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02.10.20 / Baden-Württemberg / Das „Ländle“ wird Protesthochburg / Diesel, Corona, Wegfall von Arbeitsplätzen, Stuttgart 21: Im Südwesten begehren die Bürger auf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40 vom 02. Oktober 2020

Baden-Württemberg
Das „Ländle“ wird Protesthochburg
Diesel, Corona, Wegfall von Arbeitsplätzen, Stuttgart 21: Im Südwesten begehren die Bürger auf
Norman Hanert

Als Anfang des vergangenen Jahres im Stuttgarter Stadtgebiet ein Dieselfahrverbot eingeführt wurde, organisierte der Kfz-Mechatroniker Ioannis Sakkaros dagegen Demonstrationen. Angesprochen auf den Zulauf zu seinen Dieseldemos lieferte Sakkaros die Antwort: „Sobald man dem Schwaben in die Tasche greifen will, steht er auf.“ Trifft diese Einschätzung zu, dann könnten dem wirtschaftlichen Schwergewicht Baden-Württemberg politisch unruhige Zeiten bevorstehen.

Durch die Pandemie bekommt der Südwesten Deutschlands die Strukturkrise der Automobilindustrie stark zu spüren. Im „Autoland“ stehen bei Daimler, Bosch, ZF Friedrichshafen und dem Stuttgarter Autozulieferer Mahle Tausende gut bezahlte Arbeitsplätze auf der Kippe. Nach Angaben von Betriebsräten will etwa Daimler am Stammsitz Stuttgart-Untertürkheim in den nächsten Jahren von derzeit etwa 19.000 Stellen rund 4000 abbauen. Zuletzt warnten Daimler-Betriebsräte, dass Arbeit nicht allein durch Elektromobilität wegfällt, sondern auch, „weil das Unternehmen nicht mehr in Bereiche der herkömmlichen Antriebe investieren will. Und wenn überhaupt, dann in Polen oder Rumänien“.

Die Unternehmensführung hat die von den Betriebsräten genannte Zahl gefährdeter Arbeitsplätze bislang nicht bestätigt. Vorstandsmitglied Markus Schäfer sagte aber, Daimler müsse generell an seiner Kostenstruktur und Wettbewerbsfähigkeit arbeiten.

Arbeitnehmervertreter sehen auch bei Bosch die Gefahr, dass in Baden-Württemberg Arbeitsplätze gestrichen werden und die Produktion nach Osteuropa verlagert wird. In Bietigheim-Bissingen will der Konzern bis Ende 2021 ein Werk schließen. Davon profitieren könnten Standorte in Ungarn, wo Bosch bereits der größte industrielle Arbeitgeber ist.

Solche Nachrichten treffen speziell im Einzugsgebiet der Landeshauptstadt eine Region, in der es eine lange Tradition von Massendemos, Sitzblockaden und Kundgebungen gibt. Gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 gehen mittlerweile seit über zehn Jahren Bürger auf die Straße. Vergangenes Jahr sorgten die Diesel-Demos in Stuttgart für bundesweite Aufmerksamkeit. 

Derzeit gehört die Schwabenmetropole zu den Hochburgen der Protestbewegung gegen die Corona-Maßnahmen. Der Historiker Wolfram Pyta spricht den Bürgern der Stadt ein „gewisses Selbstbewusstsein und einen störrischen Habitus“ zu: „Stuttgart hat durchaus ein aufmüpfiges Bürgertum.“