierung der Bausubstanz konnte beginnen. Zu den sehenswerten Altbauten gehört unter anderem das Geburtshaus Georg Friedrich Händels. Gerettet werden konnten auch die Franckeschen Stiftungen, die einst Mittelpunkt eines pietistischen Bildungs- und Missionswerks waren. Heute ist die Stadt an der Saale Sitz zahlreicher Kultur- und Bildungsstätten wie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Kulturstiftung des Bundes, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Burg Giebichenstein Kunsthochschule.


Silicon Saxony 

Dass Sachsen keineswegs nur eine große Geschichte zu bieten hat, sondern auch eine spannende Gegenwart, zeigt das „Silicon Saxony“. Mit diesem, an das kalifornische „Silicon Valley“ angelehnten Begriff wird die Ansiedelung von rund 350 Firmen aus Mikroelektronik, Halbleiter-, Photovoltaik- und Software-Branche bezeichnet. Den Grundstein dafür legte die EDV-Technik in der DDR. Ein wichtiger Meilenstein für das sächsische Wirtschaftswunder war 1996 die Ansiedelung des US-amerikanischen Chip-Herstellers AMD; weitere Unternehmen wie Infineon und Intel folgten, sodass heute etwa 40.000 Menschen in der Hochtechnologieproduktion arbeiten. 


Pommerns Inseln 

Hoch im Norden liegen – der Festlandküste der Ostsee vorgelagert – die Inseln Usedom, Rügen und Hiddensee. Jede von ihnen ist von eigenem Reiz. Während Hiddensee mit hügeligen Landschaften und langen Sandstränden lockt und zudem für den Autoverkehr gesperrt ist, fasziniert Rügen im Nationalpark Jasmund mit den Kreidefelsen der Stubbenkammer und den zum Weltnaturerbe der UNESCO zählenden Buchenhainen. Usedom ist vor allem für seine Bäderarchitektur berühmt – allen voran die Kaiserbäder Ahlbeck, Bansin und Heringsdorf. Allerdings gingen auch hier 40 Jahre Sozialismus nicht spurlos vorbei. Strandvillen verfielen ebenso wie Seebrücken oder Herrenhäuser und Kirchen im Binnenland der Inseln. Um so beeindruckender die Auferstehung nach 1990, die zur Wiederherstellung zahlreicher historischer Bauten führte. Eines der schönsten Beispiele hierfür ist der Wiederaufbau der Seebrücke von Sellin in den 90er Jahren. 


Premium-Pils

Als die „Ossis“ 1990 mit der D-Mark die lange ersehnten Westwaren kaufen konnten, machten sie davon so umfangreich Gebrauch, dass ihre eigenen Unternehmen bald vom Markt verschwanden. Nicht so bei den Bieren. Hier hatten altehrwürdige Marken wie Radeberger, Lübzer und 

Hasseröder nicht nur bei den Kunden einen hervorragenden Ruf. Auch zahlreiche Investoren aus dem In- und Ausland wussten um den Klang dieser Namen – und entwickelten die genannten und weitere Biere zu gesamtdeutschen Premiummarken.


Die Saale 

Nach dem Zweiten Weltkrieg markierte die Saale in ihrem Oberlauf die Grenze zwischen DDR und Bundesrepublik, weiter abwärts durchfloss sie das Mitteldeutsche Chemiedreieck – und wurde zu einem der am schlimmsten belasteten Fließgewässer Europas. Um so erfreulicher die Wiederkehr dieses vergessenen Idylls infolge der staatlichen Einheit und der Sanierung des einstigen Industriegebiets. Mit dem Naturpark Saale-Unstrut-Triasland und zahlreichen bedeutenden Städten wie Hof, Rudolstadt, Jena, Weißenfels, Naumburg, Merseburg und Halle sowie Burgen wie Saaleck, Rudelsburg, Giebichenstein und der Burg Wettin zählt die Saale heute wieder zu den großen Natur- und Kulturlandschaften unseres Landes.


Preußens großer Erzähler 

Ein „Einheitsgewinner“ der besonderen Art ist Theodor Fontane. Im Westen nach der Zerschlagung des alten Preußen beinahe in Vergessenheit geraten, im Osten als Chronist der ungeliebten Welt der Junker vom offiziellen Kulturbetrieb nicht eben gefördert, erlebt der märkische Erzähler seit den 90er Jahren eine Renaissance. Als Autor von Romanen wie „Vor dem Sturm“ und „Der Stechlin“ sowie Verfasser der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ erzählt Fontane alten und neuen Brandenburgern die Geschichten eines preußischen Kernlandes, das einerseits in der Geschichte versunken ist – andererseits nicht zuletzt dank seiner Erzählungen unsterblich bleibt. 


Neue Messe Leipzig

An der Kreuzung der beiden bedeutendsten Fernhandelsstraßen des alten Reiches – der Via Regia und der Via Imperii – gelegen, entwickelte sich Leipzig seit 1165 zu einem der wichtigsten Messeplätze Europas. Auch die DDR lud alljährlich zweimal zu einer internationalen Warenschau. 1996 wurde die Alte Messe durch ein neues Gelände im Norden der Stadt ersetzt. Markantestes Gebäude der Neuen Messe ist eine 238 Meter lange, 80 Meter breite und 30 Meter hohe Glashalle, entworfen vom Architektenbüro von Gerkan, Marg und Partner. Wenngleich Leipzig noch weit von seiner einstigen Bedeutung als führender Handelsplatz entfernt ist, so fanden zuletzt immerhin jährlich rund 40 Messen, 100 Kongresse und andere Veranstaltungen mit insgesamt 10.000 Ausstellern und 1,3 Millionen Besuchen auf dem Gelände der Leipziger Messe statt. 


Görlitz 

Tief im Osten der Republik liegt das schlesische Görlitz. Als bedeutender Handelsplatz entstanden hier seit dem Mittelalter prachtvolle Bürgerhäuser im Stile der Spätgotik, der Renaissance und des Barock. Im Zweiten Weltkrieg unbeschadet, verfiel die Stadt in der DDR dramatisch. Schon bald nach 1990 lockte die erhaltene Bausubstanz zahlreiche Liebhaber an, die die leerstehenden Häuser sanierten und mit neuem Leben füllten. Möglich wurde dies auch durch die Hilfe eines anonymen Spenders, der über 20 Jahre lang insgesamt rund zehn Millionen Euro überwies, die zur Sanierung von denkmalgeschützten öffentlichen, kirchlichen und privaten Gebäuden verwendet wurden. Rund 1500 Projekte konnten so bezuschusst werden – wodurch Görlitz heute wieder zu den schönsten Städten unseres Landes gehört. 


Museumsinsel 

Eine Schatzkammer der Kulturnation ist die Berliner Museumsinsel. Seitdem Friedrich Wilhelm III. 1810 bestimmte, auf der Spreeinsel „eine öffentliche, gut gewählte Kunstsammlung“ anzulegen, entstanden hier das Alte Museum, das Neue Museum, die Alte Nationalgalerie, das Kaiser-Friedrich-Museum (heute Bode-Museum) und das Pergamonmuseum. Diese präsentierten bedeutende Exponate der Weltkultur wie die Büste der Nofretete oder den Pergamonaltar. Mit der deutschen Teilung war nicht nur die Hauptstadt in zwei Hälften geteilt, sondern auch die Berliner Sammlungen. Die Einheit von 1990 ermöglichte auch ihre Wiedervereinigung. 


Gottes Häuser 

Der ganze Reichtum einer Kulturnation zeigt sich zuweilen abseits der großen Wege und Plätze. An den Palais und Bürgerhäusern der kleinen Städte – oder an den Gotteshäusern draußen im Lande. Die deutsche Einheit ermöglichte auch die Rettung und Wiederherstellung zahlreicher Kirchen und Klöster, die in der DDR aus ideologischen Gründen oder aus Achtlosigkeit einer gottlos gewordenen Gesellschaft verwahrlosten. In Helfta und Memleben, in Jerichow und in Küstrinchen sowie an vielen weiteren Orten bewahrten die Stiftung Kirchenbau, die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und zahlreiche private Bürgerinitiativen unzählige Gotteshäuser vor dem sicheren Verfall. 

 

Stralsund

Dass die Sanierung von Altstädten kein Selbstzweck ist, zeigt das Beispiel von Stralsund. Als in der Spätphase des real existierenden Sozialismus die Mehrzahl der Häuser in der Hansestadt verfallen war, blieben oft nur noch die Alten hier wohnen. Die Jungen suchten, wann immer sie konnten, woanders eine Bleibe. Dies änderte sich erst, als nach 1990 die schrittweise Sanierung der Bürgerhäuser zu Füßen der Kirchen St. Jakobi, St. Marien und St. Nikolai begann. Mit jedem abgeschlossenen Projekt zogen nicht nur Gewerbebetriebe in die Stadt, sondern auch junge Familien, zumeist mit Kindern. So entstand neues Leben in alten Häusern. 


Himmlische Stimmen

Von allen großen Traditionen Mitteldeutschlands ist kaum eine so berührend wie der Leipziger Thomanerchor. Am 20. März 1212 bestätigte Kaiser Otto IV. die Gründung des Klosters St. Thomas mitsamt einer angeschlossenen Klosterschule. Die aufgenommenen Knaben hatten als Gegenleistung für die ihnen gebotene Ausbildung Dienst im Gottesdienst zu verrichten – darunter den liturgischen Gesang. Aus diesen Anfängen entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte eines der bedeutendsten Kapitel deutscher Musikgeschichte – mit Johann Sebastian Bach im Amt des Thomaskantors als unumstrittenem Höhepunkt. Keine Naturkatastrophe und kein politischer Wandel setzten dieser Geschichte ein Ende. Und so stehen auch heute jeden Sonntag ein paar Knaben in der Thomaskirche, um zur Ehre Gottes ihre wahrhaft himmlischen Stimmen erklingen zu lassen.


Potsdam 

Mit ihren Schlössern, Palais und Villen gehört die einstige preußische Residenz-stadt seit Generationen zu den schönsten deutschen Städten. Ein furchtbarer alliierter Luftangriff in den letzten Kriegstagen und der „Wiederaufbau“ zu einer sozialistischen Musterstadt zerstörten das historische Flair scheinbar irreversibel. Hinzu kam die Lage an der Grenze zu West-Berlin, wodurch zu DDR-Zeiten insbesondere die idyllischen Wasserwege hermetisch abgeriegelt waren. Zum Symbol der Teilung an dieser Stelle wurde die Glienicker Brücke. Mit dem Untergang der DDR erwachte auch Potsdam zu neuem Leben. Zahlreiche Villen und historische Bauten wie das Belvedere wurden aufwendig saniert, und im wiederaufgebauten Stadtschloss sitzt seit 2014 der brandenburgische Landtag. 


Blühende Landschaften 

Als die Rote Armee 1994 aus Deutschland abzog, hinterließ sie nicht nur zahlreiche marode Kasernen und Wohnhäuser, sondern auch schwer verseuchte Böden. Diesel und Kerosin, Munitionsreste und sonstiger Sperrmüll waren jahrzehntelang ungehindert im Erdreich versickert, beziehungsweise dort verscharrt worden. Die Beseitigung dieser Altlasten wurde in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen, gehört jedoch zu den größten Erfolgen des Einigungsprozesses.